Der Staat, Staatsgrenzen und die größte Staatengemeinschaft

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Was macht einen Staat aus?

Frei nach einem bekannten Kinderlied, welches mit „froh zu sein“ beginnt, gilt auch hier: um Staat zu sein, bedarf es wenig und wer Staat hat, ist ein König …


Tatsächlich bedarf es, um „Staat zu sein“, nach der klassischen Definition (der sog. 3-Elemente-Lehre) nur eines Staatsgebietes, eines Staatsvolkes und einer Staatsgewalt.


In der jüngeren Vergangenheit sind zahlreiche Staaten infolge kriegerischer Konflikte oder nach Auflösung bestehender Staaten neu entstanden (z. B. in Europa die Nachfolgestaaten Jugoslawiens oder der Sowjetunion).

Status als anerkannter Staat oder nicht anerkannter Staat

Einer Anerkennung als Staat bedarf es dagegen nicht um „Staat zu sein“, mag dies auch überraschen.

So besteht sicherlich – zumindest hierzulande – kaum ein Zweifel daran, dass die Republik China (= Taiwan), nicht zu verwechseln mit der allmächtigen Volksrepublik China, ein Staat ist, erfüllt dieser Inselstaat nicht nur die Voraussetzungen der 3-Elemente-Lehre, sondern ist als international beachteter Handelspartner weltweit geschätzt – und zwar von denen, die ihn gar nicht anerkennen!


Anerkannt bzw. offizielle diplomatische Beziehungen unterhalten mit Taiwan bislang nur 12 (überwiegend unbekannte) Staaten, wie Eswatini, Palau, Marshallinseln, Belize, Nauru aber auch der Vatikan. Noch nicht einmal Deutschland oder die neutrale Schweiz unterhalten – mangels förmlicher Anerkennung – diplomatische Beziehungen zu Taiwan. Dies gilt selbst für die „Schutzmacht USA“ – aus Rücksicht auf China.

Bedeutung einer UN-Mitgliedschaft, einer Staatengemeinschaft (von vielen)

Allgemein (und gegenseitig) „förmlich“ anerkannt sind alle Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen (= UN, für United Nations). Derzeit zählen sich 193 Staaten zu den Mitgliedern.


Manche Staaten möchten Mitglied werden, scheitern aber an dem Aufnahmemodus; manchen Staaten genügt die eigene Unabhängigkeitserklärung (z. B. die Republik Abchasien, die als autonome Republik völkerrechtlich zu Georgien gehört und sich 1994 für unabhängig erklärt hat).


Ähnlich wie in der Europäischen Union gibt es bei den Vereinten Nationen sogenannte Beitragszahler und Empfängerstaaten. Es gibt natürlich auch einen UN-Haushalt. Konkrete Projekte werden gefördert; zahlreiche Staaten unterstützt, weshalb eine Mitgliedschaft in der UN vielfach angestrebt wird.


Um Mitglied in der Staatengemeinschaft zu werden, muss nicht nur ein bereits erwähntes Aufnahmeverfahren erfolgreich durchlaufen werden, sondern die Staaten müssen sich auch zu den Zielen der UN-Charta, dem Gründungsvertrag, bestehend aus einer Präambel und weiteren 19 Kapiteln, bekennen bzw. verpflichten.


Hauptziele sind die Erhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit sowie die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den Nationen, die internationale Zusammenarbeit bei der Lösung globaler Probleme und die Förderung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle.


Überflüssig zu erwähnen, dass Russland natürlich auch UN-Mitglied ist – und sogar als eines von 5 ständigen – mit Vetorecht ausgestatteten – Mitgliedern des Sicherheitsrates neben 10 nichtständigen Mitgliedern, die im 2-Jahres-Turnes wechseln. Allein der Sicherheitsrat kann für die Mitgliedsstaaten verbindliche Beschlüsse fassen.


Eine Verurteilung des russischen Angriffskrieges war wegen des Vetorechtes Russlands im Sicherheitsrat daher nur dem zentralen Beratungsorgan „UN-Generalversammlung“ vorbehalten, dass mit großer Mehrheit von rund 78 % per Resolution die Annexion von Teilen der Ukraine für ungültig und illegal erklärt hat.


Auch erwähnenswert: Der Rechtsvorgänger Russlands, die Sowjetunion, verfügte als einziger Staat einmal über effektiv 3 Sitze bei den Vereinten Nationen, denn wie die Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik war auch das Gründungsmitglied Ukraine bis 1991 Bestandteil der Sowjetunion.


Reformbedarf der Vereinten Nationen

Ja, der besteht unzweifelhaft. Es bestehen aber Zweifel daran, ob die UN-Charta in den entscheidenden Punkten überhaupt reformierbar ist.


Jede Änderung der UN-Charta erfordert eine 2/3-Mehrheit der Generalversammlung (also rund 128 Staaten). Dies scheint grundsätzlich möglich, denn immerhin hatten schließlich auch 143 Staaten der bereits erwähnten Resolution gegen Russland zugestimmt.


Aber: Jede Textänderung, für die zunächst das Prinzip "Ein Staat – eine Stimme" gilt – also ein Veto-Recht für die 5 ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates nicht besteht – muss dann anschließend wiederum von 2/3 der Mitgliedstaaten ratifiziert werden, und zwar diesmal unter Einschluss der "Großen Fünf". Da es in diesem Verfahren keine Enthaltung gibt, kann jedes einzelne der ständigen Mitglieder durch die schlichte Nichtratifikation eine Reform verhindern. Ob alle „Großen“ auf ihr Vetorecht verzichten würden, darf bezweifelt werden.


Und: Ein Austritt eines oder aller Mitglieder mit anschließender Neugründung einer reformierten UN ist in der Charta auch nicht vorgesehen; die Möglichkeit eines Austritts ist sogar unter den Rechtsgelehrten umstritten. Einzig Indonesien hatte einmal im Januar 1965 einen Austritt erklärt, im September 1966 seinen Sitz aber wieder eingenommen.


Eine (Reform)Lösung ist derzeit also nicht in Sicht … aber einen „Brexit“ gab es schließlich auch schon einmal – ohne Austrittsregelung im EU-Vertrag.


… und Staatsgrenzen …

sind vor allem formal bedeutsam, denn diese dienen der Festlegung des räumlichen Geltungsbereiches der jeweiligen staatlichen Rechtsordnung. Neben den Landesgrenzen beanspruchen die meisten Staaten außerdem ein Territorium von 12 Seemeilen vor ihrer Küste als Hoheitsgebiet, was rund 19 Kilometern entspricht.


Grenzen werden – eigentlich – durch Vertrag festgelegt oder bleiben streitig. Gewaltsame grenzverschiebungen sind natürlich ausgeschlossen und nicht von der UN-Charta gedeckt. Auch wenn man es kaum glauben mag, aber selbst in Europa weist Wikipedia mindestens 14 Grenzstreitigkeiten zwischen den Nachbarländern aus.


Ohne Streit verläuft die niederländisch-belgische Grenze in der Stadt Baarle, wenn auch mitten durch die Stadt und sogar mitten durch einzelne Wohn- oder Geschäftshäuser. Der Grenzverlauf ist – publikumswirksam – mit speziellen Pflastersteinen gekennzeichnet. Diese Sonderstellung bleibt in Baarle wohl auch weiterhin unangetastet, zieht diese doch jährlich zahlreiche Touristen und Schaulustige „ins Grenzgebiet“.


Darüber wird die Stadt der zwei Staaten sicherlich „froh“ sein, und außerdem haben beide Staaten schließlich auch einen König.



[Detailinformationen: RA Ralf Bärsch, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Tätigkeitsschwerpunkt Schadens- und Versicherungsrecht, Telefon 0351 80718-50, baersch@dresdner-fachanwaelte.de] 



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Foto(s): Jolande auf Pixabay

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