Die strafrechtlichen Konsequenzen für IS-Rückkehrerinnen

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Die Staatsschutzverfahren vor den Oberlandesgerichten gegen deutsche Frauen, die sich dem Islamischen Staat in Syrien angeschlossen haben sollen und nun wieder zurückgekehrt sind, häufen sich. Den Zahlen zur Folge sollen tausende von deutschen Männern aber auch Frauen die Bundesrepublik in Richtung Syrien verlassen haben.

Aufgrund der militärischen miesere des IS in Syrien und Irak, wurden viele Anhänger festgenommen und in Lagern aufgeteilt. Die Bundesregierung holt immer wieder IS-Frauen aus den Gefangenenlagern zurück nach Deutschland. Sie waren entweder gemeinsam mit ihren Männern zum IS gereist oder sind später ihren Männern gefolgt. Viele Frauen sind aber auch allein zum IS gereist, um dort wiederum IS-Kämpfer zu heiraten. Durch das Engagement der Bundesregierung, schaffen es die Frauen gemeinsam mit ihren Kindern zurück nach Deutschland. Am Frankfurter Flughafen angekommen, werden viele der Frauen festgenommen. Der Vorwurf lautet, die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§§ 129a, 129b StGB).

In diesem Artikel soll vordergründig die Frage erörtert und geklärt werden, ob Handlungen im Ausland nach deutschem Strafgesetzbuch sanktioniert werden können und anschließend wie sich die Frauen beim IS strafbar gemacht haben. Die politische und geographische Komponente dient lediglich zur Einleitung und besseren Verständnis der Thematik.

Die terroristische Vereinigung „Islamischer Staat (IS)“

Der Islamische Staat (IS) ist eine terroristische Vereinigung im Ausland, die sich von radikal-religiösen Anschauungen geleitet zum Ziel gesetzt hat, die von Schiiten dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des Präsidenten Bashar al-Assad in Syrien mit militärischen Mitteln zu stürzen und als Nahziel einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region „ash-Sham“ (Syrien, Libanon, Jordanien und Palästina) umfassenden Gottesstaat unter Geltung der Scharia zu errichten. Fernziel ist der weltweite Gottesstaat.

Die Zahl der IS-Kämpfer wuchs mit der Zeit stetig an, indem Anhänger aus aller Welt sich nach Syrien zum IS begaben. Die Rekruten wurden in Trainingslagern ideologisch und militärisch geschult. Zur Ausbildung gehörte Sport und das Training an der Waffe. Nach der Ausbildung wurden sie in Bezirke eingeteilt. Für Familien gab es finanzielle Unterstützung.

Die einreisenden Frauen wurden zunächst in Frauenlagern versammelt. Die Verheirateten durften von ihren Ehemännern abgeholt werden. Alle anderen verblieben so lange in den Lagern, bis sie heirateten.

Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts

Die Ausreise aus Deutschland und die Einreise nach Syrien ist generell straflos. Da das eigentliche Geschehen sich nicht auf deutschem Boden abspielt, stellt sich hier die Frage, ob deutsches Strafrecht überhaupt anwendbar ist und somit deutsche Strafgerichte urteilen dürfen.

Gemäß § 3 StGB gilt das deutsche Strafrecht für Taten, die im Inland begangen werden. Nach § 7 Abs. 2 StGBgilt das deutsche Strafrecht aber auch, wenn die im Ausland begangenen Taten am Tatort mit Strafe bedroht ist oder der Tatort keiner Strafgewalt unterliegt und wenn der Täter (1) zur Zeit der Tat Deutscher war oder es nach der Tat geworden ist oder (2) …

Häufig sind die Rückkehrer deutsche Staatsbürger und das Gebiet, in dem sie sich als Mitglied des IS beteiligten, im Tatzeitraum effektiv keiner staatlichen Strafgewalt unterlegen gewesen. Im Übrigen ist der Anschluss an eine terroristischen Organisation gemäß Art. 1 und 3 des syrischen Anti-Terror-Gesetzes Nr. 19 vom 28.06.2012, dass die zuvor geltenden Vorschriften über die Strafbarkeit einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach Art. 304 bis 306 des syrischen Strafgesetzbuchs ersetzt hat, auch in Syrien mit Strafe bedroht.

Die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung nach § 129b Abs. 1 Satz 2 StGB, setzt voraus, dass der Täter Deutscher ist. Im Oktober 2015 hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gemäß § 129b Abs. 1 Satz 3 StGB die Ermächtigung zur Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der sich als „IS“ bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung erteilt.

Das deutsche Strafrecht ist daher anwendbar.

Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung, §§ 129a, 129b StGB 

Dass der „islamische Staat“ zweifelslos eine terroristische Vereinigung ist, steht unstreitig fest. Insofern liegt der Fokus nur darauf, ob und wann eine Beteiligung angenommen werden kann.

Bei den männlichen Kämpfern, die sich zum IS begeben, sich dort schriftlich registrieren und ausbilden lassen, mit Waffen ausgestattet und an die Front geschickt werden, ist die Mitgliedschaft ohne weiteres zu bejahen. Bei den Frauen stellt sich die rechtliche Einordnung schwieriger dar, da die Frauen in der Regel beim IS für den Haushalt und den Nachwuchs zuständig sind und nicht an die Front geschickt werden.

Ob eine Frau Mitglied des IS war oder nur ein „bloßes“ Leben im Kalifat geführt hat, hat der BGH in seinem Beschluss vom 17.10.2019 (StB 26/19) wie folgt festgelegt:

„Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation Voraus. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Die Mitgliedschaft setzt ihre Natur nach einer Beziehung voraus, die eine Vereinigung nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Eine auf lediglich einseitigen Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern. Die Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung scheiden daher aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind. Eine Förderungshandlung des Mitglieds kann darin bestehen, unmittelbar zur Durchsetzung der Ziele der Vereinigung beizutragen; sie kann auch darauf gerichtet sein, lediglich die Grundlagen für die Aktivitäten der Vereinigung zu schaffen oder zu erhalten. Ausreichend ist deshalb die Förderung von Aufbau, Zusammenhalt oder Tätigkeit der Organisation. In Betracht kommt etwa ein organisationsförderndes oder ansonsten vereinigungstypisches Verhalten von entsprechendem Gewicht. In Abgrenzung hierzu fehlt es in Fällen einer bloß formalen oder passiven, für das Wirken der Vereinigung bedeutungslosen Mitgliedschaft grundsätzlich an einem aktiven mitgliedschaftlichen Betätigungsakt.“

Hiernach reicht die bloße Einreise in das IS-Gebiet nicht aus. Zunächst einmal muss man sich dem IS zugehörig fühlen und die islamistische-dschihadistische Weltanschauung teilen. D.h. man teilt diese Überzeugung auch über die sozialen Netzwerke und ruft dazu auf, ihr und dem IS zu folgen. Es gehört auch dazu, die Ehe und die Kinder im Sinne des IS zu erziehen.

Sind die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 129a Abs. 1, 129b Abs. 1 StGB erfüllt, droht eine Freiheitsstrafe zwischen 1 und 10 Jahren.

In diesen Strafverfahren, wird vor den Oberlandesgerichten – Staatsschutzsenate – verhandelt. Anklagevertreter ist die Generalstaatsanwaltschaft.

Weitere Straftaten

Neben der Mitgliedschaft im IS, kommen je nach Lebensweise und Aktivitäten, weitere Straftaten in Betracht. Häufig lassen sich die Frauen mit Waffen – meist Kalashnikow´s – oder Sprengstoffpräparate abbilden. Diese Waffen werden ihnen für den Fall der Fälle überlassen. Die tatsächliche Gewalt über eine Kriegswaffe ohne Genehmigung, stellt einen Verstoß gegen § 22a KrWaffKontrG und wird mit mindestens 1 Jahre Freiheitsstrafe bestraft.

Viele Frauen werden im Islamische Staat schwanger und erziehen ihre Kinder nach der Ideologie des IS und deren Weltanschauung. Die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht nach § 171 StGB setzt voraus, dass der Schutzbefohlene in die konkrete Gefahr gebracht wird, in seiner körperlichen und psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, namentlich einen kriminellen Lebenswandel zu führen.

Darüber hinaus kommen weitere Straftatbestände in Betracht, die durch Kampfhandlungen oder anderen Aktivitäten begangen werden können. Je nach Beteiligungsgrad muss zwischen kleineren und größeren Straftaten unterschieden werden.

Das Strafverfahren

Ist der Haftbefehl am Flughafen bei der Rückreise vollstreckt worden, gelten in der Untersuchungshaft strengere Bedingungen als für gewöhnliche Inhaftierte. Ansonsten gilt auch hier das Beschleunigungsgebot. Ein Staatsschutzverfahren findet vor dem OLG statt, und zwar ausschließlich vor einem Staatsschutzsenat. Das Verfahren an sich unterscheidet sich von Verfahren vor dem Landgericht kaum, lediglich in der Besetzung der Kammer. Bei Staatsschutzverfahren nehmen keine Schöffen am Verfahren teil. Es sind ausschließlich Berufsrichter.

Das Urteil und die Höhe der Strafe

Wie ein Verfahren endet und welche Strafe verhängt wird, hängt von vielen Faktoren ab. Die Bemessung der Strafe hängt in erster Linie davon ab, ob Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht zur Anwendung kommt. Da viele junge Frauen noch minderjährig waren, als sie sich nach Syrien begaben und dort lebten und häufig erst im erwachsenen Alter zurückkehrten, wird in diesen Verfahren das Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen. Dies muss jedoch nicht in jedem Fall so sein.

Der Strafrahmen wird durch die begangenen Straftaten festgelegt. Bei der Bemessung der Strafhöhe wird auch berücksichtigt, ob die Angeklagte geständig war oder bei der Aufklärung geholfen hat. War die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung von untergeordneter Bedeutung, kann die Strafe gemildert werden (minder schwerer Fall). Insofern kann nie pauschal von einer festgelegten Strafe ausgegangen werden.

Der Strafverteidiger für spezielle Verfahren

Verfahren oder Fälle dieser Art, hat der Anwalt für gewöhnlich nicht jeden Tag auf seinem Schreibtisch liegen. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass die wenigsten Juristen jemals ein Berührungspunkt mit derartigen Fällen in ihrer Laufbahn haben werden. Hier sollte man zunächst den Fokus auf einen Fachanwalt für Strafrecht legen. Optimaler wäre, wenn er Erfahrungen in gleichgelagerten Fällen gesammelt hat.

Sind Sie oder eine aus Ihrem nahen Umfeld aus den Frauenlagern in Syrien oder Irak zurück nach Deutschland verbracht worden und ermittelt die Generalstaatsanwaltschaft bereits, dann sollten Sie sich mit mir in Verbindung setzen. Ich bin Fachanwalt für Strafrecht und habe bereits eine Rückkehrerin vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg im Jahr 2021 verteidigt. Ich bin bundesweit tätig, so dass ich die Verteidigung auch in anderen Bundesländern übernehmen würde. Kontaktieren Sie mich telefonisch über mein Büro oder schreiben Sie mir eine Mail. In dringenden Fällen steht Ihnen natürlich auch die Notfallnummer rund um die Uhr zur Verfügung!


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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