EuGH verurteilt Deutschland wegen zu hoher Stickstoffdioxid-Werte

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Weil in zahlreichen deutschen Städten die Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) überschritten wurden, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) Deutschland verurteilt. Die Bundesrepublik habe in den Jahren 2010 bis 2016 gegen EU-Recht verstoßen. Die höchsten EU-Richter in Luxemburg folgten mit dieser Entscheidung der Europäischen Kommission, die Deutschland verklagt hatte. Was bedeutet das EuGH-Urteil für Deutschland?

Die Grenzwerte für Stickoxide wurden 2008 von der EU beschlossen und gelten seit 2010. Das Jahresmittel für Stickstoffdioxid darf demnach nicht über 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen. Doch Deutschland hat in 26 deutschen Städten jahrelang keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, um die Überschreitung des Jahresmittelwerts für NO2 zu reduzieren. Das Ausmaß der Überschreitungen sei in den meisten Gebieten beträchtlich gewesen, so der EuGH. Der oberste europäische Gerichtshof gibt deshalb jetzt einer Vertragsverletzungsklage der EU-Kommission statt (C-635/18). Die Weigerung der Bundesregierung, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um den Grenzwert so schnell wie möglich einzuhalten, sei nicht hinnehmbar, so die Richter.

Die EU-Kommission hat 2018 neben Deutschland auch Frankreich und Großbritannien verklagt, die ebenfalls die Grenzwerte nicht eingehalten haben. Gemäß EU-Recht müssen solche Überschreitungen so schnell wie möglich beendet werden. Die Luxemburger Richter wiesen darauf hin, dass die betreffenden Länder zehn Jahre lang genügend „letzte Chancen“ gehabt.

Nicht rechtzeitig geeignete Maßnahmen ergriffen

Die Überschreitungen allein hätten nicht zu einer Verurteilung geführt, betonten die Richter. Deutschland habe allerdings offenkundig „nicht rechtzeitig geeignete Maßnahmen getroffen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickoxide in den 26 in Rede stehenden Gebieten so kurz wie möglich gehalten wird". Zu den betroffenen Städten zählen Berlin, Hamburg, München und Stuttgart.

Deutschlands hatte argumentiert, die EU-Kommission habe durch maßgebliche eigene Versäumnisse bezüglich der gültigen Schadstoffnorm Euro 5 für Dieselautos zum Missstand beigetragen. Doch das ließen die Richter nicht gelten. Kraftfahrzeuge seien nicht die einzige Ursache für erhöhte Stickstoffdioxid-Werte. Deshalb könnten die europäischen Regeln für Kraftfahrzeuge nicht als Ausrede herhalten. Die Grenzwerte für Luftschadstoffe müssten in jedem Fall eingehalten werden.

Mit dem Urteil sind vorerst keine Strafen verbunden. Falls Deutschland die Stickoxid-Grenzwerte weiterhin überschreitet, kann die EU-Kommission Zwangsgelder beantragen. Erst nach einem erneuten Antrag vor Gericht könnten dann Strafzahlungen anfallen. Seit der Corona-Pandemie hat sich die Luftqualität in deutschen Städten allerdings verbessert: Während 2016 laut dem Bundesumweltministerium noch 90 Städte die Grenzwerte überschritten haben, waren es 2019 noch 25 Städte und 2020 nur noch sechs – darunter Hamburg und München.

Bei der Luftverschmutzung spielen die Emissionen älterer Dieselfahrzeuge eine Schlüsselrolle, so eine EU-Kommissionssprecherin. Bei der Wahl der Mittel für saubere Luft hätten die EU-Staaten freie Hand, die Maßnahmen müssten allerdings wirksam sein und das Problem schnell beheben. Deshalb müssten die Länder die wichtigsten Ursachen der Emissionen angehen, um Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Bürger zu treffen.

Deutsche Umwelthilfe sieht weiteren Handlungsbedarf

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) begrüßt die Entscheidung des EuGH: Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch erklärt dazu, das höchste europäische Gericht habe mit seinem Urteil die Rechtsauffassung der DUH bestätigt, „dass Deutschland seit über zehn Jahren systematisch und vorsätzlich europäisches Recht gebrochen hat“. Die Bundesregierungen hätten seit 2010 bewusst eine Politik gegen die Menschen im Land betrieben und ihre Verpflichtung zur Luftreinhaltung ignoriert.

Nach Berechnungen der Europäischen Umweltagentur seien seitdem allein in Deutschland hunderttausende Menschen an den Folgen zu hoher Luftbelastung gestorben. In dem EuGH-Urteil sieht er eine „schallende Ohrfeige für die Diesellobbyisten auf der Regierungsbank" und fordert schnelle Konsequenzen wie die schnelle Umwidmung von Straßenflächen in geschützte Radwege und eine Stilllegung oder Hardware-Nachrüstung der knapp zehn Millionen „Betrugs-Diesel".

Was bedeutet das Urteil des EuGH für Dieselfahrer?

Nach dem EuGH-Urteil steht fest, dass die EU-Kommission künftig mehr Druck machen kann. Städte wie München und Stuttgart müssen jetzt kurzfristige Maßnahmen ergreifen, damit die NO2-Grenzwerte eingehalten werden und sich die Luftqualität in deutschen Ballungsräumen verbessert. Auch wenn in nächster Zeit keine Strafzahlungen zu erwarten sind, kann es für Deutschland künftig teuer werden, wenn die Maßnahmen für die Luftreinhaltung jetzt nicht zügig umgesetzt werden.

Für Besitzer von Dieselfahrzeugen bedeutet das Urteil, dass sie jetzt zügig handeln müssen – bevor weitere Fahrverbote oder Stilllegungen drohen. Betroffene können ihren Betrugsdiesel zurückgeben und Schadensersatz vom Hersteller verlangen. Die Verbraucherrechtsanwaltskanzlei VON RUEDEN bietet Ihnen dazu eine kostenlose Erstberatung. Unsere erfahrenen Rechtsanwälte beraten Sie gern individuell zu Ihren Ansprüchen und unterstützen Sie bei der Durchsetzung Ihrer Rechte. Wir sind auch unter der 030 – 200 590 770 und unter info@rueden.de für Sie erreichbar.

Foto(s): Adobe Stock


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