Dashcams im Straßenverkehr als Beweismittel erlaubt? – Datenschutz und Beweisverwertungsprobleme

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Ist die Nutzung von Dashcams im Straßenverkehr in Deutschland erlaubt und verstoßen Dashcam-Videoaufzeichnungen ohne ausdrückliche Einwilligung der gefilmten Verkehrsteilnehmer bzw. sonstiger betroffener Personen gegen deutsches Datenschutzrecht sowie gegen die prozessualen Vorschriften zur Beweiserhebung und Beweisverwertung im gerichtlichen Verfahren?

Seit geraumer Zeit sind diese Fragen Gegenstand von Gerichtsverfahren in Deutschland und nach wie vor scheint sich keine eindeutige Antwort abzuzeichnen. Dies verwundert, da sich Dashcams immer größerer Beliebtheit bei Pkw-Fahrern erfreuen und eine klare und eindeutige Rechtslage unbedingt notwendig ist.

Dashcams sind kleine und praktische Wegbegleiter für Autofahrer, die nicht nur schöne Landschaften und die direkte Umgebung des Pkw-Fahrers aufnehmen. Sie sind dazu geeignet, im Falle von Verkehrsverstößen wie unerlaubten Überholvorgängen, Rechtsverstößen und entstehenden Schäden bei Parkvorgängen, Verkehrsunfällen und anderen verkehrswidrigen Verhaltensweisen im öffentlichen Verkehrsraum das tatsächliche Geschehen zur Klärung des Unfallhergangs zu dokumentieren und dadurch bei gerichtlichen – sei es zivilrechtlichen oder strafrechtlichen Verfahren die Beweisführung durch den Betroffenen wesentlich zu erleichtern.

Bei der Nutzung von Dashcams im öffentlichen Straßenverkehr ist jedoch äußerste Vorsicht geboten. Die Frage der rechtlichen Zulässigkeit der Nutzung von Dashcams im öffentlichen Verkehrsraum war in der Vergangenheit bereits Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheidungen und ist nach wie vor rechtlich umstritten. Nutzer von Dashcams sollten sich daher bewusst sein, dass sie durch die Verwendung von Dashcams möglicherweise gegen geltendes Recht verstoßen und sich Bußgeldbescheiden sowie Schadenersatzansprüchen aussetzen können.

Was sind Dashcams?

Dashcams sind Kleinkameras, die im Pkw entweder am Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe befestigt werden. Dashcams zeichnen automatisch auf und speichern ab, was im Straßenverkehr vor bzw. hinter dem Pkw geschieht und werden von Nutzern bevorzugt als Beweismittel bei Verkehrsverstößen bzw. Unfällen genutzt. Hierbei sind auch endlose Aufnahmen des Verkehrsgeschehens möglich. Die gefilmten Verkehrsteilnehmer erfahren oftmals nicht, dass sie im öffentlichen Straßenverkehr gefilmt bzw. aufgenommen werden und dass die Videoaufzeichnungen durch die Nutzer der Dashcams, teilweise auf unbestimmte Zeit, abgespeichert werden.

Private laufende Videoaufzeichnungen des öffentlichen Verkehrsraumes verstoßen gegen das Bundesdatenschutzgesetz und stellen eine Ordnungswidrigkeit dar!

Mit Urteil vom 09.08.2017 1(2 OWi 300 Js 121012/17) entschied jüngst das Amtsgericht München, dass es unzulässig ist, seinen Pkw vorne und hinten mit einer Videokamera auszustatten und damit laufend Videoaufzeichnungen des vor und hinter dem Fahrzeug befindlichen öffentlichen Verkehrsraums zu fertigen und zu speichern (Beck-aktuell, Nachricht vom 02. Oktober 2017). Ein derartiges Verhalten stellt eine vorsätzliche unbefugte Erhebung und Verarbeitung und Bereithaltung von personenbezogenen Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, dar.

In dem entschiedenen Fall wurde die Betroffene wegen einer vorsätzlich begangenen Ordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 150 Euro verurteilt. Für die Höhe der Geldbuße wurde hierbei auch der geringe Verdienst der Betroffenen zugrunde gelegt, sodass wesentlich höhere Geldbußen bei entsprechend höheren Löhnen bzw. Gehältern drohen.

Das Amtsgericht München begründete seine Entscheidung insbesondere damit, dass das Interesse der Betroffenen an der Aufdeckung einer möglichen Straftat gegenüber dem Recht der gefilmten Personen / Verkehrsteilnehmer auf informationelle Selbstbestimmung zurücktreten müsse. Eine permanente und anlasslose Videoüberwachung jeglichen öffentlichen Raumes durch Privatpersonen sei unzulässig, da es in das Recht unbeteiligter Personen in schwerwiegender Weise eingreife, selbst bestimmen zu können, wo und wann man sich aufhält, ohne dass unbeteiligte Personen dies dokumentieren und bei Behörden verwenden.

Dashcam-Aufzeichnungen als Beweismittel: Mal erlaubt und mal verboten – Deutsche Gerichte entscheiden derzeit unterschiedlich

Ob die Nutzung von Dashcams im öffentlichen Verkehrsraum in Deutschland rechtlich zulässig ist, wird von deutschen Gerichten derzeit unterschiedlich entschieden. Eine einheitliche Rechtsprechung lässt sich aktuell nicht abzeichnen.

In einigen kurz dargestellten Entscheidungen deutscher Gerichte werden folgende Rechtsansichten vertreten:

So bejahte das Amtsgericht Nienburg, welches das erste strafrechtliche Urteil darstellte, das sich mit der Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen für den Tatnachweis befasste, die Verwertbarkeit von Dashcam-Aufzeichnungen im Strafverfahren. Es entschied mit Urteil vom 20.01.2015 (4 Ds 520 Js 39473/14 (155/14)), dass im Strafverfahren kein generelles Beweisverwertungsverbot für Dashcam-Aufzeichnungen bestehe, sowie dass es eine Frage des Einzelfalles sei, ob eine Dashcam-Aufzeichnung im Strafverfahren verwertet werden darf. In dem entschiedenen Fall handelte es sich um eine anlassbezogene Aufnahme, bei welcher nur der konkret Betroffene anlässlich seines eigenen Fehlverhaltens gefilmt worden ist.

Das Amtsgericht Nürnberg urteilte in einem zivilgerichtlichen Verfahren ebenfalls zugunsten einer Verwertbarkeit von privaten Videoaufzeichnungen als Beweis, mit Urteil vom 08.05.2015 (8 C 8938/14). Im Rahmen einer Interessenabwägung sei zu klären, ob schutzwürdige Interessen des Betroffenen am Schutz seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegenüber dem Interesse an der Verwertung der Aufzeichnung überwiegen. Bei einem Unfall mit Personenschaden oder auch mit reinem Sachschaden kann das Aufklärungsinteresse des Geschädigten das Persönlichkeitsrecht gefilmter Personen überwiegen, das im Bereich der Öffentlichkeit ohnehin nur marginal tangiert ist, wenn lediglich situationsbezogene Aufnahmen vorliegen (Balzer/Nugel: in NJW 2014, S.1622, 1624).

Ebenfalls für eine Verwertbarkeit einer Dashcam-Aufzeichnung im Zivilprozess entschied das OLG Nürnberg mit Hinweisbeschluss vom 10.08.2017 (13 U 851/17). Darin stellte das OLG Nürnberg klar, dass über die Verwertbarkeit von Beweismitteln, die unter Verstoß gegen gesetzliche Normen gewonnen wurden, stets aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung nach dem im Einzelfall gegebenen Umständen zu entscheiden ist (s. a. BGH, NJW 1994, S. 2289). Für die Zulässigkeit der Verwertung von rechtswidrig beschafften Beweisen kommt es im Zivilprozess vor allem auch auf die Bedeutung des Beweismittels für die Rechtsverwirklichung einer Partei an, ein (stets gegebenes) schlichtes Beweisinteresse reicht nicht.

Das Gericht führte weiter aus, dass m Rahmen der durchzuführenden Interessen- und Güterabwägung das informationelle Selbstbestimmungsrecht, das Recht am eigenen Bild nach § 22 S. 1 Kunsturhebergesetz (KUG) und datenschutzrechtliche Normen (§ 6 b BDSG) angesprochen sind, wobei, mit guten Gründen, die Auffassung vertreten werde, dass die Argumentation mit Datenschutzrecht oder den Persönlichkeitsrechten Dritter für das Straf- und Bußgeldrecht eine Rolle spielen können, nicht aber für die Interessenabwägung zur Verwertbarkeit von Videoaufzeichnungen im durch das Verhältnis der Parteien zueinander geprägten Zivilprozess.

In dem entschiedenen Fall war die Dashcam so konfiguriert, dass sie nur bei starker Erschütterung ein insgesamt 30 Sekunden langes Aufzeichnungssegment aus dem Zwischenspeicher dauerhaft auf die eingesetzte SD-Karte speicherte, d. h. keine permanente Aufzeichnungsspeicherung erfolgte. Zudem war die gefilmte Person auf den Videoaufzeichnungen der Dashcam selbst nicht erkennbar.

Bei der konkreten Abwägung war für das OLG Nürnberg von wesentlicher Bedeutung, dass mit einer im PKW installierten Dashcam nicht gezielt und systematisch Personen aufgezeichnet werden, sondern dass die Aufnahmen Verkehrssituationen zum Gegenstand hatten, bei denen die handelnden Personen oder sonstige Dritte jeweils nur kurzzeitig eine Rolle spielten. Die Aufnahmen berühren daher in aller Regel nicht die Privat- oder gar die Intimsphäre der zufällig aufgezeichneten Personen, sondern deren Verhalten in der Öffentlichkeit. Diesem durchaus eingeschränkten Schutz steht das Interesse an der vollständigen Aufklärung des Unfallgeschehens der anderen Prozessparteien gegenüber, welches jedenfalls dann überwiegt, wenn die Prozesspartei ansonsten in Beweisnot gerät und das Gericht einen unzutreffenden Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde legen müsste (Anmerkung in NJW 2017, 3597).

Das OLG Stuttgart befasste sich mit anlasslosen Daueraufnahmen einer Dashcam im Rahmen eines zivilrechtlichen Verkehrs- Bußgeldverfahrens und entschied mit Beschluss vom 04.05.2016 (4 Ss 543/15), dass die mittels Dashcam gefertigten Videoaufzeichnungen „tendenziell“ verwertbar waren. In dieser nicht unumstrittenen Entscheidung stellte das Gericht auf eine Interessensabwägung im konkreten Einzelfall ab, teilte gleichzeitig aber mit, dass im Falle einer Revision vor dem Bundesgerichtshof die Entscheidung anders entschieden werden könnte. Das OLG Stuttgart hielt den Eingriff in die Persönlichkeitssphäre der gefilmten Person für gering, da nach Aussage des Gerichts im öffentlichen Raum jeder damit rechnen müsste, gefilmt und fotografiert zu werden.

Gegen die Zulässigkeit einer Verwertung von Videoaufzeichnungen mittels Dashcam urteilte das Amtsgericht München mit Hinweisbeschluss vom 13.08.2014 (345 C 5551/14). Demnach verstieß die permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs durch eine in einem PKW installierte Autokamera („Car-Cam“ bzw. „Dash-Cam“) gegen §6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG sowie gegen § 22 S. 1 KUG und verletzte den Beklagten in seinem Recht auf Informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gem. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG.

Ebenfalls gegen eine Verwertbarkeit von Dashcam-Videoaufzeichnungen in einem Zivilverfahren entschied das Landgericht Heilbronn mit Urteil vom 03.02.2015 (I 3 S 19/14). Das Gericht entschied im Rahmen einer umfassenden Interessens- und Güterabwägung unter anderem, dass eine permanente, anlasslose Überwachung des Straßenverkehrs durch eine im Pkw installierte Dashcam gegen § 6 b Abs. 1 Nr. 3 BDSG und § 22 S. 1 KUG verstoße.

Das Landgericht Memmingen entschied mit Urteil vom 14.01.2016 (22 O 1983/13), dass Videoaufnahmen, die mittels einer Dashcam rechtswidrig gefertigt wurden, einem Beweisverwertungsverbot unterliegen und damit als Beweismittel unzulässig waren. Das Gericht bejahte ebenfalls das Vorliegen eines Unterlassungsanspruchs gegen den Halter und Fahrer des PKWs, der die Dashcam im Wagen installierte. In dem entschiedenen Fall ging es um einen mit einer Dashcam ausgestatten PKW, der gegenüber einem Wohnhaus geparkt wurde und mit einem Bewegungssensor ausgestattet regelmäßig Aufnahmen erstellte.

Was sollten Autofahrer beachten?

Autofahrer, die Dashcams in ihren PKWs installieren und insbesondere einen anlasslosen Dauerbetrieb (Daueraufnahmen) mit Abspeichern der Videoaufnahmen nutzen, gehen folglich ein nicht zu unterschätzendes Risiko ein, dass im Falle eines Straf-oder Ordnungswidrigkeitenverfahrens sowie im Falle eines zivilrechtlichen Verfahrens:

  • Die gewonnenen Videoaufzeichnungen im Gerichtsverfahren aufgrund einer Abwägung im jeweiligen Einzelfall dennoch nicht verwertbar sind,
  • Die Videoaufnahmen als Beweismittel gegen den Dashcam-Nutzer in einem gerichtlichen Verfahren verwendet werden,
  • Die aufgenommene Person bzw. der gefilmte Verkehrsteilnehmer wegen Verstoßes gegen das geltende Datenschutzrecht Gegenansprüche wie Schadenersatz wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend macht.

Es bleibt folglich eine Einzelfallentscheidung.

Jedenfalls in den Fällen, in denen keine anlasslose permanente Aufzeichnungsspeicherung vorgenommen wird, das gespeicherte Videomaterial nach kurzer Zeit wieder gelöscht wird und durch die Dashcams nicht gezielt und systematisch Personen aufgezeichnet werden, sondern situationsbezogene Aufnahmen erfolgen, könnte sich tendenziell die Zulässigkeit von Videoaufzeichnungen mittels Dashcam als Beweismittel künftig abzeichnen. Ob sich die deutsche Rechtsprechung in diese Richtung tatsächlich weiterentwickelt, bleibt abzuwarten.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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