„Enterbung“ nach deutschem Recht möglich? "Disinheriting" possible under German law? GER/ENG

  • 6 Minuten Lesezeit

Grundsätzlich kann jeder sein Testament und damit seinen sog. letzten Willen frei gestalten. Hierzu gehört auch zum Erben, zu bestimmen, wen man möchte. Allerdings mit einer Einschränkung: Das deutsche Recht will sicherstellen, dass die nächsten Angehörigen wenigstens einen Mindestanteil am Vermögen des Verstorbenen erhalten, rechtlich ausgedrückt den sog. Pflichtteil. 

Begründet wird dies mit einer Fürsorgepflicht gegenüber diesen nächsten Angehörigen (ähnlich der Unterhaltspflicht). Übrigens ist vielen anderen Rechtsordnungen (z. B. in den meisten US-Bundesstaaten) dieser Gedanke einer „Mindestbeteiligung am Familienvermögen“ unbekannt oder jedenfalls deutlich schwächer ausgeprägt, der Erblasser ist hier viel freier. So kann etwa ein US-Millionär oder sonstiger reicher Erblasser seine Kinder gänzlich leer ausgehen lassen. In Deutschland ist dies grundsätzlich nicht möglich.

Den vorgenannten Pflichtteilsanspruch bekommt man aber nicht automatisch, man muss ihn „geltend machen“ – und zwar innerhalb von drei Jahren. Einen Pflichtteilsanspruch haben nur die engsten Angehörigen, nämlich:

  • Abkömmlinge (das ist der Überbegriff für Kinder und zwar sowohl eheliche als auch uneheliche und adoptierte, Enkel u. s. w.)
  • der Ehegatte.
  • Eltern (bzw. Großeltern) sind nur pflichtteilsberechtigt, wenn keine Abkömmlinge (also Kinder) (mehr) leben.

Das Gesetz erlaubt die sog. Entziehung des Pflichtteils nur in besonderen Ausnahmefällen, etwa bei Mordversuch (oder anderen Verbrechen bzw. Versuchen) oder grober körperlicher Misshandlung durch den Pflichtteilsberechtigten. Ein schlechtes Verhältnis reicht nicht als Grund, jemandem den Pflichtteil zu entziehen, nicht einmal völlige Entfremdung und jahrzehntelang fehlender Kontakt.

Ein Pflichtteilsberechtigter erhält sodann die Hälfte dessen, was er bei gesetzlicher Erbfolge geerbt hätte, also wenn kein Testament existieren würde. Die Berechnung ist hier sehr detailliert von Ihrer Anwältin bzw. Ihrem Anwalt vorzunehmen.

Der Pflichtteilsanspruch gilt aber nur wertmäßig: Pflichtteilsberechtigte werden nämlich gerade nicht Miterben wie es bei der gesetzlichen Erbfolge ohne ein Testament oder letztwillige Verfügung der Fall wäre, sondern haben nur einen Anspruch auf Auszahlung des Wertes in Geld, können also keine konkreten Gegenstände oder bestimmte Immobilien verlangen. So dürfen sie auch nicht an den Versammlungen der Miterben teilnehmen (es sei denn, die Erbengemeinschaft erlaubt es ausdrücklich).

Der Pflichtteilsanspruch ist sofort (also bereits am Todestag) fällig. Daher kann ein Pflichtteilsberechtigter also per Zahlungsaufforderung sehr schnell den Lauf von Verzugszinsen erzwingen. Damit der Pflichtteilsberechtigte die Höhe des konkreten Anspruchs berechnen kann, ist der Erbe (bzw. die Erbengemeinschaft) zur Auskunft verpflichtet – und zwar nicht nur pauschal, sondern sehr detailliert per schriftlichem Nachlassverzeichnis. 

Darin ist jeder Nachlassgegenstand einzeln aufzulisten. Der Pflichtteilsberechtigte kann sogar verlangen, dass das Nachlassverzeichnis von einem Notar erstellt werden muss (auch die Notarkosten müssen aus dem Nachlass gezahlt werden, § 2314 BGB). Hat der Pflichtteilsberechtigte immer noch Zweifel, kann er vom Erben verlangen, dass dieser eine eidesstattliche Versicherung abgibt, dass die Angaben im Nachlassverzeichnis richtig und vollständig sind, inklusive Schenkungen in den letzten 10 Jahren. 

Nun könnte ein Erblasser auf die Idee kommen, den Pflichtteilsanspruch (des ungeliebten Angehörigen) dadurch auszuhöhlen, dass er sein Vermögen zu Lebzeiten verschenkt. 

Das verhindert das Gesetz jedoch durch den sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch: Ein Pflichtteilsberechtigter erhält (zusätzlich zum Pflichtteil selbst) auch einen Zahlungsanspruch in Höher seiner Pflichtteilsquote aus allem, was der Erblasser in den letzten zehn Jahren vor seinem Tod verschenkt (oder unter dem tatsächlichen Wert „verkauft“) hat.

Vorsicht Verjährung: Der Pflichtteilsanspruch verjährt innerhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist nach drei Jahren. Dies bedeutet, dass kein „Einspruch“ oder sonstige Aufforderung des Pflichtteilsberechtigten ausreicht, sondern die Klageerhebung innerhalb dieser Frist nötig gewesen ist.

Um den gesamten Verfahrensablauf sicher und rechtlich umfassend geltend zu machen, wenden Sie sich an Ihre Anwältin bzw. Ihren Anwalt.

English version:

Basically everyone can freely design his will and thus his so-called last will. This also includes the heir to determine whoever you want. However with one important restriction: German law wants to make sure that the next relatives receive at least a minimum share of the deceased's assets, in legal terms the so-called compulsory part.

This is justified with a duty of care towards these next relatives (similar to the maintenance obligation). 

Incidentally, many other jurisdictions (for example in most US states) do not have this idea of a “minimum investment in family wealth” or at least much less, the testator is widely free to arrange here. For example, a US millionaire or other wealthy testator can leave his children completely empty. In Germany this is basically not possible.

However, you do not automatically receive the aforementioned compulsory portion, as you need to “claim it” within three years. Only the closest of relatives, namely:

  • descendants (that is the umbrella term for children, both while marriage and non-marriage and adopted, grandchildren, etc.)
  • the spouse.
  • Parents (or grandparents) are only entitled to dues if no descendants (children) live (anymore).

The law allows the so-called deprivation of the compulsory portion only in exceptional cases such as attempted murder (or other crimes or attempts) or gross physical abuse by the entitled party. A bad relationship is not enough as a reason to deprive someone of the cockpit, not even complete alienation and decades of lack of contact.

A person entitled to a compulsory portion then receives half of what he would have inherited in the case of legal inheritance, that is, if no will existed. The calculation needs to be worked out very detailed by your lawyer.

However, the compulsory portion claim applies only in terms of value: compulsorily entitled persons are not co-heirs as would be the case with the legal succession without a will or testamentary disposition but only have a right to disbursement of the value in money, so they can not demand concrete objects or specific real estate. They may also not participate in the meetings of the co-heirs (unless the community of heirs explicitly allows).

The compulsory portion is due immediately (already on the day of death). Therefore, a person entitled to a compulsory portion can thus quickly force the payment of default interest by requesting payment. So that the entitled person can calculate the amount of the specific claim, the heir (or the community of heirs) is obliged to provide information – not only on a flat-rate basis but in great detail in the form of a written estate register. 

In it, every estate object is to be listed individually. The authorized person may even demand that the estate register be created by a notary (the notary fees must also be paid out of the estate, § 2314 BGB). If the entitled party still has doubts he may require the heir to provide an affidavit stating that the details in the estate register are correct and complete including gifts made within the last 10 years. 

Now a testator could come up with the idea to undermine the compulsory portion (of the unloved relatives) by giving away his fortune during his lifetime. This prevents the law, however, by the so-called compulsory supplement claim: A person entitled to a compulsory receives (in addition to the mandatory part) also a claim for payment in higher of his compulsory portion of everything that the deceased in the last ten years before his death.

Pay attention to the statute of limitation: The compulsory portion claim expires within the statutory limitation period after three years. This means that no „objection“ or other request of the entitled party is sufficient but the action before court was required within this period.

To assert the entire procedure safely and legally, contact your lawyer.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Vera Zambrano née Mueller

Beiträge zum Thema