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Fahrgastrechte - De Zoch kütt... nit!

  • 5 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion
Ob Gleisbau, Weichenausfall, Zugnachrüstung, Oberleitungsschaden - nicht selten herrscht Chaos auf der Schiene. Die Leidtragenden sind in erster Linie die Fahrgäste. Um bei Verspätungen oder Zugausfall ihre Rechte zu stärken, hat der Gesetzgeber nun das Fahrgastrechtegesetz verabschiedet. Rechtzeitig zur Sommerreisezeit informiert die Redaktion von anwalt.de, welche Ansprüche Bahnkunden zustehen, wenn sich ihr Zug verspätet oder ganz ausfällt.

[image]Überblick Fahrgastrechtegesetz

Am 15. Mai 2009 hat jetzt auch der Bundesrat dem neuen Fahrgastrechtegesetz zugestimmt, das auf der EU-Verordnung EG Nr. 1371/2007 basiert und bereits rechtzeitig zur Reisesaison die Rechte von Fahrgästen stärkt, die mit der Bahn unterwegs sind. Insbesondere bei Zugausfällen und Verspätungen sollen Bahnfahrer mehr Rechte erhalten, die von einer besseren Information bis hin zu Entschädigungsansprüchen reichen und sowohl für den Fernverkehr als auch den Nahverkehr (d.h. Fahrten im 50-km-Umkreis und mit einer Reisezeit von nicht mehr als einer Stunde) gelten. Mit dieser Neuregelung soll die Bahn darüber hinaus zu mehr Pünktlichkeit angehalten werden.

Pauschalerstattungen bei Verspätungen

Bei erheblichen Verspätungen können Fahrgäste zukünftig eine prozentuale Erstattung des Fahrpreises verlangen, wobei die Höhe der Fahrpreiserstattung von der Verspätung abhängig ist. Entscheidend für die Verspätung ist hierfür der tatsächliche Ankunftszeitpunkt am ursprünglichen Zielbahnhof. Daher kommt bereits bei einer relativ geringen Verspätung die Erstattungspauschale in Betracht, wenn man wegen der Zeitverzögerung einen wichtigen Anschlusszug verpasst. Die Fahrpreiserstattung muss die Bahn auf Verlangen des Fahrgastes in bar auszahlen.

Im Einzelnen berechnet sich die Erstattung des Fahrpreises wie folgt: Ab einer Verspätung von 60 Minuten werden 25 Prozent erstattet. Bei einer Verspätung ab zwei Stunden erhöht sich die Erstattungssumme auf 50 Prozent. Zusätzlich zu der Erstattung ist die Bahn im Fernverkehr verpflichtet, bei Verspätungen ab einer Stunde den Fahrgästen während der Zugfahrt kostenlos Erfrischungen zu reichen. Bei Verspätungen von mindestens 60 Minuten sind zudem die Kosten für eine Hotelunterkunft von der Bahn zu übernehmen, wenn die Übernachtung im Hotel wegen der Verspätung erforderlich ist.

Information der Fahrgäste

Darüber hinaus haben Fahrgäste bei Verspätungen und Zugausfall einen Informationsanspruch gegenüber der Bahn. Die Bahn muss die Fahrgäste bereits beim Verkauf der Fahrkarten über die ihnen aufgrund des Fahrgastrechtegesetzes zustehenden Rechte informieren, wobei dies auch durch Aushang oder in anderer geeigneter Form geschehen kann.

Wer mit der Bahn unterwegs ist, möchte oft möglichst frühzeitig über eine Verspätung oder einen Zugausfall informiert sein, um z.B. Angehörigen und Geschäftspartnern mitzuteilen, dass man sich verspätet. Diesem Bedürfnis kommt jetzt das Fahrgastgesetz ebenfalls entgegen und sieht eine entsprechende Informationspflicht während der Zugfahrt vor. Zudem muss auch über den nächsten Haltebahnhof, die Sicherheit und Dienstleistungen im Zug informiert werden.

Sonderregeln für Zeitfahrkarten

Die oben genannten Pauschalen stehen nur Inhabern von regulären Tickets zu. Sondervorschriften sind für Inhaber von Zeitfahrkarten vorgesehen, wie etwa die Bahncard 100. Zwar gelten hier die Pauschalerstattungspreise nicht, allerdings steht auch ihnen eine angemessene Entschädigung bei wiederholten Verspätungen zu, die von der Bahn in den Beförderungsbedingungen aufzunehmen ist.

Zugwechsel im Nahverkehr

Mit dem neuen Gesetz wurden insbesondere die Rechte von Fahrgästen im Personennahverkehr erheblich verbessert: Sie können bei Zugausfällen und Verspätungen auf andere Verkehrsmittel ausweichen. Als Aufwendungsersatz ist eine Pauschale bis zu maximal 80 Euro vorgesehen. Achtung: In Hinblick auf den Aufwendungsersatz für Fahrtkosten anderer Verkehrsmittel ist eine Bagatellgrenze vorgesehen, d.h. erst ab 4 Euro Aufwendungsersatz ist die Bahn erstattungspflichtig.

Das Umsteigen auf eine andere Zugverbindung ohne Aufpreis ist ab einer Verspätung von 20 Minuten möglich, so dass Fahrgäste dann auch eventuell auf Fernverkehrszüge wechseln können, wie etwa IC und ICE. Ausgenommen sind lediglich Zugverbindungen, für die eine Reservierungspflicht besteht, z.B. ICE Sprinter, City Night Line. Bei Verspätungen von mehr als 60 Minuten kann der Fahrgast auf die Zugfahrt verzichten oder mit einem anderen Zug seine Reise zu einer anderen Zeit fortsetzen.

Besonders lästig sind Zugverspätungen zur Nachtzeit, wenn man am Bahnhof ankommt und der letzte Anschlusszug schon weg ist. Doch auch diese Fälle hat der Gesetzgeber berücksichtigt. Bei fahrplanmäßigen Ankunftszeiten von 0.00 Uhr bis 5.00 Uhr kann man auf ein Taxi umsteigen, wenn keine anderen preisgünstigeren Verkehrsmittel zur Verfügung stehen oder man den letzten Zug verpasst hat. Die Bahn muss dann bis zu dem Maximalbetrag von 80 Euro die Taxikosten erstatten.

Verspätung im Verantwortungsbereich der Bahn

Allerdings wird die Bahn im Bereich des Nahverkehrs nur erstattungspflichtig, wenn die Verspätung in ihrem Verantwortungsbereich liegt und nicht auf betriebsfremden Umständen beruht, die unvorhersehbar und unvermeidbar waren, vom Reisenden verschuldet sind oder von einem Dritten verursacht wurden. Achtung: Bietet ein Unternehmen Eisenbahninfrastruktur (z.B. Schienen) an, so gilt es nicht als „Dritter" im Sinne des Gesetzes, für Verspätungen in dessen Verantwortungsbereich muss die Bahn gerade stehen.

Rechte von behinderten Menschen, Vorschuss bei Personenschäden

Weitere Regelungspunkte des Fahrgastrechtegesetzes waren Verbesserungen für Menschen mit eingeschränkter Mobilität. Zukünftig müssen ihnen Bahnhof, Bahnsteig, andere Einrichtungen und auch Züge zugänglich sein. Wurde zuvor der Unterstützungsbedarf angemeldet und ist genug Personal vorhanden, muss den Betroffenen kostenlose Hilfe beim Ein- und Ausstieg geleistet werden.

Sollte ein Unfall passieren und Personen zu Schaden kommen, so muss die Bahn nun in Vorschuss treten. Bei Tod oder Verletzung einer Person ist die Bahn zukünftig verpflichtet, dem Verletzten oder seinen Angehörigen einen angemessenen Vorschuss zu zahlen, so dass sie die unmittelbaren wirtschaftlichen Bedürfnisse des Geschädigten decken können. Bei Tod des Geschädigten muss dieser Vorschuss mindestens 21.000 Euro betragen. Hinweis: Tritt die geplante EU-Richtlinie am 03.12.2009 in Kraft, gelten darüber hinaus auch neue EU-weite Haftungs- und Entschädigungssummen bei Personenschäden, so dass in allen Mitgliedstaaten mindestens eine Haftungssumme von ca. 200.000 Euro gilt.

Qualitätsstandards und Schlichtungsstelle

Eisenbahnunternehmen, die Fernverkehrstrecken anbieten, sind des weiteren zur Aufstellung von bestimmten Qualitätsstandards verpflichtet worden, die regelmäßig überprüft werden müssen. Die Standards beziehen sich nicht nur auf Zugverspätungen und -ausfälle, sondern auch auf Information, Fahrkarten, Sauberkeit, Kundenbefragung und auch die oben erwähnten Hilfeleistungen für Personen mit eingeschränkter Mobilität.

Beschwerden von Fahrgästen können bei der Beschwerdestelle des Eisenbahnunternehmens eingereicht werden, die zügig über die Beschwerde entscheidet. Beschwerden müssen innerhalb eines Monats, bzw. innerhalb von spätestens drei Monaten beschieden werden, wenn der Kunde davon unterrichtet worden ist. Unabhängig davon sollen Bahnkunden bei Streitigkeiten mit dem Eisenbahnunternehmen in Zukunft das Recht haben, eine neutrale Schlichtungsstelle anzurufen. 

Das Fahrgastrechtegesetz tritt am 29.07.2009 in Kraft.

(WEL)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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