EuGH v. 26.03.2020: Widerruf von Verbraucherdarlehen weiter möglich – Immobilien, Kfz-Leasing

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Explosives Urteil des Europäischen Gerichtshofes eröffnet für Verbraucher bei Verbraucherdarlehensverträgen neue Perspektiven 

Mit einem Paukenschlag hat der EuGH am 26.03.2020 den sogenannten „Widerrufsjoker“ wieder eingeführt. Kurz gefasst: 

In tausenden Verbraucherdarlehensverträgen (z. B. Bei Immobilienfinanzierungen, KFZ-Finanzierungen, auch Leasing), die ab 21.06.2010 geschlossen wurden, widerspricht die Widerrufsbelehrung der hierfür geltenden EU-Richtlinie. Denn die angegriffene Widerrufsbelehrung vermittelt nicht klar und prägnant, wann die Frist zur Ausübung des Widerrufsrechtes zu laufen beginnt: Im Text der Widerrufsbelehrung wird auf § 492 Abs. 2 BGB verwiesen. Dieser Verweis auf nationales Recht (Kaskadenprinzip) reicht aus, so der EuGH, die Klausel als nicht klar und prägnant zu bewerten. Zum Inhalt der unwirksamen Widerrufsbelehrung s. u.

Betroffen hiervon sind nach Schätzungen etwa 20 Millionen Verträge über Kfz-Finanzierungen und Kfz-Leasing, ebenso wie Finanzierungsverträge über Immobilien mit einem Gesamtwert von etwa 1,2 Billionen €. Die Entscheidung des EuGH betrifft grundsätzlich alle Verbraucherdarlehensverträge.

1. Relevanz für Verbraucher bei Immobilienfinanzierungen

Abgeschlossene Verbraucherdarlehensverträge können nach dieser Entscheidung weiter und noch bzw. wieder widerrufen werden. Das hat zur Folge, dass der widerrufene Vertrag von Anfang an als nicht abgeschlossen betrachtet wird. Potenzial hat diese rechtliche Möglichkeit bei Immobilienfinanzierungen vor allem dann, wenn die Finanzierung noch in der Phase höherer Bauzinsen (vor 2016) abgeschlossen wurde. Durch einen Widerruf oder auch schon durch die Mitteilung an das finanzierende Kreditinstitut, dass ein Widerruf des Darlehensvertrages beabsichtigt ist, kann der Darlehensnehmer/Bauherr/Eigentümer 

  • durch geschickte Verhandlungen mit dem bisherigen Kreditinstitut oder
  • durch eine neue Finanzierung (die auf jeden Fall mit einem anderen Kreditinstitut zum Abschluss vor Widerruf ausverhandelt sein sollte)

seine Zinsbelastung und damit die Tilgung des Kredites ganz erheblich optimieren. Wegen der aktuell äußerst niedrigen Bauzinsen ist hier ein Potenzial von mehreren 1.000,00 € bis mehreren 10.000 € für den Verbraucher im geschlossenen Darlehensvertrag vorhanden.

Verkauf einer Immobilie bei noch laufendem Darlehensvertrag:

Wollen Sie als Eigentümer einer Immobilie, die mit einem Verbraucherdarlehen finanziert wurde, diese Immobilie ohne Vorfälligkeitsentschädigung jetzt oder in nächster Zeit verkaufen, obwohl die Zinsbindungsfrist noch läuft, können Sie durch einen Widerruf der Vorfälligkeitsentschädigung komplett entgehen. Zudem ergeben sich beim Widerruf zusätzlich ganz erhebliche Zinsvorteile für die bisherige Laufzeit des Verbraucherdarlehensvertrages.

Wir beraten und vertreten Sie hierzu gern.

2. Relevanz für Verbraucher bei Kfz-Finanzierung und Leasingverträgen

Das gleiche gilt bei Darlehensverträgen von Verbrauchern zur Finanzierung von Kfz und bei Leasingverträgen. Ist die Widerrufsbelehrung rechtsfehlerhaft, ermöglicht dies den Widerruf des abgeschlossenen Finanzierungsvertrages/Leasingvertrages. Es entsteht ein sogenanntes „Rückgewähr-Schuldverhältnis“, wobei der finanzierte oder geleaste Gegenstand (Pkw) zurückgegeben werden kann und lediglich für die Dauer der Nutzung ein Nutzungsentgelt zu bezahlen ist. Dieses Nutzungsentgelt ist in den allermeisten Fällen weitaus geringer als die vereinbarten Finanzierungsraten oder Leasingraten. Interessant kann dieser Weg, sich vom Vertrag zu lösen, gerade im Zusammenhang mit der (Diesel)Abgasproblematik sein: Wer sich von seinem Fahrzeug nicht über die Argumentation, es habe einen Mangel, trennen konnte oder auch den Ablauf der Verjährung verpasst hat, bekommt mit dem Urteil des EuGH eine neue Chance, das Fahrzeug zurück zu geben.

Es gilt trotzdem: Gehen Sie bei allen Schritten rechtlich sicher und planvoll vor. Wir prüfen Ihre Finanzierungsverträge und Leasingverträge, beraten und vertreten Sie hierzu. Je nachdem, welche Interessen und Ziele unsere Mandanten mit einem denkbaren Widerruf verfolgen, verhandeln wir hieran orientiert für unsere Mandanten mit den Kreditinstituten, Banken und Sparkassen.

Oftmals besteht eine Rechtsschutzversicherung, die für den Fall eintreten muss. Wir stellen als Serviceleistung die Deckungsanfrage beim Rechtsschutzversicherer und kümmern uns um die Abwicklung des Rechtsschutzfalles. In den Fällen, in denen keine Rechtsschutzversicherung deckt, werden die entstehenden Rechtsanwaltskosten oft bei weitem durch die erlangten (Zins-) Vorteile kompensiert.

Ihre

STRAUBE LANGER | Rechtsanwälte Fachanwälte

Martin Straube

Rechtsanwalt

Zu Ihrer Information:

Der Text der vom EuGH als der einschlägigen EU-Richtlinie widersprechenden Widerrufsbelehrung lautete wie folgt:

Widerrufsrecht

Der Darlehnsnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehnsnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, Angaben zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“



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