Darf Finanzamt zu Unrecht erhobene Einkommensteuer behalten?

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Worum geht es?

Der vorliegende Fall betrifft eine Mandantin, die im Rahmen ihrer freiberuflichen Vertriebstätigkeit einen Autounfall erlitt, der ein Arbeitsunfall war. Unsere Mandantin erhielt eine Unfallrente von der Berufsgenossenschaft. Diese Einnahmen aus der Unfallrente gab unsere Mandantin (in Höhe von 50 %) im Rahmen der Einkommensteuererklärung 6 Jahre lang als Einnahme an und unterwarf den hälftigen Betrag der Einkommensteuer. Wohnsitzfinanzamt und zuständig für unsere Mandantin ist das Finanzamt Pirna in Sachsen.

Unsere Mandantin fügte den Bescheid der Berufsgenossenschaft jeder Einkommensteuererklärung bei. Weiterhin versicherten sich unsere Mandantin und ihr Sohn telefonisch bei dem Finanzamt Pirna darüber, dass sämtliche Einnahmen aus Rentenzahlungen steuerpflichtig sind. Das Finanzamt veranlagte die Einkommensteuer, so wie erklärt, obwohl es Kenntnis davon hatte, dass die Rentenzahlungen aus einer Unfallrente resultieren und mithin steuerfrei sind, anders als beispielsweise die Altersrente, die hälftig der Einkommensteuer zu unterwerfen ist, sind Einnahmen aus der Unfallrente steuerfrei.

Eine Akteneinsicht wurde im Rahmen des Klageverfahrens unserer Mandantin versagt mit der Begründung, das Finanzamt müsste sich nicht selbst belasten, aufgrund der Gewährung einer Akteneinsicht. Auch wenn nicht das nicht rechtsstaatlich ist, hat das Finanzamt das Recht, die Akteneinsicht zu versagen.

Im Verlauf der Jahre entrichtete unsere Mandantin ca. 25.000,00 € Einkommensteuer mehr als geschuldet.

Als die Steuerpflichtige im Jahr 2015 einen Steuerberater beauftragte, der künftig die Steuererklärungen vorbereiten sollte, fiel dieser Umstand auf und das Steuerberatungsbüro versuchte, eine Berichtigung der Einkommensteuerbescheide, die zwischenzeitlich rechtskräftig waren, zu erzielen. Die Abgabenordnung sieht jedoch leider rechtlich keine Möglichkeit zugunsten des Steuerpflichtigen vor, das Finanzamt zu verpflichten, bei fehlerhaft erklärten Steuererklärungen und Veranlagung durch das Finanzamt, gemäß der Steuererklärung, dieses zu berichtigen.

Im Rahmen eines Verfahrens vor dem Finanzgericht Leipzig haben wir versucht, eine Berichtigung der Einkommensteuerbescheide nach diversen möglichen Tatbeständen der Abgabenordnung zu erzielen, sind jedoch unterlegen. Das Finanzgericht Leipzig ging jedoch in seinem Urteil davon aus, dass möglicherweise eine Amtspflichtverletzung vorliegen könnte.

Daraufhin wurde erstinstanzlich Klage vor dem Landgericht Dresden auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung geklagt. Leider ist erstinstanzlich diese Klage auch abgewiesen worden. Wir haben jedoch dann vor dem OLG Dresden obsiegt in Höhe eines Teils des Schadensersatzanspruches, da unsere Mandantin ein Mitverschulden haben soll.

Was war Grundlage der Entscheidung des OLG Dresden?

Das OLG Dresden ging davon aus, dass die Berufung zulässig und begründet ist. Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung wurde insbesondere damit begründet, dass zunächst ein nicht verjährter Schadensersatzanspruch für die vorliegenden Veranlagungszeiträume 2005 – 2012 vorliegt. Die Finanzbehörden, so das OLG Dresden, handeln in Ausübung ihrer öffentlichen Gewalt und haben nicht nur die Pflicht, Steuern beizutreiben und zu veranlagen, sondern im Rahmen des gesetzlich Zulässigen, die Erhebung von Steuern unter Berücksichtigung der für den Beteiligten günstigen Umstände zu veranlassen. 

Die Beamten des Finanzamtes, so das OLG Dresden, haben bei der Verfolgung des Steueranspruchs alle im Einzelfall bedeutsamen, auch für den Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

Dieses ist vorliegend nicht erfolgt, denn auch wenn das Finanzamt grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass der Steuerpflichtige die Jahressteuererklärung nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig macht, war es für das Finanzamt erkennbar, dass es sich um eine Unfallrente handelt, die nicht der Besteuerung unterlag

Dieses ergab sich zum einen daraus, dass die Bescheide der Berufsgenossenschaft den jeweiligen Steuererklärungen beigefügt waren – dieser Umstand wurde im finanzgerichtlichen Verfahren unstreitig gestellt. Darüber hinaus ergab sich aus der Nichtmeldung der Zentralen Stelle der Deutschen Rentenversicherung Bund, dass die Steuerpflichtige keine Altersrente bezog, die der Besteuerung unterlag. Ab dem 01.01.2005 meldet diese Zentrale Stelle, sämtliche Rentenzahlungen, die der Einkommensteuer unterliegen, automatisch dem jeweiligen Wohnsitzfinanzamt.

Folglich lag eine Diskrepanz vor, zwischen den erklärten Einnahmen einerseits und den nicht vorhandenen Meldungen der Deutschen Rentenversicherung Bund über steuerpflichtige Einnahmen andererseits. Das Finanzamt Pirna war verpflichtet in eine vertiefte Prüfung einzusteigen, so die Richter des OLG.

Es scheint im Rechtsstaat zu gelten: selbst schuld, wer zu viel Steuern zahlt. Trotzdem hat sich der Weg zum OLG Dresden gelohnt.

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Anwaltskanzlei BONTSCHEV

Fachanwältin für Steuerrecht

Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht


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