Das Mahnverfahren in Bulgarien

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Mit dem Begriff Mahnverfahren wird ein Gerichtsverfahren bezeichnet, das der vereinfachten Durchsetzung von Geldforderungen dient. Der Zweck dieses Verfahrens ist die Vollstreckung einer Geldforderung ohne Klageerhebung. Das Mahnverfahren ist damit eine schnelle und kostensparende Alternative zum gewöhnlichen Zivilprozess, die sich besonders für Ansprüche eignet, über die kein Streit besteht. Am Ende des Mahnverfahrens wird ein Vollstreckungsbescheid (ein Vollstreckungstitel, mit dem der Gläubiger seine Geldforderung vollstrecken kann) erteilt. Die rechtliche Regelung des Mahnverfahrens befindet sich in den Art. 410 - 425 der bulgarischen Zivilprozessordnung (ZPO). In Bulgarien unterscheiden sich zwei Arten des Mahnverfahrens nach Art. 410 und nach Art. 417 ZPO je nach deren Voraussetzungen und Anwendungsbereich.

I.                    Mahnverfahren gemäß Art. 410 ZPO

Dieses Verfahren findet Anwendung, wenn es sich von

1.       Geldforderungen oder vertretbaren Sachen handelt (Abs. 1 P. 1) bei Zuständigkeit des Amtsgerichts;

2.       der Abgabe einer beweglichen Sache handelt, die der Schuldner

  • mit der Pflicht zur Rückgabe erhalten hat, oder
  • zur Sicherung einer Forderung erhalten hat, oder
  • mit der Verpflichtung zur Rückgabe des Besitzes erhalten hat.

In diesen Fällen darf der Gegenstandswert nicht höher als BGN 25.000 sein. Das zuständige Gericht ist das Amtsgericht am Sitz des Schuldners.

Gem. Art. 410 Abs. 2 ZPO muss der Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Mahnbescheids im Form eines Formblatts mit zwingenden Angaben erfolgen:  Das Mahnverfahren wird vollends vor dem Amtsgerichten durchgeführt. Das Gericht überprüft den Antrag  nach Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und der örtlichen Gerichtszuständigkeit.  Der Mahnbescheid wird innerhalb einer 3-tägigen Frist ausgestellt (Art. 411 ZPO).

Der Mahnbescheid hat einen zwingenden Inhalt gemäß Art. 412 ZPO.

Der Schuldner erhält keine Abschrift des Antrags.

Gegen den Mahnbescheid selbst kann keine Beschwerde eingelegt werden. Nur gegen die Kosten ist die Einlegung einer Beschwerde zulässig - Art. 413 ZPO. Der Schuldner kann aber jedoch einen schriftlichen Widerspruch erheben, der das Inkrafttreten des Mahnbescheids suspendiert. 

Falls kein Widerspruch in der gesetzlich vorgesehenen Frist von 2 Wochen eigereicht wird, so wird dem Gläubiger ein Vollstreckungsbescheid erteilt.

Rechtsbehelf des Schuldners gegen den Mahnbescheid nach Art. 410 ZPO

Innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Mahnbescheides kann der Schuldner einen schriftlichen Widerspruch gegen den Mahnbescheid einlegen (Art. 414 ZPO). Der Widerspruch muss nicht begründet werden und kann entweder gegen einen Teil des Mahnbescheids oder gegen den ganzen Mahnbescheid eingelegt werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.

Wenn ein Widerspruch rechtzeitig erhoben worden ist, tritt der Mahnbescheid nicht in Kraft (suspensive Wirkung des Widerspruchs) Der Gläubiger muss seine Klage innerhalb einer Frist von einem Monat erheben (Art. 415 ZPO) und  den Restteil der Gerichtsgebühr einzahlen, ansonsten kann er seine Forderung nicht mehr gerichtlich durchsetzen.

Falls der Gläubiger keine Beweise für die Klageerhebung anführt oder sich an die Klagefrist nicht hält, so hebt Gericht den Mahnbescheid auf.

Inkrafttreten des Mahnbescheids

Gemäß Art. 416 ZPO tritt der Mahnbescheid in Kraft in den folgenden Fällen:

  • wenn innerhalb der gesetzlichen Frist kein Widerspruch gegen den Mahnbescheid erhoben oder wenn der Widerspruch zurückgezogen worden ist;
  • nach Inkrafttreten des Urteils über die Anerkennung der Geldforderung.

Aufgrund des Mahnbescheids wird von dem Gericht ein Vollstreckungsbescheid ausgestellt. Das wird auf dem Mahnbescheid vermerkt.

II.                  Mahnverfahren nach Art. 417 ZPO

Der Gläubiger kann die Erteilung eines sofortigen Mahnbescheids nach Art. 417 ZPO beantragen, wenn die Forderung, unabhängig von deren Höhe, auf einen der folgenden Unterlagen beruht:

1.       Urkunde oder Auszug aus der Buchhaltung, mit den Forderungen der Staatseinrichtungen, Gemeinden oder Banken festgestellt sind;

2.       Notarielle Urkunde, Vereinbarung oder ein anderer Vertrag, die mit notarieller Beglaubigung der Unterschriften abgeschlossen worden ist, bezüglich der darin festgelegten  Verpflichtungen auf Zahlung von Geldsummen oder auf Übergabe anderer vertretbaren Sachen;

3.       Auszug aus dem Register über die besonderen Pfandrechte über die eingetragene Sicherheit und für den Beginn der Vollstreckung - nur hinsichtlich der Übertragung verpfändeter Sachen;

4.       Auszug aus dem Register über die besonderen Pfandrechte über einen eingetragenen Kaufvertrag mit Eigentumsvorbehalt bis zur Auszahlung des Kaufpreises oder bei Leasingverträge - bezüglich der Rückgabe von verkauften oder geleasten Sachen;

5.       Pfandvertrag oder hypothekarischer Akt gemäß Art. 160 und Art. 173 Abs. 3 Gesetz über die Schuldverhältnisse und Verträge (GSV);

6.       Im Kraft getretener Akt für die Feststellung von Privatforderungen des Staats oder der Gemeinde, wenn ihre Vollstreckung gemäß ZPO erfolgt;

7.       Akt für einen Fehlbetrag;

8.       Schuldscheine, Wechsel und Schuldverschreibung (Obligation) u.a.


Wenn mit dem Antrag auf Erteilung des Mahnbescheides der Gläubiger eine Urkunde gemäß Art. 417 ZPO vorlegt, kann er vom Gericht eine unverzügliche Vollstreckung und die Ausstellung eines Vollstreckungsbescheides verlangen (Art. 418 Abs. 1 ZPO).

Das Gericht prüft die formelle Rechtmäßigkeit der Urkunde und bescheinigt die vollstreckbare Forderung gegen den Schuldner.

Wenn die Fälligkeit der Forderung gemäß der vorliegenden Urkunde von der Erfüllung einer  Gegenforderung oder von der Eintritt eines anderen Umstands abhängt, muss die Erfüllung der Gegenforderung oder der Eintritt des Umstands mit einer offiziellen oder vom Schuldner ausgehenden Urkunde bestätigt werden (Art. 418 Abs. 3 ZPO).

Beschwerde gegen das Mahnverfahren nach Art. 417 ZPO

Gegen den Beschluss des Gerichts, mit dem der Antrag für Erteilung eines Vollstreckungsbescheids ganz oder teilweise abgelehnt worden ist, kann der Gläubiger Beschwerde innerhalb einer Frist von einer Woche eingelegt werden - Art. 418 Abs. 4 ZPO.

Gegen den Beschluss des Gerichts, mit der der Antrag auf sofortige Vollstreckung stattgegeben wird, kann der Schuldner Beschwerde innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung einlegen. Die Beschwerde wird gemeinsam mit dem Widerspruch gegen den ausgestellten Mahnbescheid erhoben und kann sich nur auf den im Art. 417 ZPO aufgeführten Voraussetzungen beziehen.

Die Beschwerde führt nicht zur Aussetzung der Vollstreckung (Art. 419 Abs. 3 ZPO).

Der Mahnbescheid wird von dem Gerichtsvollzieher zugestellt (Art. 418 Abs. 5 ZPO).

Ruhen der Vollstreckung

Der Widerspruch gegen den Mahnbescheid führt zur Aussetzung der Vollstreckung nach Art. 417 Abs. 1-8 ZPO nur, wenn eine Sicherheit gemäß Art. 180 oder Art. 181 GSV gewährt ist (Art. 420 ZPO).

Wenn innerhalb der Widerspruchsfrist ein Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung gestellt wird und dabei begründetes schriftliches Beweismaterial vorgelegt wird, kann das Gericht die sofortige Vollstreckung aussetzen.

Im Art. 421 ZPO wird die teilweise Aussetzung der Vollstreckung geregelt.


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