Der Unterhalt und die Energiekosten: ein Teufelskreis noch ohne Lösung

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Derzeit erreichen Familienrechts-Anwälte viele Anfragen von unterhaltspflichtigen Vätern und Müttern, weil wegen der gestiegenen Strompreise und Gaspreise der fällige Kindesunterhalt nicht bezahlt werden kann bzw die  Zahlungsunfähigkeit bevorsteht.

I. Das Problem ist, dass die meisten barunterhaltspflichtigen Eltern mit den nun explodierenden Energiepreisen quasi eine volle zweite Miete dazu bekommen haben, die bislang aber in bisherigen Unterhaltsberechnungen und auch in den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle nicht enthalten ist.

Und dieses Problem schlägt ja zeitgleich auf beiden Seiten der Unterhaltsverpflichtung zu: nicht nur hat der unterhaltspflichtige Elternteil deutlich weniger Geld, auf der anderen Seite ist der Bedarf auf der Seite der unterhaltsberechtigten Kinder ja spiegelbildlich proportional gestiegen, da die Preisspirale auch hier für Verwerfungen sorgt.

II. Einstweilen muss man jedoch leider feststellen: Eine juristisch eindeutige Lösung dieses Problems ist derzeit noch nicht in Sicht: 

1. Ob man hier seitens des Gesetzgebers auf eine kurzfristige Lösung hoffen darf, erscheint zunächst fraglich. Angesichts des allgemeinen politischen Irrlichterns steht sogar zu befürchten, dass Regierung und die Parlamente als Gesetzgeber dieses Problem noch gar nicht recht erkannt haben.

2. Und die Anpassung der gestiegenen Lebenshaltungskosten im Rahmen der Düsseldorfer Tabelle dürfte - turnusmässig  -  frühestens erst zum Anfang des Jahres 2023 zu erwarten sein. 

Aber wie diese Anpassung dann konkret aussehen wird, dürfte zudem äußerst ungewiss sein, zuviele Probleme haben die Richter hier zu lösen:

Wir erinnern uns daran, dass auch die deutlich gestiegenen Unterhaltskosten für Kfz im Rahmen der berufsbedingten Fahrtkosten in die Düsseldorfer Tabelle eingepflegt werden müssten - die jüngste Anhebung auf 0,42 € pro km stammt ja noch aus der Zeit vor der Preisexplosion.  

Im übrigen werden sich die richterlichen Vorgaben dann auch noch generell mit dem Problem der Inflationsbereinigung  beschäftigen müssen. 

Insbesondere aber eben die Tatsache, dass die Kostenexplosion auf beiden Seiten der Unterhaltsverpflichtung zu verzeichnen ist, lässt eine salomonisch-gerechte Ent- scheidung fast nicht möglich erscheinen.

III. Einstweilen werden sich daher unterhaltspflichtige Väter und Mütter damit retten müssen, notgedrungen  entweder eine einvernehmliche Absenkung der Unterhaltsverpflichtung zu vereinbaren (was angesichts leerer Kassen auf beiden Seiten  schwer sein dürfte) oder aber gegebenenfalls sogar eigenmächtig die Unterhaltszahlung einstellen, weil schlichtweg insoweit Zahlungsunfähigkeit gegeben ist. 

Soweit hier allerdings Unterhaltstitel bereits vorliegen, sei dringend dazu geraten,  nicht einfach die Zahlung einzustellen, sondern hier vorher eine entsprechende Abänderung des Unterhaltstitels beim Familiengericht zu beantragen (Abänderungsverfahren). 

Denn ohne eine solche gerichtliche Abänderung bleiben die Titel natürlich zwangsvollstreckbar, sodass die bloße faktische Zahlungseinstellung rechtlich und auch wirtschaftlich nicht weiterführt und keine Lösung bringt. 

Wie im konkreten Fall die einzelne Amtsrichterin beziehungsweise Amtsrichter den Teufelskreis dann auflöst, kann - solange eindeutige höchstrichterliche Vorgaben fehlen - aber ebenfalls noch nicht sicher prognostiziert werden. 

Auf Seiten der alleinerziehenden Eltern wiederum, die den Unterhalt erhalten, sei diesen geraten, bei ausbleibenden Zahlungen frühzeitig den Gang zu Unterhaltsvorschußkasse zu beschreiten, um hier die entsprechenden Anträge zu stellen. 

(Dies dürfte dann im übrigen vielleicht auch den Gesetzgeber eventuell veranlassen, hier tätig zu werden: denn bei rund 2,2 Millionen alleinerziehenden Haushalten dürften schnell zusätzliche 3stellige Millionenbeträge  zusammenkommen, wenn nun auch noch der Teil der Haushalte zusätzlich Unterhaltsvorschuss beantragen muss, der es bislang nicht bedurfte.)

IV. Fazit:  Betroffene Unterhaltspflichtige als auch Unterhaltsberechtigte, deren Existenzgrundlagen durch die gestiegenen Gaspreise, Strompreise, Öl- und Benzinpreise mittlerweile in Ansehung der Unterhaltsverpflichtung infrage gestellt werden, sollten hier jedenfalls fachlichen Rat einholen bei dem Anwalt oder der Anwältin ihres Vertrauens. 

Ein anzustrebendes Abänderungsverfahren wird nach vorsichtiger Einschätzung für den bislang Unterhaltsverpflichteten erhebliche Erleichterungen bringen, da letztlich sich das Sprichwort bewahrheiten dürfte, nach dem man "einem nackten Mann nicht in die Tasche greifen kann". Daran werden letztlich weder das Familiengericht noch die Oberlandesgerichte vorbeikommen.

Für die betroffenen Unterhaltsberechtigten bliebe dann vorläufig nur der Gang zur Unterhaltsvorschusskasse.

Eine andere Lösung scheint derzeit leider nicht in Sicht.  

Rechtsanwalt Mathias Henke - Dortmund


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