Gewalt im Sport: wenn der Coach zum Täter wird

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Körperliche und seelische Gewalt, aber auch Mißbrauch und sexualisierte Gewalt sind im Sport keine Seltenheit. 

Die Täter: Coaches und Trainer, denen Kinder und Jugendliche, junge Erwachsene und vielversprechende Sporttalente anvertraut worden sind, um diese zu sportlichen Höchstleistungen zu bringen. 

Bislang schützen Vereine, Aufsichtsorgane und Institutionen die Täter: man spricht wie bei der Kirche von einem Täterschutz durch das "System".

Neu ist, dass dieses Tabu im Sport immer öfter von prominenten Athleten gebrochen wird (zuletzt im Sommer 2022 vom Weltklasse Schwimmer Jan Hempel in der ARD Dokumentation), auch durch #MeToo unterstützt. Dabei ist dies ganz und gar kein Frauenthema - auch dies hat die Erfahrung mit dem "System" Kirche gezeigt.

Und: dass es erstmals auch unabhängige Studien, breite Inititativen für Opferschutz und Präventions-Machbarkeitsgutachten gibt.

Wir alle erleben gerade am aktuellen Beispiel der Fußball Weltmeisterschaft, dass es beim Sport immer öfter oder auch schon längst nicht mehr um ein faires Miteinander, Gesundheit, Teamgeist, Freude und Emotionen geht: Es geht um Punkte, Rankings, Konkurrenz und am Ende eben schlicht um Geld, Macht und Einfluss. 

Auf der Strecke bleiben die Sportler - wenn Vereine, Funktionäre, Trainer und Coaches das "Geschäft Sport" betreiben und dabei vor allem ihre eigenen Interesse im Fokus haben.

Im Leistungssport heißt das konkret, dass für die Sportkarriere von allen jungen Sportler allein in Deutschland (so eine Studie aus 2016)

  • 89 % psychische Gewalt erlebt haben
  • 33 % sexualisierte Gewalt erfahren haben
  • 29 % körperlicher Gewalt ausgesetzt waren

Übergriffe im Sport-Internat kommen hinzu, ebenso gewaltsame Übergriffe anderer Sportler sowie das "übliche" Gewaltrisiko. Im Breitensport sieht es ähnlich aus.

Das Bundesinnenministerium hat nun im Frühjahr 2022 eine sogenannte Machbarkeitsstudie für Gewalt-Prävention im Sport in Deutschland nach dem Vorbild der Schweiz und den USA vorgelegt, wo es seit 2017 als Konsequenz aus dem Missbrauchsskandal im Turnen um den Arzt Larry Nassar (250 Mißbrauchsfälle gehen NUR auf ihn!) das "U.S. Center for SafeSport" gibt. Das 80-seitige Gutschten empiehlt, dringend ein solches "Zentrum für Safe Sport" für Leistungs- und Breitensport auch in Deutschland einzurichten. 

Wie eine aktuelle Studie der unabhängigen Aufarbeitungskommission unter Leitung von Bettina Rulofs aus dem Herbst 2022 ertmals belegt: "Die wenigsten Fälle sexualisierter Gewalt im Sport werden untersucht, vielmehr werden die Opfer alleingelassen. In einem System der Abhängigkeit und des Vertuschens sei es den Betroffenen häufig sogar unmöglich gewesen, ihre Not überhaupt anzusprechen." 

Die Vereine haben Angst vor einem Imageschaden und wägen sogar drohende finanzielle Einbußen gegen Opferschutz ab: "Wegen dieser Struktur brauchen wir eine unabhängige Anlaufstelle, wo Athletinnen und Athleten sich hinwenden können, wo ihnen geglaubt wird und wo sie Hilfe bekommen", fordert Léa Krüger (WM-Teilnehmerin im Säbelfechten) aus dem Vorstand des "Athleten Deutschland" (e.V.) daher Ende 2022.

Ansprechpartner sind erheblichen Interessenkonflikten ausgesetzt. Es gibt keinen strukturierten Prozess, Schulungen oder Evaluierungen. Selbst Auskünfte aus dem Strafregister (Bundeszentralregister) oder ein Führungszeugnis müssen für Sport Coaches nicht verpflichtend eingeholt werden. Damit fehlt es schlicht auch an einer einheitlichen und flächendeckenden Datenbasis für Täter, Verdachtsfälle und Maßnahmen.

Christina Gassner aus dem Vorstand des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und Geschäftsführerin der Deutschen Sportjugend erwiderte auf die Studienergebnisse Ende 2022: "Wir müssen die Ergebnisse der Studie jetzt sorgfältig auswerten, gleichzeitig aber auch uns selbst hinterfragen: Wo stehen wir eigentlich wirklich ganz konkret in diesem Themenfeld?" Soll heißen: es wird weiter dauern, bis sich etwas ändert. 

"Safe Sport" wird es in Deutschland weder in diesem noch im nächsten Jahr geben.

Was können Sie ganz konkret tun?

  • Nehmen Sie Verdachtsfälle ernst!
  • Vertrauen Sie Ihrem Bauchgefühl!
  • Hören Sie Betroffenen aufmerksam zu und helfen Sie!

Sind Sie oder eine Ihnen nahestehende Person betroffen?

Dann melden Sie sich sofort gern kostenfrei, unverbindlich und vertraulich bei mir oder holen Sie Hilfe außerhalb des Sports (z.B. bei der Polizei). Besonders bei sexualisierter Gewalt haben sich darauf spezialisierte Hilfsangebote bewährt, wie zum Beispiel die Hilfetelefone.

Wann liegt seelische, körperliche oder sexualisierte Gealt durch den Sport Coach vor?

  1. persönliche Grenzen werden bewußt verletzt
  2. ein Abhängigkeits- und Näheverhältnis wird ausgenutzt
  3. sexuelle Grenzüberschreitungen und Handlungen finden statt
  4. erniedrigende und traumatisierende Trainingsmethoden erfolgen
  5. gesundheitsschädliche Trainingsmethoden werden durchgesetzt

Was ein Sport Coach niemals sagen sollte:

  • Ich bin derjenige, der ganz allein über Dich und Deine Karriere entscheidet!
  • Wenn Du das nicht machst, dann bist Du hier raus!
  • Darüber darfst Du mit niemandem sprechen!

Das war Ihr Rechtstipp der Woche vom Legal Coach!

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Mehr zu sexualisierter Gewalt, Mißbrauch und Vergewaltigung durch den Coach finden Sie in weiteren Beiträgen zu "Coaching" hier auf anwalt.de

Wie Ihnen hierbei ein Legal Coach helfen kann, erfahren Sie hier.


Foto(s): Uwe Klössing


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