Drohungen und Beleidigungen in einem „Vier-Augen-Gespräch“ – rechtfertigen grundsätzlich fristlose Kündigung

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Fehlt es an einer – Vertrauenserwartung – des Drohenden ist die fristlose Kündigung auch dann gerechtfertigt, wenn die Bedrohungen und Beschimpfungen in einem – Vier-Augen-Gespräch- erfolgt sind. So das Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 14.07.2022 – 8 Sa 365/22 -, klarstellend.

LAG Hamm in seinen amtlichen Leitsätzen wie folgt feststellend:

„Grob ehrverletzende, diffamierende und von erheblicher Missachtung der Person geprägte Äußerungen über Vorgesetzte oder Kollegen in einem Vier-Augen-Gespräch am Arbeitsplatz können die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen, wenn der Arbeitnehmer nach den Umständen und dem Inhalt des Gesprächs im Einzelfall nicht davon ausgehen kann, dass seine Äußerungen als vertraulich eingeordnet und behandelt werden.  Fehlt es danach an einer begründeten Vertraulichkeitserwartung, steht das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG der Berücksichtigung dieser Äußerungen als Kündigungsgrund und deren Verwertung im Kündigungsschutzprozess nicht entgegen. In einem Kontext mit dem Arbeitsverhältnis über Vorgesetzte oder Kollegen geäußerte Schmähkritik und Formalbeleidigungen am Arbeitsplatz sind vom Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG nicht umfasst.“ Quelle: Beck-online.de

Zu den Beleidigungen des Arbeitnehmers:

„Später traf der Kläger während der Arbeitszeit in der Logistikhalle den dort ebenfalls als Packer und Kommissionierer tätigen Zeugen F. an, mit welchem ihn ein kollegiales, aber kein besonderes Freundschafts- oder Vertrauensverhältnis verbindet. Gegenüber dem Zeugen bezeichnete er den Vorgesetzten C. mehrfach als „Hurensohn“ und erklärte weiter, er wolle diesem „den Kopf abschneiden“, wobei der Kläger diese Äußerungen als Ergebnis einer entsprechenden Beweisaufnahme durch das Arbeitsgericht in zweiter Instanz nicht weiter bestreitet.“ LAG Hamm, a.a.O.; Quelle: Beck-online.de

LAG Hamm: „Als wichtiger Grund an sich im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB kommen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grobe Beleidigungen oder ehrverletzende Äußerungen zum Nachteil des Arbeitgebers, seiner Repräsentanten oder von Arbeitskollegen in Betracht…Dies gilt auch dann, wenn derartige Äußerungen nicht gegenüber dem Betroffenen bzw. Adressaten der Beleidigung selbst, sondern in Kollegengesprächen gegenüber Dritten getätigt werden…Denn Beleidigungen, ehrverletzende Äußerungen, üble Nachrede und bewusst falsche Tatsachenbehauptungen können einen groben Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers darstellen, die er nach § 241 Abs. 2 BGB zu wahren hat.“

Schmähkritik rechtfertigt grundsätzlich fristlose Kündigung, weil nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt

LAG Hamm: „Von Schmähkritik außerhalb des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ist dabei auszugehen, wenn jenseits aller Polemik und Überspitzung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern allein noch die Diffamierung der anderen Person im Vordergrund steht bzw. ein etwaiges sachliches Anliegen gegenüber der gewollten persönlichen Kränkung völlig in den Hintergrund tritt…Bei einer ebenfalls nicht nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Formalbeleidigung handelt es sich hingegen um die Äußerung eines aus sich heraus herabwürdigenden Schimpfwortes - etwa aus der Fäkalsprache - welches kontextunabhängig in stets zu missbilligender Weise allein auf die Verächtlichmachung des Anderen zielt und daher unabhängig von den konkreten Umständen als Beleidigung gewertet werden muss…

Gemessen an diesen Maßstäben kann sich der Kläger hinsichtlich seiner am 27. September 2021 getätigten Äußerungen „Hurensohn“ und „den Kopf abschneiden“ nicht auf das nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gewährleistete Recht auf Meinungsfreiheit berufen.

Die Bezeichnung „Hurensohn“ zielt auf die Abstammung des Betroffenen und den Bereich seiner familiären Verbundenheit, wobei es bei der Verwendung dieses Wortes allein um die Verächtlichmachung des Anderen in kaum noch zu steigender Weise und darum geht, ihn auf der persönlichsten Ebene als beliebiges und zufälliges Produkt einer zumal moralisch missbilligten Geschäftsbeziehung zu brandmarken, damit quasi zu versachlichen und so als Person schmerzlich zu treffen. Es handelt sich danach um eine Formalbeleidigung im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die unabhängig von einem hier zumal nicht erkennbaren sachlichen Kontext grundsätzlich zu missbilligen ist.“ So das LAG Hamm in seinen Entscheidungsgründen feststellend; Quelle: Beck-online.de

Beleidigungen im Vier-Augen-Gespräch nicht von der Rechtsordnung geschützt

LAG Hamm: „Zwar kann ein Erfahrungssatz dahin angenommen werden, dass anfechtbare Äußerungen über Vorgesetzte, etwa überspitzte bzw. polemische Kritik, Lästerei sowie eine plakative politische Einordnungen, sofern sie im Kollegenkreis erfolgen, regelmäßig in der sicheren Erwartung geschehen, dass diese nicht über den Kreis der Gesprächsteilnehmer hinausdringen werden (BAG, Urteil 21. Oktober 1965 - 2 AZR 2/65 - ; BAG, Urteil vom 30. November 1972 aaO). Danach können auch diffamierende und ehrverletzende Äußerungen über Vorgesetzte und Kollegen in vertraulichen Gesprächen unter Arbeitskollegen unter bestimmten Umständen die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen, wenn die Vertraulichkeit der Kommunikation in der Privatsphäre durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht besonders geschützt und deshalb die Nichtberücksichtigung vertraulicher Äußerungen geboten ist (BAG, Urteil vom 10. Oktober 2002 aaO).

Entscheidend ist dabei jedoch, ob der Arbeitnehmer sicher davon ausgehen durfte, dass die beteiligten Kollegen die Äußerungen für sich behalten werden (BAG, Urteil vom 17. Februar 2000 aaO), also ob die Äußerungen in einer abgeschirmten Sphäre fallen und Ausdruck eines besonderen Vertrauens sind, weshalb mit ihrer Weitergabe deshalb nicht gerechnet werden muss (BVerfG. Beschluss vom 23. November 2006 - 1 BvR 285/06 - NJW 2007, 1194/1195). Den Schutz der Privatsphäre und der Meinungsfreiheit kann hingegen nicht für sich in Anspruch nehmen, wer die Vertraulichkeit selbst aufhebt, was insbesondere dann gilt, wenn eine ehrverletzende Äußerung an eine vermeintliche Vertrauensperson gerichtet wird, um darüber mittelbar den Dritten zu treffen.“

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf die Kündigung von Mitarbeitern/innen? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.


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