EuGH-Generalanwalt: Kritik gegen die Schufa Score-Werte und das Speichern von Insolvenzeinträgen

  • 4 Minuten Lesezeit

 Update 28.03.2023

Sehr gute Nachrichten für Verbraucher, die von negativen Schufa-Einträgen nach einer Privatinsolvenz betroffen sind! 

Die Schufa hat am 28.03.2023 mitgeteilt, dass sie zukünftig die Daten über den Abschluss einer privaten Insolvenz  nur noch sechs Monate anstatt wie bisher drei Jahre speichern. Diese Änderung der Schufa-Praxis ist die Reaktion auf die Stellungnahme des EuGH Generalanwalts.

Mitte März 2023 hat es erste gute Nachrichten für  zahlreiche "Schufa-Betroffene" gegeben - die Erstellung sogenannter Score-Werte für die Kreditwürdigkeit durch die Schufa verstößt nach Ansicht des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof (EuGH) Priit Pikamäe gegen Europarecht. Ein weiteres Problem sieht der Generalanwalt darin, dass die Schufa Daten aus öffentlichen Verzeichnissen - wie die Register der Insolvenzgerichte - aktuell länger speichert als das öffentliche Verzeichnis selbst. So ist z.B. auf der Internetseite für Insolvenzbekanntmachungen  ein Eintrag über eine Insolvenz lediglich 6 Monate sichtbar. Bei der Schufa bleiben dagegen diese Informationen mehrere Jahre lang. Dies verstöße nach Ansicht des Generalanwalts gegen Europarecht. Das Urteil des EuGH wird in einigen Monaten erwartet. Gutachten des Generalanwalts sind für die Richter rechtlich nicht bindend. Nach unseren Recherchen sind die Richter bisher aber in ca. 75 % der Fälle den Ansichten der Generalanwälte gefolgt.

Bei Problemen mit negativen Schufa-Einträgen dürften Betroffene zukünftig deutlich bessere Chancen haben dagegen vorzugehen, so Rechtsanwalt Dimitrov.                   

Private Auskunfteien wie die Schufa oder Creditreform werden oft von verschiedenen Firmen genutzt, um eine Einschätzung der Kreditwürdigkeit einer Person oder Firma zu erhalten. Insbesondere Banken, Telekommunikationsdiensten, Vermieter sowie Energieversorger bedienen sich gern den Schufa und Creditreform Informationen.  Ein Teil dieser Informationen ist der sog. Score-Wert. Der Score-Wert soll zeigen, wie gut die Person ihre Zahlungsverpflichtungen erfüllt.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             

Score-Werte und DSGVO?

                                                                                       

Worüber entscheidet der EuGH und wie ist es dazu gekommen?  Es geht um einen Fall aus Deutschland, in dem der Kläger die Schufa aufforderte, einen Eintrag zu löschen und ihm Zugang zu den Daten zu gewähren, nachdem ihm ein Kredit verwehrt wurde. Er erhielt jedoch keine vollständige Auskunft auf sein Ersuchen - die Schufa teilte ihm nur seinen Score-Wert mit sowie allgemeine Informationen zur Berechnung. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden erkannte den relevanten Bezug zum Europarecht und legte sodann den Fall dem EuGH vor, um das Verhältnis zur europäischen Datenschutzgrundverordnung klären zu lassen.

Die Berechnungsmethode des Score-Werts wird nach einer vor Jahren ergangenen Entscheidung des BGH als ein Geschäftsgeheimnis betrachtet. 

 Die Problematik ergibt sich daraus, dass die DSGVO vorschreibt, dass Entscheidungen, die für Betroffene rechtliche Wirkung haben, nicht nur durch die automatisierte Verarbeitung von Daten getroffen werden dürfen. Der Generalanwalt ist der Ansicht, dass die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts, wie der Score-Wert, bereits eine derartige verbotene automatische Entscheidung darstellt. Somit liegt seiner Ansicht nach ein DSGVO Verstoß vor.

                                                                                                                                                                              

Wie lange darf die Restschuldbefreiung bei der Schufa gespeichert werden?

                                                                                       

In einem weiteren Fall geht es um die zulässige Speicherdauer der Daten bzgl. einer Restschuldbefreiung. Was genau ist eine Restschuldbefreiung?

Privatpersonen können sich durch eine Verbraucherinsolvenz innerhalb eines bestimmten Zeitraums von ihren Schulden befreien, auch wenn sie nicht in der Lage sind, alles zurückzuzahlen. Nach einem erfolgreichen Verfahren wird die sogenannte Restschuldbefreiung erteilt.

                                                                                           

Die Insolvenzgerichte und die Internetseite Insolvenzbekanntmachungen  machen diese Informationen öffentlich und löschen sie  nach einem halben Jahr. Die Schufa behält solche Einträge in ihrem Register allerdings bis zu drei Jahre lang. 

                                                                                     

Nach Ansicht des EuGH-Generalanwalt ist diese Praxis rechtswidrig. Denn dadurch wird das gesetzliche Ziel vereitelt. Ziel der Restschuldbefreiung ist es nämlich, dass man sich nach einer Restschuldbefreiung wieder am Wirtschaftsleben beteiligen kann. Das wird aber deutlich erschwert, wenn private Wirtschaftsauskunfteien wie die Schufa die Daten über die Insolvenz länger speichern dürfen. Ein ähnlicher Fall wird auch vom Bundesgerichtshof geprüft. Der Bundesgerichtshof wartet allerdings die richtungsweisende Entscheidung des EuGH ab.

EuGH Entscheidung - eine Gefahr für Schufa und Creditreform?

Die Entscheidung des EuGH dürfte von großer Relevanz sein für Firmen wie die Schufa oder Creditreform, denn deren Geschäftsmodell basiert zum Teil auf die Erstellung des sogenannten Score-Wertes für die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern. Und wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Ansicht des Generalanwalts folgen würde und ebenso Verstöße gegen die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und damit gegen Europarecht feststellen würde, dann müssten die Firmen ihr Geschäftsmodell schnell anpassen. 


DSGVO - mehr Rechte für die Verbraucher und mehr Regeln für Schufa und Creditreform

Seit Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Jahr 2018 haben sich die Rechte der Verbraucher und die Pflichten der Unternehmen wie Schufa und Creditreform stark verändert. Denn nach der früher geltenden Rechtslage durften Schufa und Creditreform nach Erteilung der Restschuldbefreiung die beendete Privatinsolvenz für insgesamt drei Jahren speichern und ihrer Bonitätsbewertung (Score) zugrunde legen. Die Einführung der DSGVO hat sodann einiges verändert. Artikel 17 Abs. 1 DSGVO begründet ein Recht auf Löschung und sieht eine Löschung unter anderem dann vor, wenn die Verarbeitung nicht rechtmäßig und nach dem Verarbeitungszweck nicht mehr notwendig ist oder wegen einer besonderen persönlichen Situation. Insbesondere die persönliche Situation nach einer Insolvenz ist für Verbraucher tatsächlich sehr schutzbedürftig. Nach einer erfolgreich durchgeführten Restschuldbefreiung verhindert ein negativer Schufa-Eintrag den vom Gesetzgeber gewollten Neustart des restschuldbefreiten Schuldners.

Die DSGVO stärkt also deutlich die Rechte der Verbraucher auch gegen Firmen wie die Schufa und Creditreform. Betroffene sollten sich ihrer Rechte bewusst werden und gegen rechtswidrige negative Schufa Einträge vorgehen. Oft kann man mit der Unterstützung eines Anwalts deutlich bessere Ergebnisse erzielen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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