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Fahrgemeinschaft auf Umwegen: kein Versicherungsschutz?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Vor allem aus Kostengründen werden immer wieder Fahrgemeinschaften gebildet. Gemäß § 8 II Nr. 2b Siebtes Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind solche Fahrten von Beschäftigten von und zur Arbeit unfallversichert. Private Umwege dagegen lassen den Versicherungsschutz entfallen. Doch verlieren sämtliche Kfz-Insassen automatisch den Versicherungsschutz, wenn der Fahrer einen privaten Umweg nimmt?

Beifahrer schläft während der Fahrt ein

Nach getaner Arbeit nahm ein Beschäftigter drei Kollegen zwecks Heimreise in seinem Kfz mit. Auf der Autobahn äußerten zwei Kollegen den Wunsch, bei der nächsten Raststation eine kurze Pause einzulegen, um Getränke zu kaufen. Der Fahrer erklärte sich hiermit einverstanden und lenkte seinen Wagen auf die betreffende Ausfahrt zu.

Der vierte Fahrzeuginsasse hatte von dieser Unterredung nichts mitbekommen – er war nämlich längst auf dem Beifahrersitz eingeschlafen und wachte erst auf, als der Pkw gegen eine Schutzplanke und danach gegen einen Lkw-Anhänger prallte. Er war der Ansicht, dass ein Arbeitsunfall vorlag, und verlangte von der zuständigen Berufsgenossenschaft den Ersatz des ihm entstandenen Schadens. Die hielt sich aber nicht für einstandspflichtig – schließlich sei der Unfallversicherungsschutz aufgrund des Umwegs auf die Raststätte für jeden der Fahrzeuginsassen entfallen. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.

Arbeitsunfall trotz Umweg

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen verpflichtete die Berufsgenossenschaft zur Zahlung.

Besonderheiten bei der Fahrgemeinschaft

Die Unfallversicherung wird einstandspflichtig, wenn Beschäftigte im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit einen Schaden erleiden, sog. Arbeitsunfall. Auch der direkte Weg von und zur Arbeit ist daher unfallversichert. Das gilt selbst dann, wenn sich mehrere Beschäftigte zu einer Fahrgemeinschaft zusammenschließen und der Fahrer Umwege fahren muss, um die Mitinsassen zu Hause oder an einem entsprechenden Ort abzusetzen. Diese Umwege sind dann schließlich noch immer beruflich veranlasst.

Private Umwege dagegen – also z. B. die Fahrt zu einem Supermarkt, einem Restaurant oder einer Autobahnraststätte – unterbrechen den Versicherungsschutz, bis der eigentliche Heimweg wieder aufgenommen wird.

Macht eine Fahrgemeinschaft einen privaten Umweg, muss für jeden Teilnehmer einzeln geprüft werden, ob er diesen Umweg machen wollte oder nicht. Es kann also passieren, dass ein Teilnehmer Versicherungsschutz genießt, der andere dagegen nicht, obwohl beide in demselben Fahrzeug sitzen. Das wäre z. B. der Fall, wenn Beschäftigte sich auf den Heimweg machen und ein Teil der Insassen samt Fahrer spontan beschließt, gemeinsam essen zu gehen. Die anderen Teilnehmer, die eigentlich nach Hause möchten, können z. B. auf einer Autobahn nicht einfach aussteigen und sich ein Taxi rufen, sondern müssen den Umweg ebenfalls in Kauf nehmen. Sie haben also keinen Einfluss auf die Wegeabweichung – es wäre daher unbillig, für sie ebenfalls den Versicherungsschutz entfallen zu lassen.

Umweg weder gewollt noch bekannt

Vorliegend hatte der Beifahrer geschlafen, als seine Kollegen beschlossen, auf die Raststätte zu fahren. Er war somit an der Entscheidung, ob ein Umweg eingelegt wird oder nicht, nicht beteiligt, sondern wollte nach wie vor so schnell wie möglich nach Hause. Vor dem Einnicken gab es für ihn auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Fahrer von seinem ursprünglichen Ziel abweichen würde. Er hatte den Umweg somit nicht gewollt und erst von ihm erfahren, als es bereits zu spät war – nämlich zum Zeitpunkt des Unfalls. Dieser stellte somit für den schlafenden Beifahrer einen versicherten Arbeitsunfall dar – die Unfallversicherung musste daher Schadenersatz leisten.

Fazit: Der direkte Weg von oder zur Arbeit ist unfallversichert. Umwege dagegen unterbrechen diesen Versicherungsschutz. Anderes kann bei Fahrgemeinschaften gelten. Passiert hier während eines Umwegs ein Unfall, muss für jeden Kfz-Insassen geprüft werden, ob er mit dem Umweg tatsächlich einverstanden war. Wollte ein Teilnehmer der Fahrgemeinschaft eigentlich nur nach Hause, ist er unfallversichert, obwohl er sich auf „Abwegen“ befand.

(LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 30.09.2015, Az.: L 3 U 109/13)

(VOI)

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