Elektr. Leseplätze in Bibliotheken: Urheberrechtliche Zulässigkeit der Digitalisierung von Bibliotheksbestand

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(BGH, PM Nr. 64 vom 17.04.2015)

Bibliotheken dürfen Bücher ihres Bibliothekbestands auch ohne Einwilligung des Rechteinhabers digitalisieren, wenn dies erforderlich ist, um diese Bücher an elektronischen Leseplätzen zugänglich zu machen. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 52a Abs. 3 UrhG, so der Bundesgerichtshof (Urteil vom 16.04.2015, Az. I ZR 69/11). In vielen Fällen kann in diesem Zusammenhang auch das Ausdrucken oder Abspeichern der zur Verfügung gestellten Werken gem. § 53 UrhG als Vervielfältigung zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch zulässig sein.

Zum Sachverhalt:

Ein Verlag hatte die Technische Universität Darmstadt verklagt. Diese hatte in ihrer öffentlich zugänglichen Bibliothek elektronische Leseplätze eingerichtet, an denen Nutzern u.a. im Verlag der Klägerin erschienene Werke in digitaler Form zugänglich gemacht wurden. Dabei konnten die Bibliotheksnutzer die Werke auch ganz oder teilweise ausdrucken oder auf Speichermedien ablegen. Die Klägerin hatte der Beklagten zuvor angeboten, die von ihr herausgegebenen Lehrbücher als E-Books zu erwerben, was diese abgelehnt hatte.

Nun war die Klägerin der Auffassung, die oben beschriebene Nutzung durch die Beklagte sei nicht von § 52b UrhG gedeckt und nahm sie auf Unterlassung in Anspruch.

Den Antrag der Klägerin, der Beklagten zu verbieten, Bücher aus dem Verlag der Klägerin zu digitalisieren und in digitalisierter Form an elektronischen Leseplätzen ihrer Bibliothek zu benutzen, wenn die Klägerin ihr für diese Nutzung einen angemessenen Lizenzvertrag anbietet, hatte das Landgericht abgewiesen. Es untersagte der Beklagten allerdings, den Nutzern das Ausdrucken und Abspeichern der digitalen Versionen der Bücher zu ermöglichen. Auf die eingelegte Sprungrevision legte der BGH dem EuGH mehrere Fragen zur Auslegung von Art. 5 Abs. 3n der Richtlinie 2001/29/EG zur Vorabentscheidung vor.

Dieser hat mit Urteil vom 11.09.2014 (Az. C-117/13) entschieden, dass ein Mitgliedstaat Bibliotheken gestatten darf, bestimmte Bücher aus ihrem Bestand zu digitalisieren, um sie an elektronischen Leseplätzen zur Verfügung zu stellen. Der Zustimmung der Rechteinhaber bedarf es dabei nicht. Daraufhin wies der BGH die Klage insgesamt ab.

Zu den Gründen:

Die Beklagte durfte gem. § 52b UrhG die Bücher digitalisieren und an elektronischen Leseplätzen zur Verfügung stellen. Zwar ist diese Berechtigung nicht ausdrücklich in dieser Norm geregelt, allerdings ist vorliegend § 52a Abs. 3 UrhG entsprechend anzuwenden, in dem die öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung geregelt ist und der die hierzu erforderlichen Vervielfältigungen erlaubt. Die entsprechende Anwendung ist damit zu begründen, dass das Recht zur Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen praktisch nutzlos wäre, wenn die Bibliotheken hieraus kein akzessorisches Recht zur Digitalisierung der betreffenden Bücher hätten. Entgegenstehende vertragliche Regelungen im Sinne des § 52b UrhG bestehen vorliegend nicht: das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Lizenzvertrags begründet noch kein Vertragsverhältnis.

Auch die Möglichkeit, die so zugänglich gemachten Werke auszudrucken oder abzuspeichern, verletzt die Klägerin nicht in ihren Urheberrechten. In der richtlinienkonformen Auslegung des § 52b UrhG ergibt sich keine Einschränkung dahingehend, dass die Werke lediglich gelesen, nicht jedoch gespeichert und gedruckt werden dürfen. In vielen Fällen sind diese Handlungen auch von § 53 UrhG gedeckt (Vervielfältigung zum privaten oder sonstigem eigenen Gebrauch).

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