Darf ich eine Vorladung von der Polizei ignorieren?

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Wenn es sich um eine Vorladung als Beschuldiger handelt, ist die Antwort ein klares JA!

Wenn es sich um eine Vorladung von der Polizei als Zeuge handelt, kommt es darauf an. Bis zur Gesetzesänderung im August 2017 durften auch Zeugen der Vorladung fernbleiben. Seit der Gesetzesänderung müssen Zeugen einer Vorladung Folge leisten, wenn diese auf Anordnung der Staatsanwaltschaft erfolgt. Ist keine Anordnung der Staatsanwaltschaft gegeben, dürfen auch Zeugen die Vorladung von der Polizei ignorieren.

Ist es sinnvoll, als Beschuldigter die Vorladung der Polizei zu ignorieren?

Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich nur auf die Vorladung als Beschuldigter. Für die Ladung als Zeuge gelten andere Regelungen. Auf diese geht der nachfolgende Artikel nicht ein.

Ob es hilfreich ist, die Vorladung als Beschuldigter der Polizei zu ignorieren, hängt von mehreren Faktoren ab.

Wenn der Betroffene eine Vorladung erhält, weiß er in der Regel nicht, was ihm vorgeworfen wird. Geht er zur Polizei, ist er nervös und wird meist mehr preisgeben, als erforderlich. Es liegt in der Natur des Menschen, dass dieser in einer solchen Ausnahmesituation mehr redet als üblich. Zahlreiche Betroffene reden sich im wahrsten Sinne des Wortes um Kopf und Kragen. Besonders problematisch an dieser Sache ist, dass die Betroffenen nicht genau wissen, was die Staatsanwaltschaft und die Polizei wissen. Sie wissen nicht, was Inhalt der Ermittlungsakte ist. Häufig wissen die Ermittlungsbehörden viel weniger, als die Betroffenen glauben und sie liefern durch ihre Angaben bei der Vernehmung erst das Material, um verurteilt werden zu können oder verschärfen die Strafe durch diese Angaben ganz erheblich.

Eine meiner Mandantinnen war zur Tatzeit Heranwachsende. Ihr wurde Handeltreiben mit Betäubungsmitteln vorgeworfen. Es kommt zur Hausdurchsuchung. Nach der Hausdurchsuchung wurde sie mit zur Polizei genommen, um sie zu vernehmen.

Der Polizeibeamte sagte zu ihr: „Hier ist Ihre Akte“, und zeigte auf einen dicken Stapel Papier. Er sagte weiter: „Darin befinden sich die Chat-Verläufe. Sie sind überführt. Wir haben alle Angaben. Geben Sie es zu, sonst machen Sie alles noch schlimmer.“ Die Mandantin verfiel in Panik und räumte über 30 Käufe von Marihuana ein. Außerdem machte sie noch von § 31 BtMG Gebrauch und schwärzte zahlreiche ihrer Freunde an. Sie machte Angaben zu deren Betäubungsmittelkäufe und bezichtigte diese auch des Handeltreibens. Dies tat ihr zwar im Nachgang leid, dennoch wurden auch Strafverfahren gegen diese Personen eingeleitet. Nach dieser Aussage bei der Polizei hatte sie sich bei mir in der Kanzlei gemeldet. Ich hatte Akteneinsicht beantragt. Nachdem ich die Akten eingesehen hatte, stellte sich heraus, dass sich aus der Akte rein gar nichts ergab. Anhand der Chat-Verläufe konnte der Mandantin absolut nichts nachgewiesen werden. Nicht ein einziger Kauf von Betäubungsmitteln ergab sich aus der Akte.

Die Mandantin erhielt allerdings eine Anklageschrift wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln in über 30 Fällen, weil sie dies in ihrer Vernehmung selbst eingeräumt hatte. Zugleich hatte sie noch Freunde angeschwärzt. Dies alles passierte nur, weil sie zur Vernehmung ging, den Angaben der Beamten Glauben schenkte und Angaben machte, ohne den Akteninhalt zu kennen. Hätte sich unsere Mandantin gleich an uns gewandt, hätten wir ihr geraten, nicht bei der Polizei zu erscheinen. Wir hätten zuerst Akteneinsicht beantragt und uns eine Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft vorbehalten. Nach der Einsichtnahme in die Ermittlungsakte hätten wir festgestellt, dass der Mandantin nichts vorgeworfen werden kann, sie hätte weiterhin auf unser Anraten hin geschwiegen und wir hätten die Einstellung des Verfahrens beantragt. Das Verfahren wäre eingestellt worden, da sich aus der Akte nichts Belastendes für die Mandantin ergab.

Häufig verspüren die Mandanten den Drang, sich zur Angelegenheit zu äußern. Hierzu besteht genügend Zeit, auch noch nach Erhalt der Akte und sobald der Betroffene weiß, was ihm überhaupt vorgeworfen wird.

Wenn die Betroffenen sich dafür entscheiden, einen Anwalt zu beauftragen, ist es sinnvoll, NICHT zur Vorladung zu erscheinen und die Akteneinsicht durch den Strafverteidiger abzuwarten. Der Rechtsanwalt wird dem Betroffenen dann mitteilen, welche Risiken das Strafverfahren birgt, wie die Chancen stehen, dass das Verfahren im Ermittlungsverfahren eingestellt wird und ob eine Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft sinnvoll ist.

Wollen die Betroffenen allerdings keinen Anwalt einschalten, weil sie Angst vor den Kosten haben, sich einen Anwalt nicht leisten können oder aus welchem Grund auch immer, ist es in den meisten Fällen auch sinnvoll, nicht zur Vorladung durch die Polizei zu erscheinen und abzuwarten. Es besteht in diesen Fällen allerdings das Risiko, dass ein Strafbefehl oder eine Anklageschrift zugestellt werden. Dagegen können sich die Betroffenen immer noch verteidigen. Allerdings ist die Einstellung des Verfahrens in diesem Verfahrensstadium nicht mehr so einfach möglich, da die Staatsanwaltschaft die Sache schon an das Gericht abgegeben hat und der Richter, der dann über die Sache zu entscheiden hat, den Strafbefehl schon unterschrieben hat. Wenn geplant ist, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, sollte dies so früh wie möglich erfolgen. Es entstehen dadurch auch keine höheren Kosten.

Es gibt vereinzelt Fälle, bei denen es sinnvoll ist, gegenüber der Polizei Angaben zu machen. Z.B. wenn ein Eingehungsbetrug vorgeworfen wird, weil angeblich die Ware nicht versendet wurde und der Betroffene eindeutig mittels Postbeleg den Versand nachweisen kann. Dies sind aber Einzelfälle.

Im Zweifel ist es ratsam, der Vorladung durch die Polizei keine Folge zu leisten. Am sichersten ist es jedoch, sofort nach Erhalt der Vorladung, zumindest Akteneinsicht über einen Anwalt beantragen zu lassen, damit die Betroffenen überhaupt wissen, was ihnen vorgeworfen wird. Oftmals sind die Betroffenen erstaunt, dass die Staatsanwaltschaft oder Polizei weniger weiß, als sie anfänglich glaubten.

Dieser Rechtstipp dient lediglich der Information und gibt die Meinung und Erfahrung der Verfasserin wieder. Dieser Rechtstipp stellt keine Rechtsberatung dar. Wenn Sie über konkreten Beratungsbedarf verfügen, kontaktieren Sie einen Rechtsanwalt.


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Rechtsanwältin

Dipl. Jur. Stefanie Lindner, Passau


  


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