„Die Fertigkeit des Promptens kann Anwälten definitiv einen Wettbewerbsvorteil verschaffen“

  • 8 Minuten Lesezeit
Valerie Keilhau: „Die Fertigkeit des Promptens kann Anwälten definitiv einen Wettbewerbsvorteil verschaffen“
Theresa Höfle anwalt.de-Redaktion

Künstliche Intelligenz verändert derzeit die Arbeit von Anwälten. Immer mehr Kanzleien erkennen das immense Potenzial von KI. Warum der Umgang damit gelernt sein will und wie Anwälte durch richtiges Prompten zu wahren KI-Flüsterern werden können, berichtet Valerie Keilhau, Geschäftsführerin des Legal Tech Verbands Deutschland, im Interview.

KI ist derzeit wohl eines der meistdiskutierten Themen innerhalb der Anwaltschaft. Dabei fällt auch immer wieder ein Begriff: Prompting. 

Prompting ist ein zentraler Bestandteil der Interaktion mit KI-Systemen. Es bezieht sich auf die Methode, bei der Nutzer präzise Anweisungen oder Suchanfragen formulieren, um spezifische Informationen oder Ergebnisse von der generativen KI zu erhalten. Für Anwälte ist das Prompting besonders relevant, weil ihr Job vor allem daraus besteht, in umfassenden Quellen zu recherchieren, komplexe Texte zu lesen und zu verstehen, um dann eigene Texte zu erstellen. Generative Sprachmodelle erleichtern genau das. 

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In welchen Bereichen und bei welchen Aufgaben können Anwälte die Fertigkeit, gut zu prompten, anwenden? 

Anwälte können die Fertigkeit des Promptens in ganz unterschiedlichen Bereichen einsetzen. Dazu gehört zum Beispiel die juristische Recherche: Durch präzises Prompting können Anwälte ihre Quellen wesentlich schneller durchsuchen. Sie können sich lange Texte in Sekunden zusammenfassen lassen, was Recherchen um ein Vielfaches effizienter macht.

Ein anderes Beispiel sind Fallanalysen und Dokumentenverwaltung. Anwälte können KI-Systeme nutzen, um ihre eigenen Akten zu analysieren. Es ist zum Beispiel bereits möglich, mit seiner eigenen Akte mittels KI zu chatten. Habe ich eine 200-Seiten-Akte nach drei Monaten erstmals wieder auf dem Tisch, kann ich sie mittels KI-Chatbot nach dem letzten Stand fragen, mir zusammenfassen lassen, was der gegnerische Anwalt erwidert hat oder welche Vorträge er unbeantwortet gelassen hat.

Kann diese Fertigkeit für Anwälte auch einen echten Wettbewerbsvorteil darstellen? 

Ja, die Fertigkeit des Promptens kann Anwälten definitiv einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, insbesondere wenn sie sich jetzt mit dem Thema beschäftigen. In zwei bis drei Jahren wird der Einsatz von KI dann ohnehin Standard sein. Aktuell sehe ich vor allem Potenzial darin, die eigene Effizienz zu steigern. Ich kann also dieselbe Arbeit in wesentlich kürzerer Zeit leisten und habe so mehr Zeit übrig, um mich weiteren Mandaten zu widmen. Aber auch die Qualität der Arbeit kann mit dem gekonnten Einsatz von KI verbessert werden. Ich persönlich nutze KI beispielsweise, um mir Ideen für weitere Argumente zu holen.  

Sehen Sie unter Rechtsanwälten bereits einen Wettbewerbsdruck, fit im Umgang mit KI und im Prompten zu werden? 

Ja und nein. Es gibt schon viele Kanzleien, die sich intensiv mit dem Potenzial von KI beschäftigen. Das sind aktuell aber vor allem große und mittelständische Kanzleien. Bei den einzelnen Anwälten stehen wir noch am Anfang. KI ist für alle Juristen Neuland und niemand sollte sich jetzt schon abgehängt fühlen. 

Wie können Anwälte KI speziell für ihr Marketing einsetzen? 

KI eignet sich wunderbar für die Erstellung von personalisierten Inhalten, die genau auf die Bedürfnisse und Zielgruppen abgestimmt werden. Beim Prompten sollte ich der KI also immer mitteilen, an wen sich der zu erstellende Text richtet und wofür er eingesetzt werden soll. Hierin liegt nämlich eine der großen Stärken generativer KI. Wer noch einen Schritt weiter gehen möchte, kann KI auch nutzen, um eigene Werbekampagnen zu optimieren. Im Marketingbereich gibt es bereits eine Vielzahl an KI-Tools am Markt. 

Wenn es darum geht, Beiträge für Social-Media-Kanäle zu planen und zu erstellen: Welche Tipps können Sie für das Prompten speziell in diesem Bereich geben? 

Für das Prompten im Social-Media-Umfeld empfehle ich die Verwendung präziser Keywords. Formulieren Sie Ihre Prompts so präzise wie möglich und schreiben Sie auch dazu, welches Ziel Sie mit dem einzelnen Post verfolgen. Sie können auch nach besonders reichweitenstarken Hashtags fragen, die zu Ihrem Prompt passen könnten. Und auch hier kann KI zu einem guten Sparringpartner werden, um neue Ideen für eigene Posts zu erhalten. Fragen Sie ChatGPT doch zum Beispiel mal, welchen Content ein Anwalt im Arbeitsrecht posten könnte, um neue Mandanten zu gewinnen. Sie werden überrascht sein, wie kreativ die Systeme sind. 

Wie können Anwälte, die Rechtstipps auf anwalt.de veröffentlichen, diese mithilfe von KI und geeigneten Prompts noch verbessern? 

Anwälte können KI nutzen, um ihre Rechtstipps auf Fehler und Inkonsistenzen zu überprüfen und sicherzustellen, dass sie qualitativ hochwertige Informationen liefern. KI eignet sich auch, um Feedback oder weiterführende Fragen der Leser zu analysieren. Durch diese Analyse gewinnen Sie Einblicke, die Ihnen dabei helfen, Ihre Rechtstipps kontinuierlich zu verbessern und relevante Themen zu identifizieren.  

Welche Bestandteile weist eine gute Prompting-Anweisung auf? Wie lang und detailliert sollte sie sein? 

Eine gute Prompting-Anweisung sollte klar und präzise formuliert sein, um sicherzustellen, dass die KI genau versteht, was der Nutzer von ihr erwartet. Sie sollte ausreichend lang und detailliert sein, um alle relevanten Informationen zu enthalten, aber gleichzeitig nicht überladen oder verwirrend wirken. Idealerweise sollte sie auch spezifische Beispiele und Kontextinformationen enthalten. 

Was ich in jedem Fall rate, ist, sich nicht mit der ersten Antwort zufriedenzugeben. Stellen Sie sich vor, ein junger Kollege legt Ihnen nach Ihrem Briefing einen ersten Entwurf des Schriftsatzes vor. In der Regel geben Sie Feedback und bitten um eine Überarbeitung. So sollten Sie es auch mit der KI handhaben – schreiben Sie, was ihnen gefällt und wo Sie noch weitere Argumente brauchen. 

Mit welchen Prompts kann künstliche Intelligenz aktuell schlecht umgehen und weshalb? 

Aktuell kann KI noch schlecht mit komplexen oder mehrdeutigen Prompts umgehen. Man muss sich immer wieder klarmachen, dass generative KI ihre eigenen Inhalte, die sie produziert, nicht versteht. Generative Sprachmodelle sind Wahrscheinlichkeitsmodelle, die lediglich das nächstwahrscheinlichste Wort vorhersagen. Ebenfalls absehen sollte ich von Fragen nach Urteilen oder anderen Rechtsquellen. Hier halluzinieren Sprachmodelle häufig und erfinden zum Beispiel Urteile inklusive Aktenzeichen und Datumsangaben.  

Lassen sich bessere Ergebnisse durch KI erzielen, wenn der Nutzer in seinem Prompt Angaben zur Zielgruppe macht? 

Ja, Informationen zur Zielgruppe des Texts sind auf jeden Fall hilfreich. Dabei ist es wichtig, die Bedürfnisse und Interessen der Zielgruppe genau zu berücksichtigen und entsprechende Prompts zu formulieren, die auf diese spezifischen Merkmale abzielen. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass die Prompts nicht zu stark eingeschränkt werden, um die Vielseitigkeit und Flexibilität der KI nicht zu unterlaufen. 

Beim Prompten wird empfohlen, die KI in eine Rolle schlüpfen zu lassen: Wie ist das zu verstehen? 

Das Schlüpfen in eine Rolle bedeutet, dass der Nutzer die KI dazu anweist, sich vorzustellen, in welcher Position sie sich gerade befindet. Denn das hat unter Umständen große Auswirkungen auf den zu generierenden Text. Ein Beispiel: Mein Prompt lautet: Was ist künstliche Intelligenz? Die KI wird diese Frage völlig anders beantworten, wenn ich dazu schreibe, dass ich Lehrerin bin und das Thema mit meiner zweiten Klasse besprechen möchte. Gebe ich aber an, dass ich KI-Experte bin und einen Vortrag auf einem KI-Kongress halte, wird der generierte Text vom Stil und dem Detailgehalt ein ganz anderer sein. 

Sollten Nutzer mit der KI möglichst in einem fortlaufenden Chat kommunizieren oder jeden neuen Prompt in einen separaten Chat schreiben? 

Es hängt von der Art der Interaktion und den individuellen Präferenzen des Nutzers ab. Ein fortlaufender Chat kann eine kontinuierliche und nahtlose Interaktion ermöglichen, während ein separater Chat eine klarere Trennung zwischen einzelnen Anfragen und Antworten bietet. Letztendlich sollte der Nutzer die Methode wählen, die am besten zu seiner Anfrage passt. Soll die KI Bezug nehmen zu bereits beantworteten Anfragen, kann der fortlaufende Chat effizienter sein.  

Unterscheidet sich das Prompten, wenn die KI Bilder anstelle von Texten generieren soll?

Ja, das Prompten unterscheidet sich definitiv. Bei der Bilderstellung müssen die Prompts spezifische Anweisungen enthalten, die genau die gewünschten visuellen Elemente, Stile und Eigenschaften eines Bildes und dessen Geschichte beschreiben.  

Wo können Anwälte Beispiele für gute Prompts finden? Gibt es schon Online-Bibliotheken oder etwas Ähnliches? 

Es gibt bereits zahlreiche Webinare und Webseiten, die Tipps zum Prompten geben. Konkret auf Anwälte zugeschnittene Inhalte haben uns bisher aber gefehlt. Wir haben uns daher mit dem Bucerius Center on the Legal Profession zusammengetan und mit zahlreichen Rechtsmarkt- und KI-Experten einen Online-Kurs entwickelt. Dieser enthält speziell für den deutschen Rechtsmarkt zugeschnittene Inhalte und auch einen umfassenden Teil zum Thema Prompten.  

Haben Sie als Expertin schon mehr Einblicke, welche Entwicklungen wir in Zukunft bei der Verwendung von KI in der Rechtsbranche – z. B. bei der Anbindung von Datenbanken – erwarten können? 

Bei Entwicklungsmöglichkeiten im Tech-Bereich lohnt sich immer ein Blick nach Großbritannien und in die USA. Dort sind juristische Datenbanken bereits mittels generativer KI nutzbar. Das ist für die Arbeit von Anwälten natürlich ein echter Gamechanger. So weit sind wir in Deutschland aber noch nicht. Aber auch hier gibt es gute erste Schritte, um die Potenziale von KI in den Rechtsmarkt zu tragen. 

Juristische Tätigkeiten zählen zu den am meisten von KI unterstützbaren Tätigkeiten überhaupt, sodass hier natürlich ein großer Markt und viel Interesse seitens der Anbieter besteht. Die meisten Legal-Tech-Anbieter beschäftigen sich entsprechend mit dem Thema und es gibt auch schon erste Produkte am Markt. Ich erwarte, dass sich in den nächsten ein bis zwei Jahren eine Menge tut, und empfehle Anwälten, sich hierüber auf dem Laufenden zu halten.

Und was empfehlen Sie Anwälten, die sich tiefer gehend mit dem Thema auseinandersetzen möchten? 

Ich empfehle, sich jetzt mit dem Thema KI zu beschäftigen und sich mit anderen Anwälten auszutauschen. Einen ersten guten Überblick zum Thema gibt zum Beispiel unser fünfstündiger Online-Kurs „Künstliche Intelligenz für Jurist:innen“. Neben Grundlagenwissen über KI vermittelt der Kurs auch speziell auf Anwälte zugeschnittene Inhalte wie Anwendungsbeispiele, Checklisten, Tipps zur Implementierung von KI usw. Außerdem stellen wir zahlreiche KI-Tools vor, die Anwälte in Deutschland datenschutzkonform sofort anwenden können.

Sie möchten sich auf den Einsatz von KI in Ihrem Kanzleialltag vorbereiten? Der Legal Tech Verband und Kooperationspartner von anwalt.de hat zusammen mit dem Bucerius Center on the Legal Profession den Online-Kurs Künstliche Intelligenz für Jurist:innen kreiert. Mit unserem exklusiven Code KIAnwalt24 profitieren Sie von 100 EUR Rabatt auf die Kursbuchung.

(THH; ZGRA) 

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Foto(s): ©privat/Valerie Keilhau, ©Adobe Stock/tawanlubfah

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