Grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers durch unterlassene Anhörung des Betriebsrates vor einer Kündigung

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Der Betriebsrat ist durch den Arbeitgeber vor jeder Kündigung nach § 102 BetrVG anzuhören. Wenn der Arbeitgeber gegen diese Pflicht verstößt, kann ein grober Pflichtverstoß vorliegen. Der Betriebsrat kann in solchen Fällen im Wege des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens dem Arbeitgeber aufgeben lassen, es in Zukunft zu unterlassen, Kündigungen auszusprechen, ohne den Betriebsrat anzuhören. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung kann auf Antrag des Betriebsrates ein entsprechendes Ordnungsgeld angedroht werden. 

In dem durch mich für den Betriebsrat geführten Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main ging es um einen solchen Fall: Der Arbeitgeber hatte es bereits im Jahr 2019 einmal unterlassen, den Betriebsrat vor dem Ausspruch einer Kündigung anzuhören. Die Nichtanhörung wurde damals durch den Arbeitgeber damit begründet, dass die Kündigung zwischen ihm und dem Arbeitnehmer einvernehmlich gewesen sei. 

Die Anhörung des Betriebsrates ist aber auch dann nicht entbehrlich, wenn die Kündigung zwischen dem betroffenen Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber "verabredet" ist. So hatte das Landesarbeitsgericht Hamm in einer Entscheidung vom 19. Juli 2002 (10 TaBV 42/02) die Anhörung des Betriebsrates in solchen Fällen als "reine Förmelei" bezeichnet und eine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers abgelehnt. Das Bundesarbeitsgericht sah dies in seiner Entscheidung vom 28. Juni 2005 (1 ABR 35/04) anders und stellte klar, dass auch in solchen Fällen der Betriebsrat anzuhören ist.

Nachdem der Arbeitgeber im Jahr 2020 es erneut unterlies, vor dem Ausspruch von sechs Kündigungen den Betriebsrat nach § 102 BetrVG zu beteiligen, hat der Betriebsrat ein Beschlussverfahren eingeleitet, weil er einen groben Pflichtverstoß des Arbeitgebers sah und hat die Unterlassung verlangt, Kündigungen auszusprechen, ohne den Betriebsrat zu beteiligen. Das Arbeitsgericht Frankfurt sah in dem Verhalten des Arbeitgebers keinen groben Pflichtverstoß. Diese Entscheidung wollte der Betriebsrat nicht stehen lassen, da er zum einen in der Wiederholung des Pflichtverstoßes aus dem Jahr 2019 und zum anderen in der Anzahl der Kündigungen (sechs Kündigungen auf einmal) das Attribut "grober Pflichtverstoß" sah.

Nach Einreichung der Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt hat der Betriebsrat sein Begehren fortgesetzt und konnte vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht obsiegen. Das LAG Hessen hat in seiner Entscheidung vom 08.08.2022 klargestellt, dass weder eine "verabredete Kündigung" noch ein Versehen der Personalabteilung, es entbehrlich machen, der Anhörungspflicht nach § 102 BetrVG nachzukommen. Die vollständige Entscheidung des LAG Hessen finden Sie hier:  08.08.2022 (16TaBV 191/21)

Aytül Otters

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht






Foto(s): Aytül Otters

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