Die Brillenversicherung

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Diary of a Brillen Kid


1. Versuchung


Gleitsichtgläser sind teuer. Für so ein Zeiss individual können Sie locker 800 € (große Optikerkette) oder auch 1.300 oder 1.500 € (kleiner exklusiver Optiker) ausgeben. Das ist nicht billig.


2. Versprechen


Da klingt es dann doch ganz verlockend, wenn Ihnen der Brillenverkäufer anbietet:


Schließen Sie doch eine Brillenversicherung ab. Wenn sich dann innerhalb von zwei Jahren Ihre Sehstärke um 0,5 Dioptrin ändert, wofür auch schon 0,25 pro Glas ausreichen, dann bekommen Sie eine neue Brille.


3. Verärgerung


Das Kleingedruckte liest man dann erst zu Hause. Also wenn man Jurist ist, dann liest man es zu Hause. Als „Normalbürger“ liest man es eher gar nicht, sondern erfährt erst dann, wenn man die Versicherung in Anspruch nehmen will, dass es da doch einen kleinen Haken gibt.


a) Die Nulltarif-Collection


Im Versicherungsfall, also wenn sich beispielsweise die Stärke innerhalb von zwei Jahren geändert hat, bekommen Sie nämlich nicht etwa eine neue Brille der gleichen Qualität, die Sie für 800, 1.300 oder 1.500 € gekauft haben. Nein, was Sie dann bekommen ist ein Glas aus der so genannten „Nulltarif-Collection“.


Wenn Sie sich mit Gleitsichtgläsern auskennen, dann wissen Sie: Zwischen den extrem teuren Gleitsichtgläsern auf der einen Seite des Spektrums und einfachen Gleitsichtgläser auf der anderen besteht ein riesiger Qualitätsunterschied. Also wenn Sie die besseren Gläser gewohnt sind, dann werden Sie mit der Billigversion, das kann ich Ihnen versprechen, nicht zurechtkommen. Da sehen Sie dann nämlich links und rechts nur noch verschwommen.


Aus meiner Sicht ist das so, als ob ich einen Wagen aus der Kategorie Rolls-Royce oder Bentley Vollkasko versichere und mir im Schadensfall dann einen Mini oder Fiat Uno als Ersatz aussuchen kann. Auf solche „Tricks“ muss man auch erst einmal kommen. Fällt das nicht unter die Kategorie „überraschende Klausel“ (§ 305c BGB)?



b) Die Erstattungsleistung


Und wenn Sie sich in Kenntnis dieses Umstandes dafür entscheiden, kein Glas aus der Nulltarif-Collection auszuwählen, sondern ein anderes, besseres, dann bekommen Sie laut den Versicherungsbedingungen wie viel erstattet? Genau: 32,50 € pro Glas. Das ist bei einer neuen Gleitsichtbrille für 800, 1.300 oder 1.500 € nicht viel.


c) Fazit


Diese Brillenversicherung lohnt sich – nach meiner Einschätzung - nicht. Denn die 32.50 € Ersparnis gehen ja in der Regel schon für die jährliche Versicherungsprämie drauf.


Vor allem dann, wenn Sie vergessen, die Versicherung rechtzeitig zu kündigen.  Dann zahlen Sie nämlich Jahre lang die Versicherungsprämie, obwohl Sie von der Versicherung eigentlich nichts mehr haben. Zumindest der Versicherungsfall „Änderung der Sehschärfe um 0,5 Dioptrin innerhalb von zwei Jahren“ fällt nach zwei Jahren definitiv weg.


4. Verdruss


a) Hat Sie der nette Brillenverkäufer also „betrogen“, als er Ihnen diese Brillenversicherung „aufgeschwatzt“ hat?


Im Regelfall wahrscheinlich nein. Im Regelfall, denke ich, muss man dem jungen Mann oder der jungen Frau, die Ihre Sehstärke gemessen und Ihnen dann eine für Sie passende Brillenfassung vorgeschlagen hat, zu Gute halten, dass ein Brillenverkäufer eben kein Versicherungsfachmann ist. Ich wette, die allermeisten Leute in Optikerläden haben sich die Versicherungsbedingungen der Brillenversicherung, die sie da an den Mann oder an die Frau bringen, nicht ein einziges Mal angesehen.


b) Die Unkenntnis dieser Leute in juristischen Dingen offenbart sich auch dann, wenn man die Versicherung kündigen will. Da bekommt man dann nämlich – mir so passiert - die aus meiner Sicht schon dreiste Antwort


„Kündigen können Sie nicht gegenüber der Versicherung, sondern nur bei uns und nur auf diesem Formular. Und nein, das Formular dürfen Sie nicht mit nach Hause nehmen, das dürfen wir nicht herausgeben“.


Also hier hört dann meine Geduld auf. Wenn man von den AVB, also den Versicherungsbedingungen, und von der Kündigung von Versicherungsverträgen nichts versteht, dann sollte man auch nicht so tun, als ob man davon etwas verstünde. Punkt.


c) Wahrscheinlich wäre es sogar am besten, zu sagen: Brillenverkäufer sollen bitte die Finger davon lassen, Versicherungen zu verkaufen. Und wenn sie schon Versicherungen verkaufen wollen, dann sollten die Inhaber der Optikerläden doch bitte dafür sorgen, dass ihre Mitarbeiter auch verstehen, was sie den Leuten da andrehen. Sonst ist der Kunde nämlich schnell verärgert, und das wollen wir doch alle nicht.



Dr. Wolfgang Gottwald

Rechtsanwalt

Foto(s): wogo

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