Die Kündbarkeit von Gewerbemietverträgen

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Abschnitt A: Vorbemerkung

Gewerbetreiben mieten für den geschäftlichen Betrieb in der Regel im Rahmen von Gewerbemietverträgen Büroräumlichkeiten an. Standardmietverträge werden in diesem Bereich auf einen bestimmten Zeitraum (z. B. fünf oder zehn Jahre) abgeschlossen. Eine ordentliche Kündigung ist in dieser Zeit ausgeschlossen. Hierdurch sollen beide Mietvertragsparteien rechtssicher auf den Bestand des Mietvertrags vertrauen dürfen. Abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung entsteht in vielen Fällen allerdings das Bedürfnis des Mieters sich vor Ablauf der Mietvertragslaufzeit von dem Mietvertrag zu lösen, beispielsweise, weil

ein günstigeres Mietobjekt in besserer Lage angeboten wird,

der geschäftliche Betrieb an einen anderen Standort verlegt werden soll oder

der vereinbarte Mietzins nicht oder schwer erwirtschaftet werden kann.

In diesen Sachverhalten muss der Mieter prüfen, ob ein Fehler des Mietvertrags besteht, der rechtlich zu einer (vorzeitigen) ordentlichen Kündigung berechtigt.

Umgekehrt kann allerdings auch der Fall eintreten, dass ein Vermieter aufgrund dieser Fehlers selbst zu einer ordentlichen Kündigung motiviert ist und zwar dann, wenn er bei einem Mietkonkurrenten einen höheren Mietzins vereinbaren kann. Dies stellt dann eine erhebliche Gefährdung für den geschäftlichen Betrieb des Gewerbetreibenden dar.

Abschnitt B: Grundvoraussetzungen einer vorzeitigen Kündigungsmöglichkeit

Für Mieter sind deshalb zwei Rechtsbereiche zu unterscheiden.

Geht es um den Schutz vor einer späteren, frühzeitigen Kündigung durch den Vermieter, so müssen bestimmte Anforderung bei und im Nachgang des Vertragsschlusses eingehalten werden.

Besteht dagegen das Bedürfnis, sich vom Gewerbemietvertrag zu lösen, so muss für den Mieter ein Fehler im Mietvertrag anhand des konkreten Einzelfalls dargestellt werden. Der in der Rechtsprechung häufigste Fall ist, dass der schriftlich abgeschlossene Mietvertrag an einem Formfehler leidet. Ist dies der Fall, so bleibt der Mietvertrag zwar wirksam, nicht aber die Vereinbarung über die Mietvertragslaufzeit. Per Gesetzes wegen gilt dieser Mietvertrag dann als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und kann unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen durch den Mieter gekündigt und damit vorzeitig beendet werden. Neben weiteren Angriffspunkten stellt also ein Schriftformverstoß die häufigste Möglichkeit dar, einen Gewerbemietvertrag vorzeitig aufzulösen.

Abschnitt C: Beispiele für Angriffspunkte in einem Gewerbemietvertrag

Folgende Beispiele aus meiner täglichen Praxis belegen, wie schnell ein Fehler im Mietvertrag auftreten kann.

Fehler 1: Es liegt kein ausreichender Vertragsschluss vor, weil zwischen Angebot und Annahme des Mietvertrags mehr als zwei bis drei Wochen liegen. Dies kann anhand der bei den Unterschriften angegebenen Daten (abhängig vom Einzelfall) geprüft werden. Eine solche Situation tritt in der Praxis häufig ein, wenn die Mietverträge nicht unter gleichzeitiger Anwesenheit der Mietvertragsparteien geschlossen werden. Vergeht zu viel Zeit zwischen der Unterschrift des Vermieters und der Unterzeichnung durch den Mieter, so kann dies bereits einem wirksamen Vertragsschluss entgegenstehen.

Fehler 2: Wenn auf Seiten einer der Vertragspartner eine AG oder GmbH auftritt, so muss klargestellt werden, welche Einzelperson als Vertreter unterzeichnet. Fehlt ein Hinweis darauf, wer die Unterschrift leistet, kann dies bereits nicht ausreichend sein. Denn die Rechtsprechung fordert, dass bei einer solchen Kapitalgesellschaft klargestellt ist, wer die Unterzeichnung durchführt. Häufig wird dies nicht der Vorstand der AG selbst oder der Geschäftsführer der GmbH sein. Dann müssen die Vertretungsverhältnisse offen gelegt werden. Fehlt es an einer solchen Offenlegung, kann dies einen Verstoß gegen die Schriftform darstellen.

Fehler 3: Häufig nimmt der Mietvertrag auf Anlagen Bezug (beispielsweise einen Bauplan, einen Grundriss-Plan, einen ergänzenden Vertrag). Sind diese Unterlagen nicht fest mit dem eigentlichen Vertrag verbunden, so verstößt dies gegen die Schriftform und der Vertrag ist frühzeitig kündbar. Eine feste Verbindung ist insbesondere dann gegeben, wenn alle Unterlagen zusammengefasst und jeweils durch die Mietvertragsparteien unterzeichnet sind. Vertrag und Unterlagen müssen als einheitliches Vertragskonvolut erkennbar sein. Dies führt freilich immer dann zu Formproblemen, wenn nicht alle Unterlagen bei Vertragsschluss vorliegen.

Fehler 4: Dem Autor sind viele Fälle bekannt, in denen neben dem Mietvertrag noch Zustimmungen von Dritten erfolgen müssen (beispielsweise durch den Hauptvermieter und den Inhaber des Erbbaurechts für das Grundstück). Wenn diese Erklärung nicht, zu spät und unzureichend erfolgen, ist dies fehlerhaft. Häufig ist diese Erklärung für die Wirksamkeit des Mietvertrags von entscheidender Bedeutung, sodass diese bereits bei Vertragsschluss vorliegen muss.

Fehler 5: Oftmals kann in einem umfangreichen Mietvertrag noch nicht alles festgeschrieben werden. Sind dann aber vorläufige Regelungen enthalten, kann sich ein Formfehler auch daraus ergeben, dass diese nachträglich nicht richtig nachgereicht sind. Ein Beispiel sind wiederum Ausbaupläne für die Mietsache bzw. noch ausstehende öffentlich-rechtliche Genehmigungen. Nimmt der Mietvertrag hierauf Bezug, ohne dass diese Unterlagen vorliegen, so kann das nachträgliche Einreichen dieser Dokumente einen Schriftformverstoß begründen.

Fehler 6: Ein wichtiger Fehler von Mietverträgen, der zu einem Verstoß gegen die Schriftform führt, liegt darin, dass nach Vertragsschluss mündliche oder einseitig schriftliche Änderungen erfolgen. Dann führt dies zu einer frühzeitigen Kündigungsmöglichkeit. Häufig ist der Fall, dass sich die Mietvertragsparteien über Zahlungsmodalitäten unterhalten oder um eine Minderung für einzelne Zeiträume. Ggf. werden zusätzliche Räumlichkeiten hinzugenommen oder die Benutzungsregelung innerhalb eines Gesamtgebäudes diskutiert. In all diesen Fällen kann ein Formverstoß vorliegen, soweit Vermieter und Mieter diese Einigung nicht schriftlich, also in einem Dokument niederlegen.

Abschnitt D: Zusammenfassung

Der Abschluss eines Gewerbemietvertrags ist für Gewerbetreibende eine bedeutsame wirtschaftliche Entscheidung. Um etwaige Kündigungsrisiken von Seiten des Vermieters auszuschalten, sollte der Vertragsschluss rechtsanwaltlich begleitet werden. Andererseits bestehen für Mieter, die sich vorzeitig von einem Gewerbemietvertrag lösen möchten, vielseitige Angriffspunkte gegen diesen Vertrag.




Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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