Darf sich die Staatsanwaltschaft gegenüber den Medien über ein Ermittlungsverfahren äußern?

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Stellen Sie sich einmal vor: Gegen Sie wurde ein Ermittlungsverfahren eröffnet, doch sie haben mit den Vorwürfen nichts zu tun. Die zuständige Staatsanwaltschaft macht gegenüber Journalisten identifizierende Angaben über das gegen sie eingeleitete Ermittlungsverfahren - es folgen zahlreiche Medienberichte, die sie quasi schon als überführten Täter darstellen.

Genau so ging es kürzlich einem meiner Mandanten. Ein Oberstaatsanwalt hatte sich gegenüber einer Medien GmbH identifizierend über ein anhängiges Ermittlungsverfahren des Mandanten geäußert. Was das für Folgen hatte, können Sie sich vermutlich denken:

Medienberichte schaden beruflichem Image – Ermittlungsverfahren eingestellt

Auf die Auskunft des Oberstaatsanwalts, der gegenüber einem Journalisten ein anhängendes Ermittlungsverfahren gegen den Mandanten bestätigt hatte, folgten zahlreiche Medienberichte. Das Problem: Der Mandant wusste selbst noch nichts von dem Verfahren, sondern erfuhr erst durch die Artikel davon. Es ist rechtswidrig, dass eine Ermittlungsbehörde in einer identifizierenden Art und Weise Auskunft zu einem schwebenden Verfahren gibt, das sich im frühestmöglichen Stadium befindet und bei dem unser Mandant noch überhaupt nicht angehört wurde. Das Ermittlungsverfahren wurde schließlich auch eingestellt, der Mandant hatte sich nichts zu schulde kommen lassen.

Obwohl sich der Vorwurf als völlig haltlos erwies, leidet der Mandant aufgrund der Medienberichterstattung nun unter starken Problemen auf dem Arbeitsmarkt – von einem strafrechtlichen Vorwurf bleibt naturgemäß immer etwas hängen. Von einem Personalvermittler erfuhr er, dass seine Bewerbung darauf beruhe, dass sein Ruf aufgrund des Ermittlungsverfahrens eben „nicht (mehr) tadellos“ sei. Der Mandant hat Schwierigkeiten, nach seiner Kündigung nun wieder einen Job zu finden und sieht sich mit zahlreichen Absagen konfrontiert – und das alles, obwohl er unschuldig ist. Der ursprüngliche Verdacht, wegen dessen es ein Ermittlungsverfahren gab, konnte nicht bestätigt werden. Es ist gar nicht ungewöhnlich, dass Ermittlungsverfahren eingestellt werden, weil sich der Anfangsverdacht nicht bestätigt. Normalerweise passiert dies jedoch im Hintergrund und nicht einmal die Betroffenen bekommen hiervon etwas mit. In diesem Fall aber wurde dem Betroffenen durch die Auskunftserteilung des Oberstaatsanwalts schwerer Schaden zugefügt.

Verdachtsberichterstattung - was ist erlaubt?

Natürlich ist nicht grundsätzlich jede Berichterstattung über den Verdacht einer Straftat verboten. Es gelten jedoch strenge Anforderungen, die Medien und Auskunftsgeber zu beachten haben.

Zu den Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung gehören:

  • Mindestbestand an Beweistatsachen.
  • Keine Vorverurteilung.
  • Vorfall von gravierendem Gewicht.
  • Stellungnahme des Betroffenen.

Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt

Der Oberstaatsanwalt hatte wiederholt und sogar nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens identifizierende Äußerungen über den Betroffenen gegenüber der Presse getätigt. Die Erteilung einer solchen identifizierenden Auskunft durch die Ermittlungsbehörde ist rechtswidrig.

Die Auskunftserteilung nach Einstellung des Strafverfahrens verletzte das allgemeine Persönlichkeitsrecht unseres Mandanten. Gerade in Fällen der „Verdachtsberichterstattung“ hätte sich der Oberstaatsanwalt bei der Erteilung von identifizierenden Auskünften über unseren Mandanten ganz besonders zurückhalten müssen. Schließlich gilt die Unschuldsvermutung. Das gilt umso mehr sofern das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurde, wie es in diesem Fall geschehen war. Gerade dann hat sich die Unschuld des zuvor Beschuldigten in der Einstellung bestätigt, sodass die Ausführungen hierüber nicht mehr im öffentlichen Interesse sein können. Da identifizierende Berichterstattungen in besonderem Maße in den privaten Lebensbereich des Beschuldigten eingreifen und die Staatsanwaltschaft eine sogenannte privilegierte Quelle darstellt, unterliegt sie insoweit erhöhten Sorgfaltsanforderungen.

Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung aber hatte die Staatsanwaltschaft zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht Schleswig hatte auf unsere Klage hin die Rechtswidrigkeit der Medieninformation durch die Staatsanwaltschaft Kiel festgestellt.

Foto(s): canva

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