🤒 Häufige Kurzerkrankungen - Kündigung trotz Krankheit erhalten!

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Nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamtes sind Arbeitnehmer:innen in Deutschland durchschnittlich 15 Arbeitstage arbeitsunfähig erkrankt.


Während Zeiten der Arbeitsunfähigkeit erhalten Arbeitnehmer:innen für die Dauer von bis zu 6 Wochen ihr reguläres Entgelt.


Wichtig: Der Entgeltfortzahlungszeitraum ist nicht auf 6 Wochen pro Jahr begrenzt. Sind Arbeitnehmer:innen zwischen zwei Zeiträumen der Arbeitsunfähigkeit gesund gewesen und berufen die Erkrankungen nicht auf einem einheitlichen Grundleiden sondern auf unterschiedlichen Diagnosen erhalten Arbeitnehmer:innen auch auf für den zweiten Zeitraum (und ggf. weitere Zeiträume) der Arbeitsunfähigkeit jeweils erneut Entgeltfortzahlung für die Dauer von bis zu 6 Wochen. 🔄



Müssen Arbeitgeber:innen ihren Arbeitnehmer:innen bei häufigen Kurzerkrankungen im Jahr insgesamt mehr als für 6 Wochen Entgeltfortzahlung leisten, beginnt es häufig im Arbeitsverhältnis ungemütlich zu werden. Insbesondere, wenn die Entgeltfortzahlungskosten Arbeitgeber:innen auf diese Art über mehrere Jahre zu einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung werden, beginnt der ein oder andere Arbeitgeber über Möglichkeiten zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nachzudenken.

Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers während dieser noch arbeitsunfähig erkrankt ist, fragt dieser sich häufig:

„Kann es sein, dass es rechtens ist, dass ich gekündigt werde, obwohl ich krank bin?“


🚫 Krankheit schützt nicht vor Kündigung 🚫


Die Antwort ist tatsächlich: „Ja“ ❗


Es ist ein weit verbreiteter Irrglaube, dass ein Arbeitnehmer während einer Erkrankung nicht gekündigt werden darf. Tatsächlich ist sogar das Gegenteil der Fall: Der Arbeitgeber darf unter bestimmten Voraussetzungen sogar wegen der Erkrankung des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis personenbedingt kündigen.


⚖️  Wie kann eine krankheitsbedingte Kündigung bei häufigen Kurzerkrankungen rechtmäßig sein?

Die Kündigung eines Arbeitnehmers wegen häufiger Kurzerkrankungen ist unter folgenden Voraussetzungen rechtmäßig:

  1. Es ist damit zu rechnen, dass der Arbeitnehmer auch zukünftig wegen häufiger Kurzerkrankungen ausfallen wird (sog. negative Gesundheitsprognose);
  2. Die häufigen Kurzerkrankungen beeinträchtigen den Arbeitgeber in seinen betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen erheblich;
  3. Das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt das Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Abwägung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles.

🔍 Was tun?

Als Arbeitnehmer haben Sie gegenüber ihrem Arbeitgeber im Falle einer krankheitsbedingten Kündigung in der Regel einen Informationsvorsprung. Denn wenn Sie Ihrem Arbeitgeber bislang nicht die Gründe für Ihre Krankheitszeiten offenbart haben - wozu Sie nicht verpflichtet sind - kann Ihr Arbeitgeber über diese Gründe nur spekulieren. Ihr Arbeitgeber kann seine negative Prognose, dass Sie auch zukünftig mit häufigen Kurzerkrankungen ausfallen werden, in diesen Fällen nur auf den Blick in die Vergangenheit stützen, d.h. er schließt aus den vergangenen Krankheitszeiträumen darauf, dass Sie auch in Zukunft häufig ausfallen werden.

💡Nutzen Sie diesen Informationsvorsprung!


Beispielsweise gibt es folgende Strategien zur Abwehr einer krankheitsbedingten Kündigung:

  • Ist der Prognosezeitraum richtig gewählt? Manch Arbeitgeber wird zu früh ungeduldig. Auf der sicheren Seite ist der Arbeitgeber in der Regel nur dann, wenn er seiner Prognose mindestens die letzten 24 Monate, besser aber die letzten 36 Monate zugrunde legt.

  • Entkräften Sie die negative Prognose: Hierzu müssen Sie Ihre Ärzte von der Schweigepflicht entbinden und im Kündigungsschutzprozess dazu vortragen, dass Ihre Krankheitszeiten auf unterschiedlichen Krankheitsursachen beruhen, die zum Kündigungszeitpunkt bereits ausgeheilt waren.


Beispiel: Sie sind in den letzten 3 Jahren ab und an wegen Erkältungen arbeitsunfähig ausgefallen und hatten zudem immer wieder mit einem Knieleiden zu kämpfen, dass zur Mehrzahl der häufigen Erkrankungen in den letzten 3 Jahren geführt hat. Sie sind vor Ausspruch der Kündigung jedoch erfolgreich am Knie operiert worden und das Knieleiden ist vollständig ausgeheilt, sodass aufgrund Ihres Knies nicht mehr mit Erkrankungen zu rechnen ist. Dies erschüttert die negative Prognose und die Kündigung des Arbeitgebers ist unwirksam.



  • Betriebliches Eingliederungsmanagement: Bei häufigen Kurzerkrankungen über mehr als 6 Wochen jährlich und über mehrere Jahre sind die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers in der Regel durch die überdurchschnittlich hohen Entgeltfortzahlungskosten erheblich beeinträchtigt. Aber:     

    • Hat der Arbeitgeber Ihnen in den letzten 12 Monaten vor Ausspruch der Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) angeboten und (wenn Sie dies wollten) auch tatsächlich durchgeführt? 
    • Hat der Arbeitgeber dies nicht getan, kann er sich aufgrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht mit Erfolg darauf berufen, dass seine Interessen erheblich beeinträchtigt sind und die Kündigung ist unwirksam.

      Der Teufel liegt zudem im Detail. Hat der Arbeitgeber bei der Einladung zum bEM und bei dessen Durchführung sämtliche formalen Voraussetzungen erfüllt? Die Rechtsprechung ist an dieser Stelle streng, sodass sich ein genauer Blick in die Unterlagen zum bEM lohnt. Denn: Hat der Arbeitgeber nicht ordnungsgemäß zum bEM eingeladen oder hat er dieses nicht ordnungsgemäß durchgeführt, wird er so behandelt, als ob er gar kein bEM angeboten hätte, d.h. er kann sich auf eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Interessen nicht berufen und die Kündigung ist unwirksam.

  • Interessenabwägung: Können Sie die negative Prognose nicht erschüttern und sind die Interessen des Arbeitgebers durch Ihre häufigen Kurzerkrankungen erheblich beeinträchtigt, können Sie die Kündigung zu Fall bringen, wenn Sie das Arbeitsgericht davon überzeugen, dass Ihr Interesse an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dennoch das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegt.

    Schlechte Karten haben Sie an dieser Stelle, wenn Sie aus einem befristeten Arbeitsverhältnis kamen während dessen Dauer sie praktisch nicht krank waren und ihre häufigen Kurzerkrankungen fast zeitgleich mit Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begannen und anhielten.

    Gute Karten haben Sie hingegen, wenn das Arbeitsverhältnis viele Jahre beanstandungsfrei besteht und die Krankheitszeiten erst in den letzten Jahre anstiegen. Ist dies der Fall, wird das Arbeitsgericht dem Arbeitgeber mehr soziale Rücksichtnahme abverlangen und Ihr Interesse überwiegen lassen. Folge: Die Kündigung ist unwirksam.


📋 Fazit

Krankheitsbedingte Kündigungen sind ein komplexes und schwieriges Thema. Kaum ein Fall gleicht dem anderen. Selten wird die Rechtslage eindeutig sein, sodass auch abseits der soeben dargestellten Strategien in der Regel viel Raum bleibt, um im Rahmen von Verhandlungen mit dem Arbeitgeber einen wirtschaftlich attraktiven und sinnvollen Vergleich auszuhandeln. 💼💰


Dies gilt im Übrigen nicht nur für krankheitsbedingte Kündigungen wegen häufiger Kurzerkrankungen, sondern auch für krankheitsbedingte Kündigungen wegen einer Langzeiterkrankung, für die ähnliche Grundsätze gelten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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