Dauerschmerz nach Hernien-OP: 25.000 Euro

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Mit Vergleich vom 10.08.2021 hat sich ein Krankenhaus verpflichtet, an meinen Mandanten ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro zu zahlen. Die Klinik hat auch meine außergerichtlichen Anwaltskosten übernommen (2,0-fache Geschäftsgebühr aus dem Wert von 25.000 Euro).

Der 1986 geborene Familienvater hatte sich wegen Bauchschmerzen im Krankenhaus vorgestellt. 16 Jahre zuvor war bei ihm der Appendix entfernt worden. Untersuchungen konnten keine Klärung der Schmerzen herbeiführen. Eine Laparoskopie zeigte Verwachsungen, nebenbefundlich entdeckten die Ärzte im Unterbauch rechts und links jeweils direkte Leistenhernien. Die Ärzte rieten zur kurzfristigen Operation. Einen Monat später führte der Chefarzt der Klinik eine endoskopische Leistenhernienversorgung mit einem transabdominellen Plastikpatch beidseits durch (TAPP).

Nach der Operation litt der Mandant unter starken Schmerzen in der rechten und linken Leiste. In einem Nachfolgekrankenhaus erhielt er über mehrere Wochen Injektionen mit Lokalanästhetika und Kortison, Krankengymnastik, Manuelle Therapie. Eine berufliche Wiedereingliederung scheiterte wegen der starken Schmerzen in der rechten Leiste. Gut ein Jahr nach der ersten Operation erfolgte eine laparoskopische Adhäsiolyse, eine Freilegung des Samenleiters sowie des Samenstranges rechts. Anschließend wurde die rechte Leiste revidiert, die Hernie nach Lichtenstein reponiert und der Nervus ilioinguinalis durchtrennt. Bei der Operation stellte sich heraus, dass das bei der Erstoperation eingelegte transabdominelle Netz abgeknickt und verschoben war.

Weil auch nach dieser Revisions-OP die Schmerzen verblieben, musste der Mandant ein weiteres Mal operiert werden. Wegen anhaltender Beschwerden und der Diagnose "direktes Leistenhernienrezidiv links" erfolgte eine Hernienpräparation in Lichtenstein-Technik links mit Anlage eines alloplastischen Netzes. Anschließend teilten die Ärzte mit, er sei austherapiert. Zur Beseitigung der Schmerzen wurden ihm Elektroden in die Wirbelsäule implantiert. Der Mandant nimmt starke Schmerzmittel und Opiate, weil ihn die Schmerzen in der rechten Leiste stark belasten. Seit der Erstoperation leidet er unter unerträglichen Schmerzen in der linken Leiste bis in den Hoden, starken Schmerzen in der rechten Leiste und im rechten Oberschenkel. Autofahren ist ihm nicht mehr möglich. Er leidet unter Schlaflosigkeit, kann nur auf dem Rücken liegen. Er ist psychisch stark angeschlagen, sein Sexualleben sei schwer beeinträchtigt. Außerdem habe er Probleme mit der Blase, er müsse mindestens 10 Mal am Tag zur Toilette.

Ich hatte dem Krankenhaus vorgeworfen, die erste Hernien-OP beidseits fehlerhaft durchgeführt zu haben. Die Ärzte hätten das Netz nicht richtig fixiert. Die OP sei nicht indiziert gewesen. Es hätten echte Behandlungsalternativen in Form einer konservativen Therapie zu der rein elektiven OP bestanden. Der Mandant sei nicht über das Risiko von postoperativen chronischen Schmerzen im Leisten- und Hodenbereich aufgeklärt worden.

Nach Anhörung des Sachverständigen hatte das Landgericht Aachen die Klage abgewiesen. Der Eingriff sei absolut, alternativlos, indiziert gewesen. Er habe typische Beschwerden einer Leistenhernie gehabt. Es habe die Gefahr bestanden, dass sich Dünndarmanteile in der Hernie einklemmen könnten. Plausible Anhaltspunkte für die Durchtrennung eines Nervens hätten nicht bestanden. Die chronischen Schmerzen seien schicksalshaft eingetreten. Der Mandant sei ordnungsgemäß aufgeklärt worden.

Meine mit der Berufung gerügten Verfahrensfehler und die Verletzung rechtlichen Gehörs hat das OLG Köln für begründet erklärt: Die gesamte Beweisaufnahme müsse wiederholt werden. Insbesondere sei die Frage zu klären, ob der Kläger vor der elektiven Hernienoperation ordnungsgemäß über die Chancen und Risiken sowie echte Behandlungsalternativen in Form einer konservativen Behandlung aufgeklärt worden sei. Ich hatte gerügt, dass sich aus dem Aufklärungsbogen kein Hinweis auf das immens hohe Risiko der postoperativen chronischen Schmerzen nach einer Hernien-Operation ergebe.

Der gerichtliche Sachverständige hatte bestätigt, dass das Risiko eines Schmerzsyndroms laut einer Veröffentlichung des Deutschen Hernien-Registers bei ca. 11 % liege. Auch gäbe es eine Studie, die zu einem Risiko eines dauerhaften Schmerzsyndroms von 16 % gelange. Auf jeden Fall müsse über dieses Risiko aufgeklärt werden. Eine derartige Aufklärung mit den konkreten Prozentzahlen war im Aufklärungsbogen jedoch nicht vorhanden.

Zur Vermeidung einer erneuten umfangreichen Beweisaufnahme habe ich mich mit dem Krankenhaus auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro geeinigt. Das Krankenhaus hat auch meine außergerichtlichen Anwaltsgebühren nach dem Erledigungswert übernommen (2,0-Geschäftsgebühr).

(OLG Köln, Vergleichsbeschluss vom 10.08.2021, AZ: 5 U 7/21; LG Aachen, Urteil vom 09.12.2020, AZ: 11 O 455/18)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht

Foto(s): adobe stock Fotos


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