FIFA-Urteil: Fußballerinnen haben auch in der Schwangerschaft Anspruch auf Vergütung!

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Der Mutterschutzlohn ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Arbeitsrechts für erwerbstätige werdende Mütter. Relevant wird dieser vor allem dann, wenn die schwangere Arbeitnehmerin Tätigkeiten ausübt, bei der ein hohes Gefährdungsrisiko für das ungeborene Kind besteht.

Ist man Fußballerin, wie die isländische Fußballspielerin Sara Björk Gunnarsdottir, stellt diese Tätigkeit schon in einem frühen Schwangerschaftsstadium eine hohe Gefährdung dar. In einem solchen Fall bezieht man für einen verhältnismäßig langen Zeitraum Mutterschutzlohn. Dies ist jedoch kein Argument dafür, das durchschnittliche Gehalt zu kürzen, wie es der Verein von Gunnarsdottir - Olympique Lyonnais - tat. Gunnarsdottir klagte daraufhin gegen ihren Arbeitgeber und gewann. Das Fußballgericht der FIFA hat ihr 82.094,82 EUR zzgl. 5 % Zinsen zugesprochen, was ihr Arbeitgeber ihr zuvor verweigert hatte.


Der Sachverhalt:

Die Isländerin Gunnarsdottir ist angestellte Fußballerin bei dem französischen Verein. Als sie im Frühling 2021 ihre Schwangerschaft verkündete und der Arzt ihr infolge ihrer Schwangerschaft ein Beschäftigungsverbot ausstellte, einigte sie sich mit ihrem Arbeitgeber darauf, die restliche Schwangerschaft in ihrem Heimatland Island verbringen zu dürfen. Dies sollte für sie nicht ohne Folgen bleiben, denn schon im April 2021 kürzte der Verein ihr Gehalt. Die entscheidende Regelung, über die sich die Parteien stritten, ist Art.18quarter Nr.4 des Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern (Stand: März 2022).


Das finale Urteil des Gerichts:

Das Gericht entschied nun, dass im konkreten Fall die Voraussetzungen des Art. 18quarter Nr.4 lit. b) gegeben sind und der Klägerin daher die ungekürzte vertraglich vereinbarte Vergütung zusteht. Wegen der ärztlichen Bescheinigung war die Klägerin zwar nicht mehr in der Lage, bei ihrem Verein weiterhin ihrer sportlichen Arbeit nachzugehen, sodass Art.18quarter Nr.4 lit. a) nicht einschlägig ist. Allerdings hätte im vorliegenden Fall durchaus die Möglichkeit bestanden, sie für andere Tätigkeiten innerhalb des Vereins einzusetzen. Die Beklagte verwies darauf, dass die Klägerin ausdrücklich den Wunsch äußerte, die restliche Schwangerschaft in ihrem Heimatland zu verbringen und damit kein Interesse an einer anderen vereinsbezogenen Tätigkeit hatte. Dem hielt das Gericht jedoch entgegen, dass den Verein im Falle des Art. 18quarter Nr. 4 lit. b) die Obliegenheit und die Verantwortung treffen, der betroffenen Fußballerin entsprechende Angebote darzulegen und sie transparent über die Konsequenzen bei einer Nichtannahme, in diesem Fall eine Reise in das Heimatland, aufzuklären. Dies sei vorliegend nicht geschehen. Vielmehr hat die Arbeitnehmerin hier im Laufe der Zeit selbst das Angebot gemacht, auf andere Weise für den Verein tätig zu werden. Insbesondere ist zu bemerken, dass der Verein die Arbeitnehmerin in ihrem Reisewunsch bekräftigt hat und sie gerade nicht auf die daraus resultierenden Folgen hingewiesen hat. Dies ist aber das Minimum, was von der Beklagten zu erwarten gewesen wäre.


Bedeutung des Urteils für schwangere Fußballerinnen:

Das Fußballgericht der FIFA hat in diesem Verfahren erstmals über die Anforderungen von Art. 18quarter Nr.4 lit. b) entschieden. An diese Regelung sind die Fußballvereine auf der gesamten Welt gebunden, unabhängig davon, ob die Statuten explizit in den Vertrag einbezogen sind oder nicht.

Das Mutterschutzgesetz:

In Deutschland gilt darüber hinaus das Mutterschutzgesetz (MuSchG). Dieses schreibt in § 18 Satz 1 MuSchG vor, dass eine Frau auch dann ihr Durchschnittsgehalt der letzten 13 Monate von Ihrem Arbeitgeber erhält, wenn sie infolge eines Beschäftigungsverbots im Sinne des § 16 Abs. 1 ganz oder teilweise mit der Arbeit aussetzen muss. Entscheidend hierfür ist jedoch, dass der Arbeitsausfall der Schwangeren allein auf dem Beschäftigungsverbot beruht und nicht auf einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Letzteres erfasst Krankheiten, die infolge der Schwangerschaft entstehen (wie z.B. Thrombose oder Schwangerschaftsdiabetes). Dann richtet sich die Fortzahlung des Gehalts nicht mehr nach dem Mutterschutzlohn gem. § 18 Abs. 1 MuSchG, sondern nach § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz, welcher die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestimmt. Dieser hat den Nachteil, dass der Arbeitgeber nur sechs Wochen lang dazu verpflichtet ist, den Lohn in voller Höhe auch bei Nichtarbeit zu zahlen. Danach hat der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Krankengeld gegenüber der Krankenkasse nach §§ 44 ff. SGB V. Welcher Anspruch einer Schwangeren zusteht, richtet sich nach dem Attest des Arztes. Sollte dieser eine krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und zusätzlich ein Beschäftigungsverbot bescheinigen, entfällt der Anspruch auf den Mutterschutzlohn dennoch.

Zu berücksichtigen ist zudem, dass der Mutterschutzlohn nur dann vom Arbeitgeber gewährt wird, soweit sich die Frau nicht schon voll in Elternzeit befindet. Dann steht der Mutter kein Mutterschutzlohn nach § 18 MuSchG zu, sondern Mutterschaftsgeld von der Krankenkasse nach § 19 MuSchG.

Zuweisung einer Ersatztätigkeit bei einem Beschäftigungsverbot:

Je nach Art der Tätigkeit der schwangeren Arbeitnehmerin kann der Arbeitgeber dieser im Falle eines Beschäftigungsverbots auch eine andere zumutbare Tätigkeit zuweisen. Diese muss vom Arbeitgeber aber hinreichend konkretisiert sein und darf keine negativen finanziellen Auswirkungen für die schwangere Arbeitnehmerin haben.  

Voraussetzung ist die Anwendbarkeit des deutschen Rechts:

Voraussetzung für einen Anspruch nach dem Mutterschutzgesetz ist selbstverständlich, dass das deutsche Recht auf den Arbeitsvertrag überhaupt Anwendung findet. Dies kann gerade auf dem Gebiet des Fußballs, der mittlerweile von Internationalität geprägt ist, variieren und ist einzelfallabhängig. Bei Fußballerinnen, die bei einem deutschen Verein spielen, ist grundsätzlich deutsches Recht anwendbar, vgl. Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO. Im Einzelfall kann es vorkommen, dass die Parteien eine eigene Rechtswahl getroffen haben, was in Grenzen möglich ist, vgl. Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO, und somit ein anderes nationales Recht Anwendung findet.


Auswirkungen des Urteils auf die deutsche Rechtslage:

Das Urteil des Fußballgerichts der FIFA hat folglich für Fußballerinnen, auf deren Arbeitsverträge das deutsche Recht anwendbar ist, keine neuen Vorteile geschaffen. Der deutsche Mutterschutz ist im internationalen Vergleich sehr weitreichend. Daher dürfte dieses Urteil vor allem für die Fußballerinnen relevant sein, deren Arbeitsverträge nicht dem deutschen Recht unterliegen.


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