Die Aufbauempfehlung in der Fußbodentechnik

  • 6 Minuten Lesezeit

Der Auftragnehmer in der Fußbodentechnik (= Bodenleger) fragt meist bei dem Hersteller von Verlegeprodukten an, wie er auf dem Untergrund einen fachgerechten Verbund zu dem Oberbodenbelag herstellt. Der Hersteller der Verlegeprodukte gibt dann eine Aufbauempfehlung ab. Es stellt sich die spannende Frage, wie eine solche Aufbauempfehlung rechtlich einzuordnen ist. Diese Frage kann man nicht ungelöst von der Entwicklung der Rechtsprechung beantworten. Deshalb soll die Rechtsentwicklung in ihrer Historie dargestellt werden. Hierbei muss man den Entwicklungen der Rechtsprechung vor der Schuldrechtsreform 2002 und nach der Schuldrechtsreform näher betrachten. Unter Aufbauempfehlung versteht man in der Fußbodentechnik die schriftliche Form darüber, wie Verlegewerkstoffe systemkonform verwendet werden, um einen Haftverbund zwischen Untergrund und Oberbodenbelag für das konkrete Bauvorhaben zu gewährleisten. Mithin beschreibt die Aufbauempfehlung für den Bodenleger den fachgerechten Aufbau der einzelnen Verlegeprodukte. In dem Zusammenhang fragt sich natürlich, ob sich aus dem Wortlaut der Aufbauempfehlung lediglich eine unverbindliche Empfehlung herleiten lässt oder es sich um ein rechtlich verbindliches Konstrukt handelt. Aufbauempfehlungen treten in der Praxis auch in anderer Form in Erscheinung, wenn schriftlich seitens des Herstellers von Verlegeprodukten erklärt wird, dass zum Beispiel der Klebstoff mit dem Bodenbelag eines bestimmten Herstellers harmoniert oder wenn andererseits der Hersteller des Bodenbelags hingeht und schriftlich bestätigt, dass die Verwendung eines bestimmten Verlegewerkstoffs (Klebers) für die Verlegung des Bodenbelags ausdrücklich geeignet ist. In diesem Zusammenhang müssen zwei Fallgruppen unterschieden werden. Zum einen die erste Fallgruppe, dass der Hersteller auch gleichzeitig der Verkäufer der Verlegewerkstoffe ist. Die andere Fallgruppe hat sich nach der Rechtsprechung herauskristallisiert und wird darin gesehen, dass der Hersteller nicht deckungsgleich mit dem Verkäufer ist, sondern der Großhändler den Hersteller bei der Verwendung von Verlegwerkstoffen zu Rate zieht und ein direkter Kontakt zwischen dem Hersteller und dem Auftragnehmer zustande kommt, ohne dass Bodenleger und Hersteller durch eine vertragliche Vereinbarung miteinander verbunden sind. Hier besteht das Vertragsverhältnis ausschließlich zwischen dem Bodenleger und dem Großhändler, über den er die Verlegeprodukte des Herstellers kauft.

Zur ersten Fallgruppe der Herstellerhaftung gibt es einen Fall des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 1983 (Urteil vom 13. Juli 1983), mit dem wir beginnen wollen, obwohl die Rechtsprechung noch weiter zurückgeht. Aus der noch älteren Rechtsprechung ergeben sich keine neueren Erkenntnisse, so dass wir den Beginn dieser Rechtsprechung mit diesem Urteil zugrunde legen. In dem Fall verkaufte der Hersteller den Klebstoff direkt an den Bodenleger. Nach Fertigstellung des PVC-Bodenbelags auf einer Fußbodenfläche von 8.600,00 qm in einem neugebauten Institut einer technischen Fakultät kam es zu Ablösungen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen eines Instituts für Fußbodentechnik hat der Kleber seine Haftfähigkeit durch Eindringen von Wasser in die offenen Stoßfugen verloren. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Fall entschieden, dass der Hersteller eine schuldhafte Verletzung einer selbständigen Nebenpflicht aus dem Kaufvertrag trifft. Diese Verletzung einer Nebenpflicht aus Kaufvertrag leitet der Bundesgerichtshof daraus her, dass der Hersteller des Klebers den Bodenleger nicht darauf hingewiesen hat, dass der Kleber sehr feuchtigkeitsempfindlich ist und der Hersteller weder das Verschweißen des Belags empfohlen noch vor vorzeitigen Wassereintritt gewarnt hat. Der Hersteller hatte den Bodenleger lediglich über die Verwendung ihres Produktes aufgeklärt und den Bodenleger Verarbeitungshinweise gegeben, ohne jedoch auf die Feuchtigkeitsempflindlichkeit des Klebstoffs hinzuweisen. Hier hat der Bundesgerichtshof eine Verletzung der Aufklärungspflicht angenommen, da der Mitarbeiter der Herstellerin nicht auf die Feuchtigkeitsempfindlichkeit des Klebers hingewiesen hat. Grundsätzlich hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass ein Mangel der Kaufsache, also des Klebstoffs, nicht vorliegt, sondern eine Aufklärungspflichtverletzung.

Dies stellt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Verletzung einer selbständigen Nebenverpflichtung aus dem Kaufvertrag dar.

In einem weiteren Fall aus dem Jahre 1992 hat der BGH entschieden (Urteil vom 19. März 1992), dass bei fehlerhafter Beratung des Herstellers über seine Produkte nicht nur eine schuldhafte Nebenpflichtverletzung angenommen werden kann, sondern dass darüber hinaus von einem zusätzlichen Beratungsvertrag auszugehen ist. Die Abgrenzung zwischen selbständigem Beratungsvertrag und kaufrechtlicher Nebenpflichtverletzung hat der Bundesgerichtshof anhand von bestimmten Abgrenzungskriterien vorgenommen. Diese Abgrenzungskriterien sind die besondere Sachkunde des Beraters, dass wirtschaftliche Interesse des Beraters sowie die erhebliche Bedeutung der Beratung für den Beratenen, wobei dem letztgenannten Element wohl die größte Gewichtung zukommt. Für einen selbständigen Beratungsvertrag spricht, wenn die Beratung nicht nur aus bloßer Gefälligkeit erfolgt, sondern es um Leistungen handelt, die für den Bodenleger erkennbar von großer Bedeutung sind. Dies wird grundsätzlich anzunehmen sein, da der Bodenleger sich extra die Auskunft einholt, um eine nach den Regeln der Technik entsprechende Leistung für seinen Auftraggeber zu erbringen. Zudem kann man immer auch das wirtschaftliche Interesse des Herstellers an der Empfehlung seines Produktes bejahen, da der Hersteller als Verkäufer seine Produkte auf den Markt bringen möchte und insbesondere bei Prestige-Bauvorhaben seine Produkte dadurch bekannter machen will. Darüber hinaus kennt der Hersteller den Einsatzbereich seiner Produkte am besten, so dass auch die besondere Sachkunde vorliegt.

Auch in einem weiteren Urteil aus dem Jahre 1999 (Urteil vom 11. März 1999) hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zum Beratungsvertrag nochmals bestätigt und in diesem Urteil zum Ausdruck gebracht, dass zwischen den Parteien auch stillschweigend ein selbständiger Beratungsvertrag zustande kommen kann. Hier hatte ein Fachberater eines Farbherstellers einen Malermeister falsch aufgeklärt. Grundsätzlich muss man davon ausgehen, dass ein Verkäufer mit der Beratung über den sachgemäßen Einsatz einer Ware in aller Regel lediglich eine kaufvertragliche Nebenleistung erbringt. Erst wenn die beratende Tätigkeit nach Inhalt, Umfang, Intensität und Bedeutung für den Käufer den üblichen Rahmen einer allgemeinen Beratung deutlich übersteigt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes von einem selbständigen Beratungsvertrag auszugehen. Diese Rechtsprechung haben verschiedene obergerichtliche Gerichte auch nach der Schuldrechtsreform im Jahr 2002 fortgesetzt, die ebenfalls von einem selbständigen Beratungsvertrag ausgehen. Hierzu zählt auch das Urteil des OLG Stuttgart aus dem Jahr 2009 (Urteil vom 27. Oktober 2009). Ein Urteil des Bundesgerichtshofes nach der Schuldrechtsreform konnte hierzu in verschiedenen Baurechtsdatenbanken leider nicht gefunden werden.

Mithin ist festzustellen, dass eine Haftung des Herstellers als Verkäufer unter dem Gesichtspunkt eines selbständigen Beratungsvertrages als auch unter dem Gesichtspunkt einer schuldhaften Nebenpflichtverletzung dem Grunde nach besteht.

Bei schriftlichen Aufbauempfehlungen sowie den der Aufbauempfehlung vorausgegangenen Baustellenbesuchen durch die Anwendungsrechniker des Herstellers und der meist folgenden Baubegleitung ist von einem selbständigen Beratungsvertrag auszugehen, da der Bodenleger für ein konkretes Bauvorhaben nachfragt und der Hersteller um die Bedeutung einer herstellergerechten und den anerkannten Regeln der Technik ordnungsgemäßen Verlegung weiß. Dem Hersteller ist bewusst, dass bei nicht fachgerechtem Aufbau des Bodenbelags sofort ein Mangel produziert wird, für den der Bodenleger gegenüber seinem Vertragspartner, dem Bauherrn haftet.

Eine solche schriftliche Aufbauempfehlung geht somit über die übliche Beratung hinaus. Durch die Aufbauempfehlung zeigt der Hersteller gerade auf, dass der Einsatz seiner Verlegewerkstoffe zu einer fachgerechten Verlegung des Bodenbelags bei dem konkreten Bauvorhaben führt.

Erst recht hat die obergerichtliche Rechtsprechung einen selbständigen Beratungsvertrag in dem Fall angenommen, dass der Hersteller nicht direkter Verkäufer der Produkte ist, sondern auf Anregung des Großhändlers den Bodenleger berät. Hier kann ein Urteil des OLG Hamm aus dem Jahre 1990 (Urteil vom 1. Juni 1990) zitiert werden, indem der Sportbodenbauer sich an seinen Großhändler richtet, der jedoch Fragen zu einem Tennishallenbodenunterbau nicht beantworten kann und ihn an den Hersteller von Spachtelmassen verweist. Nach Entfernung des vorhandenen bituminösen Belages verbleiben Unebenheiten bis zu 16,00 mm. Der Sportbodenbauer tritt in unmittelbaren Kontakt zu dem Hersteller und fragt an, welche Spachtelmasse sich für den Ausgleich dieser Unebenheiten am besten eignet.

Dabei kommt es zu einem Ortstermin mit dem Hersteller der Spachtelmasse, der eine Spachtelmasse empfiehlt, die sich später jedoch als völlig ungeeignet darstellt. Es kommt zu Rissbildungen. Der Sportbodenbauer verlangt dann von dem Hersteller wegen falscher Beratung Schadensersatz. Das OLG Hamm hat in diesem Fall einen Beratungsvertrag wegen mangelhafter Auskunft bejaht.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass grundsätzlich bei fehlerhafter Beratung des Herstellers ein Rückgriffanspruch gegen den Hersteller besteht. In dem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass die Produkthaftung derartige Schadensfälle nicht erfasst. Der Haftungsbereich der mangelhaften Auskunft ergibt sich mithin aus einem selbständigen Beratungsvertrag bzw. aus einer schuldhaften Verletzung einer kaufvertraglichen Nebenpflicht.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Carsten Seeger