Die Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage versäumt?

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I. Grundsatz – 3 Wochen Zeit

Will ein Arbeitnehmer sich gegen eine Kündigung wehren, so „muss er innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst wurde“ (§ 4 Kündigungsschutzgesetz, nachfolgend „KSchG“).

§ 4 KSchG regelt, innerhalb welcher Frist und in welcher Form sich ein Arbeitnehmer gegen die (ordentliche oder außerordentliche) Kündigung seines Arbeitsverhältnisses zur Wehr setzen muss, wenn er diese für unwirksam hält. Versäumt der Arbeitnehmer die rechtzeitige Erhebung der Kündigungsschutzklage, dann gilt die Kündigung gemäß § 7 KSchG „als von Anfang an rechtswirksam“. Dies bedeutet, dass sich der Arbeitnehmer nach Ablauf der 3-Wochen-Frist grundsätzlich nicht mehr auf Mängel der Kündigung, wie z. B. die Sozialwidrigkeit der Kündigung berufen kann!

II. Ausnahmen

Ausnahmsweise kann sich der Arbeitnehmer aber auch noch nach Ablauf der 3-Wochen-Frist gegen die Kündigung zur Wehr setzen. Nachfolgend sollen beispielhaft drei Fallgruppen/Möglichkeiten genannt werden:

1. Mangel der Schriftform

Bereits aus dem Wortlaut des § 5 Satz 1 KSchG ergibt sich, dass die 3-Wochen-Frist erst ab Zugang der schriftlichen Kündigung zu laufen beginnt. Wenn der Arbeitgeber die Kündigung daher nur mündlich (Verstoß gegen §§ 623, 125 BGB), per E-Mail, SMS oder Fax (Verstoß gegen §§ 623, 126a BGB) ausgesprochen hat, ist diese Kündigung schon wegen des Mangels der Schriftform unwirksam. Diese Unwirksamkeit kann auch noch nach Ablauf der 3-Wochen-Frist geltend gemacht werden. Dies sollte der Arbeitnehmer trotzdem umgehend tun, um nicht die Verwirkung seines Rechts zu riskieren!

2. Vertretungsmangel beim Arbeitgeber

Die Fristenregelung des § 4 KSchG stellt auf das Vorliegen der Kündigung durch den Arbeitgeber ab. Nicht selten kommt es allerdings vor, dass die Kündigung nicht durch den Arbeitgeber selbst, sondern von einem Vertreter des Arbeitgebers oder einem beauftragten Rechtsanwalt ausgesprochen wird. Falls in den vorgenannten Fällen keine ausdrückliche Vertretungsmacht für den Ausspruch von Kündigungen vorlag, liegt nach überwiegender Meinung schon nach § 180 Satz 1 BGB, § 4 KSchG keine Kündigung des Arbeitgebers vor und die 3-Wochen-Frist gilt daher nicht. Zwar kann der Arbeitgeber die durch den vollmachtlosen Vertreter ausgesprochene Kündigung gemäß § 180 Satz 2 BGB rückwirkend genehmigen; allerdings gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 26.3.2009, 2 AZR 883/07) die 3-Wochen-Frist dann erst mit Zugang der Genehmigung beim Arbeitnehmer zu laufen!

Beispiel: Der V ist Mitarbeiter der Personalabteilung des Unternehmens A. Im Gegensatz zur Leiterin der Personalabteilung hat V keine Vollmacht zum Ausspruch von Kündigungen. Gleichwohl unterschreibt V eine Kündigung gegenüber dem Angestellten X zum 31.3.2017 und übergibt die Kündigung am 16.1.2017. Der Geschäftsführer von A erfährt von der Kündigung durch V am 19.1.2017, ist einverstanden und erklärt gegenüber X noch am selben Tag schriftlich, dass er die Kündigung vom 16.1.2017 genehmige. X erhebt durch seinen Anwalt am 8.2.2017 Kündigungsschutzklage. Lösung: Eigentlich ist die Frist des § 4 KSchG am 6.2.2017, 24 Uhr abgelaufen. Da die Genehmigung aber erst am 19.1.2017 erfolgte, konnte X noch bis zum Ablauf des 9.2.2017 Kündigungsschutzklage erheben. Die Kündigungsschutzklage ist daher rechtzeitig erhoben worden!

3. Zulassung der verspäteten Klage nach § 5 KSchG

Gemäß § 5 KSchG kann die Klage des Arbeitnehmers gegen die Kündigung ausnahmsweise auch nach Ablauf der 3-Wochen-Frist noch nachträglich zugelassen werden, wenn der Arbeitnehmer „nach erfolgter Kündigung trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt“ verhindert war, die Klage rechtzeitig zu erheben. Als konkreter Anwendungsfalls des § 5 KSchG wird in Absatz 1, Satz 2 die Frau benannt, die „von ihrer Schwangerschaft aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund erst nach Ablauf“ der 3-Wochen-Frist Kenntnis erlangt. Durch die Formulierung des Gesetzes wird deutlich, dass für die Einschätzung der „zuzumutenden Sorgfalt“ ein subjektiver Maßstab angelegt wird, d. h. es kommt auf alle Umstände des Einzelfalls an und der Arbeitnehmer ist nach seinen persönlichen Fähigkeiten zu beurteilen. So wird z. B. von einem Hilfsarbeiter wesentlich weniger erwartet als von einem leitenden Angestellten!

Die Rechtsprechung entschied bzw. befürwortete in den nachfolgenden, beispielhaften Fällen eine nachträgliche Zulassung der Klage: (i) Unterlassen der rechtzeitigen Klage nach falscher Auskunft durch Rechtsanwalt oder Beratungsstelle einer Gewerkschaft (LAG Köln vom 13. 9. 1982, 1 Ta 111/82), (ii) Arbeitnehmer ist durch Krankheit objektiv daran gehindert, eine Klage selbst zu formulieren oder andere Personen um Hilfe zu bitten (LAG Köln vom 1.9.1993, 10 Ta 118/93),  (iii) der Arbeitgeber hält den Arbeitnehmer arglistig von der Klageerhebung ab (LAG Köln vom 1.12.2006, 9 Ta 415/06). 

Auch beim Versäumen der 3-Wochen-Frist durch die urlaubsbedingte Abwesenheit kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. So wurde in einem vom Landesarbeitsgericht Köln entschiedenen Fall die nachträgliche Zulassung der Klage bei urlaubsbedingter Abwesenheit befürwortet (LAG Köln vom 4.3.1996, 10 Ta 322/95). Demgegenüber hat das Bundesarbeitsgericht in einem jüngst entschiedenen Fall die nachträgliche Klage nach § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht zugelassen, weil hier der Arbeitnehmer sich nicht nur vorübergehend im Ausland aufhielt und nicht sicherstellte, dass er zeitnah von einem Kündigungsschreiben Kenntnis erlangen konnte, das in einen von ihm vorgehaltenen Briefkasten im Inland eingeworfen wurde (BAG, Urt. v. 25.04.2018 - 2 AZR 493/17).

Zu beachten ist, dass der Antrag auf nachträgliche Zulassung ebenfalls fristgebunden ist, d. h., der Antrag muss innerhalb von 2 Wochen nach Behebung des Hindernisses gestellt werden, spätestens aber innerhalb von 6 Monaten nach Ablauf der 3-Wochen-Frist.

III. Tipp für den Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin

Haben Sie die 3-Wochen-Frist des § 4 KSchG versäumt, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass Sie sich gegen eine ausgesprochene Kündigung nicht mehr wehren können! Die obigen Ausführungen sollen Ihnen einen kurzen Überblick über das sehr komplexe Thema geben, stellen aber keine Rechtsberatung dar und können eine juristische Auskunft in Ihrem Einzelfall nicht ersetzen! Überlassen Sie die Beurteilung der Frage, ob in Ihrem konkreten Fall eine Klage noch sinnvoller Weise erhoben werden sollte, einem im Arbeitsrecht geschulten Anwalt! Gerne helfe ich Ihnen und stehe Ihnen nach Terminabsprache für ein Beratungsgespräch in meiner Kanzlei im Kölner Rheinauhafen zur Verfügung (siehe mein Rechtsprodukt „Erstberatung Arbeitnehmer zu Kündigung und Aufhebungsvertrag“ bei anwalt.de).

Hinweis:

Diese Veröffentlichung hat den Stand 22. Mai 2020. Die Ihnen hier unentgeltlich zur Verfügung gestellten Informationen sind allgemeiner Natur, stellen keine rechtliche Beratung dar und sind auf Ihren speziellen Einzelfall möglicherweise nur eingeschränkt oder gar nicht anwendbar. Für die Vollständigkeit und Richtigkeit der in dieser Veröffentlichung enthaltenen Informationen wird keine Haftung übernommen.


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