EuGH-Verfahren zur Restschuldbefreiung: Termin zur Urteilsverkündung bekanntgegeben

  • 3 Minuten Lesezeit

In den Rechtssachen C-26/22 und C-64/22  hat der Generalanwalt Pikamäe am 16.03.2023 seine Schlussanträge zum Thema Speicherung der Restschuldbefreiung verkündet. Klagegegner ist das Land Hessen als Träger der Aufsichtsbehörde. Die Schufa Holding AG ist in dem Verfahren beigeladen. Der Generalanwalt bestätigt die Rechtsauffassung der Kanzlei AdvoAdvice nahezu vollständig. Nunmehr wurde das Datum für die Urteilsverkündung bekannt gegeben.

Um was geht es in den Verfahren?

In den beiden Verfahren vor dem EuGH werden zentrale Fragen des Datenschutzrechts im Bereich Auskunfteien und Aufsichtsbehörden entschieden. Grundlegend lassen sich drei verschiedene Fragen herausarbeiten:

  1. Unterliegt eine verbindliche Entscheidung einer Datenschutzbehörde der vollen gerichtlichen Kontrolle?
  2. Darf das Merkmal der Restschuldbefreiung bei einer Auskunftei wie der SCHUFA überhaupt und wenn ja, ggf. länger als im öffentlichen Verzeichnis gespeichert werden?
  3. Bindet ein Verhaltenskodex die Aufsichtsbehörden und Gerichte?

Die Kanzlei AdvoAdvice hatte zu allen drei Fragekomplexen eine klare Haltung. Rechtsanwalt Dr. Raphael Rohrmoser verhandelte zusammen mit seinem Kollegen Dr. Sven Tintemann die Fragen daher im Januar 2023 vor dem europäischen Gerichtshof in Luxemburg.

Der Generalanwalt verkündete seine Schlussanträge sodann am 16.03.2023 (ausführlicher dazu hier).

Die Position des Generalanwalts war sehr klar und umfassend auf der Seite der Betroffenen. So hieß es zu den drei Fragen:

  1. "Dies vorausgeschickt,scheint mir klar zu sein, dass dieser Handlungsspielraum nicht dahin ausgelegtwerden kann, dass die Aufsichtsbehörde über eine unbegrenzte Befugnis verfügtund sie ermächtigt, willkürlich zu handeln." (Rn. 42)
  2. "Dieses Ziel [des wirtschaftlichen Neuanfangs] würde jedoch vereitelt, wenn private Wirtschaftsauskunfteien berechtigt wären, personenbezogene Daten in ihren Datenbanken zu speichern, nachdem diese Daten aus dem öffentlichen Register gelöscht wurden." (Rn. 75)
  3. "Rechtlich stellen solche Verhaltensregeln nur eine freiwillige Verpflichtung derjenigen dar, die sie ausgearbeitet und angenommen haben, d. h. des genannten Verbands und seiner Mitglieder." (Rn. 99)

Was passierte nach den Schlussanträgen des Generalanwalts?

Zunächst war der Bundesgerichtshof am Zug, da dieser sich ebenfalls mit den Fragen auseinandersetzen muss. Ca. zwei Wochen nach den Schlussanträgen des Generalanwalts verkündete der BGH jedoch, dass die Fragen ausgesetzt werden, bis die Entscheidung des EuGH bekannt gegeben ist.

Noch am gleichen Tag gab die Schufa Holding AG bekannt, dass in den kommenden Wochen alle negativen Einträge zu Restschuldbefreiungsverfahren, welche älter als sechs Monate sind, gelöscht werden. Damit wurden schlagartig ca. 250.000 betroffene Personen entlastet. Allerdings will die Schufa Holding AG bislang nicht von der Speicherung der weiteren Insolvenzmerkmale abrücken, auch wenn die Löschung in Einzelfällen durch die Kanzlei AdvoAdvice durchgesetzt werden konnte.

Die anderen Auskunfteien wie die Creditreform und die Infoscore folgten dem Kurs der Schufa Holding AG nicht unmittelbar. In der Zwischenzeit werden nach hiesigen Informationen Daten über Restschuldbefreiungsverfahren nicht länger als sechs Monate verarbeitet. Die Auskunfteien halten aber auch an den weiteren Merkmalen fest.

Es gab in der Zwischenzeit aber erste Urteile, die die Löschung der anderen Merkmale eines Insolvenzverfahrens, also z.B. die Aufhebung des Verfahrens nach Bestätigung eines Insolvenzplans, anordneten (LG Münster, Urt. v. 04.07.2023 – 016 O 238/22).

Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen und wie geht es dann weiter?

Der EuGH hat die beteiligten Rechtsanwälte informiert, dass ein Termin für die Urteilsverkündung auf Donnerstag, den 07.12.2023, angesetzt ist. Die Veröffentlichung im Gerichtskalender wird wohl bald erfolgen.

Das Urteil ist der entscheidende Schritt, um Klarheit bei den vielfältigen Rechtsfragen zu schaffen. Danach werden die Verfahren vor dem nationalen Gericht – hier also dem Verwaltungsgericht Wiesbaden – fortgesetzt. Spannend wird dann aber zu sehen sein, wann der BGH sich mit der Sache befasst, um ggf. eine endgültige Klärung der Rechtsfragen für die nationale Ebene herbeizuführen.

Sollten Sie in der Zwischenzeit noch Hilfe bei der Löschung des Merkmals der Restschuldbefreiung oder anderer Insolvenzmerkmale benötigen, können Sie sich gerne unter 030 / 921 000 40 oder info@advoadvice.de an unsere Kanzlei wenden. Gerne klären wir die Kostenfrage im Anschluss an eine kostenfreie Ersteinschätzung mit Ihnen sowie einer hoffentlich vorhandenen Rechtsschutzversicherung ab.


Foto(s): AdvoAdvice

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Raphael Rohrmoser

Beiträge zum Thema