Das französische Scheidungsverfahren

  • 4 Minuten Lesezeit

Die französischen Verfahrensregelungen bei Scheidung unterscheiden sich in vielen Punkten von den deutschen Regelungen, insbesondere was die Anzahl der Verhandlungen und die Rolle des Richters betrifft.

1. Zuständigkeit der französischen Gerichte

Die französischen Gerichte sind für das Scheidungsverfahren zuständig, soweit der Wohnsitz der Ehepartner in Frankreich ist (Art. 1070 Code de procédure civile). Darunter versteht sich der gewöhnliche  Familienwohnort.

2. Zwei Scheidungsarten

In Frankreich sind zwei Arten von Scheidungsverfahren möglich: die nicht-einvernehmliche Scheidung (Art. 1075 ff Code de procédure civile) und die einvernehmliche Scheidung (Art. 1088 ff Code de procédure civile).

2.1. Die einvernehmliche Scheidung

Bei der einvernehmlichen Scheidung haben die Ehepartner die Möglichkeit, den selben Anwalt zu beauftragen, der den Scheidungsvertrag verfasst. Wenn die Ehepartner Eigentümer einer Immobilie sind, müssen sie zuvor die Aufteilung des unbeweglichen Vermögens beim einen Notar regeln. Im Scheidungsvertrag wird dann die notarielle Einigung bezüglich der Vermögensaufteilung aufgenommen. Im diesen Vertrag werden außerdem alle Regelungen betreffend der Kinder, des Unterhalts, des Versorgungsausgleiches, der Schulden, des beweglichen Vermögens, usw. aufgeführt. Damit eine einvernehmliche Scheidung zustandekommen kann, müssen sich die Ehepartner in allen Punkten einig sein. Der von den Ehepartnern unterzeichnete Scheidungsvertrag wird anschließend  beim zuständigen Landgericht eingereicht und ein Verhandlungsdatum festgesetzt. Bei der Verhandlung prüft der Familienrichter lediglich, ob die Ehepartner mit dem Scheidungsvertrag weiterhin übereinstimmen. Ist dies der Fall, wird der Scheidungsvertrag gerichtlich anerkannt und die Scheidung ausgesprochen.

2.2 Die nicht-einvernehmliche Scheidung

2.2.1. Bei der nicht-einvernehmlichen Scheidung wird der Scheidungsantrag von einem der Ehepartner bei Gericht eingereicht. Die beiden Ehepartner werden dann zur Versöhnungsverhandlung („audience de conciliation") geladen (Art. 1108 ff Code de procédure civile). Bei der Versöhnungsverhandlung besteht ausschließlich für den Antragssteller eine Anwaltspflicht. Erst wenn es zur Scheidungsklage kommt, müssen beide Parteien anwaltlich vertreten sein. Bei der Verhandlung werden ausschließlich provisorische Maßnahmen getroffen, die während des Scheidungsverfahrens gültig bleiben. Der Richter entscheidet dann über die Wohnverhältnisse der Ehepartner und der Kinder, die eventuelle Höhe des Unterhalts für die Kinder und/oder den Ehepartner, wer welche Zahlungen zu tragen hat. Bei der Verhandlung können die Ehepartner das Prinzip der Scheidung annehmen oder verweigern. Eine Annahme ist nur möglich, wenn die beiden Ehepartner von Rechtsanwälten vertreten werden. Wenn die Ehepartner das Prinzip der Scheidung annehmen, wird während des Scheidungsverfahrens nicht mehr über die Gründe der Scheidung gesprochen. Bei einer Verweigerung eines Ehepartners kann die Scheidung grundsätzlich später nur wegen schwerwiegendem Verhalten oder nach einer zwei-jährigen Trennung ausgesprochen werden. Kommt bei der Verhandlung keine Versöhnung zustande, kommt es zu einem Nichtversöhnungsbeschluss („ordonnance de non-conciliation"). Nach Zustellung des Nichtversöhnungsbeschlusses durch einen Gerichtsvollzieher haben die Parteien eine zwei- Wochen Frist, um Berufung einzulegen. Im Fall einer Berufung bleiben die sofortigen provisorischen Maßnahmen anwendbar.

2.2.2. Nach dem Nichtversöhnungsbeschluss wird die Scheidungsklage eingereicht. Der Scheidungsantragsteller hat eine dreimonatige Frist, in der er alleinig die Scheidungsklage einreichen darf. Nach Fristablauf können beide Parteien die Klage einreichen. Dafür ist eine Frist von dreißig Monaten vorgesehen. Nach Beendigung dieser Frist ist der Nichtversöhnungsbeschluss hinfällig und das Scheidungsverfahren muss von neuem wieder aufgenommen werden.

In dieser zweiten Phase des Scheidungsverfahrens haben die Ehepartner keinen Zugang zur Verhandlung, da das Verfahren ausschließlich schriftlich verläuft.

Die Scheidungsklage muss auf einem der drei dafür gesetzlich vorgesehenen Gründe beruhen:

- Annahme des Prinzips der Scheidung durch die Ehepartner

- räumliche Trennung der Ehepartner seit mehr als zwei Jahren

- schwerwiegendes Verhalten.

Nach Zustellung der Klage hat die Gegenpartei zwei Wochen Zeit, um einen Anwalt zu berufen. Da Anwaltspflicht besteht, wird mangels eines Verteidigungsanwalts das Scheidungsverfahren bei der ersten Verhandlung vom Richter als für geschlossen erklärt und das Scheidungsurteil ausgesprochen.

2.2.3. Die Scheidungsverhandlung wird so oft vertagt bis beide Parteien keine neuen Schriftsätze mehr vorlegen möchten. Wenn dieser Punkt erreicht wird, erklärt der Richter das schriftliche Verfahren für geschlossen und ein Datum für die Plädoyerverhandlung („audience de plaidoirie") wird festgesetzt. Um das Verfahren zu beschleunigen, kann der Richter selbst oder auf Forderung einer Partei eine letzte Frist zur Einreichung von Schriftsätzen festsetzen. Bei der Plädoyerverhandlung überreicht jede Partei ihre Anlagen und ein Datum zur Urteilsverkündung wird beschlossen. Die Besonderheit in Frankreich liegt darin, dass der Richter die Akte vor der Verhandlung nicht zum Kenntnis nimmt.

2.2.4. Die Parteien können gegen das Scheidungsurteil in erster Instanz Berufung einlegen. Dafür haben sie eine ein-monatige Frist nach Zustellung des Urteils. Die Scheidung wird rechtskräftig, wenn innerhalb der Frist keine Berufung eingelegt wurde oder bei Berufungseinlegung erst nach Zustellung des Berufungsurteils.

2.2.5. Die Aufteilung des gemeinsamen Vermögens der Ehepartner erfolgt nach dem Scheidungsurteil, außer wenn sich das Ehepaar zuvor auf eine einvernehmliche Aufteilung geeinigt hat. Für die Aufteilung wird das bestehende gemeinsame Vermögen zum Zeitpunkt des Nichtversöhnungsbeschlusses berücksichtigt. Nach dem Scheidungsurteil kann einer der Ehepartner die Eröffnung des gerichtlichen Vermögensaufteilungsverfahrens vor dem zuständigen Amtsgericht beantragen. Dann wird ein  Notar vom Gericht benannt, um eine Aufteilungslösung zwischen den Eheleuten zu finden. Falls keine Einigung vor dem Notar erfolgt, wird das Landgericht über die beim Notar weiterhin bestehenden Differenzen der Aufteilung entscheiden (Besonderheit des lothringisch-elsässischen Rechtes: in anderen Regionen läuft das Aufteilungsverfahren ausschließlich vor dem Landgericht).

Maître Buron Marie-Anne

Avocat

Anwaltskammer Saargemünd (Frankreich) und Saarbrücken


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Beiträge zum Thema