Häusliche Gewalt / Wohnungsverweisung / Corona-Krise

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Häusliche Gewalt hat in China während der Ausgangssperre deutlich zugenommen“ titelt die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in faz.net am 25.3.2020.

Im Zuge von Ausgangssperren und Heim-Quarantäne besteht auch in Deutschland die wiederholt geäußerte Sorge, dass häusliche Gewalt deutlich zunimmt.

Der Hintergrund

Kommt es zu einem Einsatz „wegen häuslicher Gewalt“, dann reagieren die eingesetzten Polizeibeamten häufig sehr dünnhäutig und auf Grund von Vorurteilen. Das Vorurteil besteht darin, dass den eingesetzten Polizeibeamten der Einsatzbefehl „Häusliche Gewalt“ durch die Leitstelle mitgeteilt wird und sie sich deshalb auf „Gewalt“ einstellen.

Des Weiteren besteht das Vorurteil, dass Gewalt eine typische Männersache ist.

Meine Erfahrung

In meiner jahrelangen Praxiserfahrungen müssen immer die Männer die Wohnung verlassen, selbst wenn sie ersichtlich „durchgeprügelt“ worden sind. Das mag sich komisch anhören, aber ich hatte hier schon einmal einen Mandanten, welcher von seiner Frau durch eine Glastür geprügelt wurde, im Krankenhaus an mehreren Stellen genäht werden musste und trotzdem der Wohnung verwiesen wurde.

Die einzige Frau, welche der Wohnung verwiesen wurde, wurde in einem hysterischen Zustand mit der Schere in der Hand von den eintreffenden Polizisten angetroffen. Da gab es einfach nichts mehr zu beschönigen. Aber dafür hatte die Staatsanwältin im nachfolgenden Strafverfahren umso mehr Verständnis für die jahrelange (!), psychische Misshandlung der Verwiesenen (wovon sie mir nie etwas mitgeteilt hatte, was ihr aber durch die Staatsanwältin in den Mund gelegt worden ist).

Merken wir uns: Gewalt geht immer vom Mann aus. Und wer schlägt, der geht!

Schlussfolgerung: Der Mann geht! Immer!

Das verwaltungsgerichtliche Verfahren

Gegen die polizeiliche Wohnungsverweisung wehrt man sich beim Verwaltungsgericht mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Das Verwaltungsgericht lässt sich die polizeiliche Einsatzdokumentation kommen und bewertet das Vorgehen. Wenn man dem nichts entgegenhält, dann wird die Wohnungsverweisung bestätigt.

Beim Verwaltungsgericht muss man den „Finger in die Wunde“ legen; man darf sich nicht darauf verlassen, dass Polizei und Verwaltungsgericht schon „das Richtige“ tun werden. Das wird das Verwaltungsgericht nicht tun. Dort besteht eine starke Tendenz dahin, polizeirechtliches Handeln zu bestätigen, weil durch „übertriebene Kontrolle“ polizeiliches Handeln nicht mehr praktikabel wäre.

Ein Verwaltungsrichter hatte mir am Telefon einmal gesagt, nachdem ich gegen einen die Wohnungsverweisung bestätigenden Beschluss Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht eingelegt hatte: „Wo kommen wir denn dahin, wenn wir jede Polizeimaßnahme übertrieben kontrollieren? Dann kann die Polizei ja gleich aufhören …“, womit wir bei den Grundsätzen der Verwaltung angekommen wären (Das haben wir doch immer so gemacht; wo kommen wir denn da hin; da kann ja jeder kommen usw.).

Bei der polizeilichen Wohnungsverweisung müssen objektive – für jedermann erkennbare – Anhaltspunkte für eine Gewalttat vorliegen. Dazu können auch die Angaben der Beteiligten gehören, soweit sie übereinstimmen. Wenn diese Anhaltspunkte vorliegen, kann die Polizei eine Einschätzung vornehmen und der einen oder anderen Aussage der Beteiligten folgen.

Falsch ist es, ohne weitere Anzeichen, den Angaben nur einer/s Beteiligten zu folgen, weil man ihn für glaubwürdiger hält. Ohne konkrete Merkmale, welche für oder gegen eine Glaubwürdigkeit sprechen (objektive Anhaltspunkte!), darf die Polizei nicht den einen als glaubwürdig, den anderen als unglaubwürdig einschätzen.

Hier sieht man, wie sich Vorurteile auswirken:

Die Frau ist glaubwürdig, weil Gewalt immer nur vom Mann ausgeht. Seine Sachverhaltsdarstellung ist unglaubwürdig, weil er sich als Beschuldigter einer Straftat nur schützen will.

Tatsächlich finden sich in der Regel nur selten objektive Anhaltspunkte für eine Gewaltanwendung.

Das Gewaltschutzverfahren

Die Wohnungsverweisung ist lediglich eine Maßnahme der Krisenintervention. Sie ist auf 10 Tage ausgelegt und kann gegebenenfalls noch einmal um 10 Tage verlängert werden.

In der Regel folgt in den ersten 10 Tagen bereits ein Beschluss des Familiengerichts (Amtsgerichts), mit dem ein Abstandsgebot ausgesprochen (§ 1 GewSchG) und die Wohnung der Antragstellerin (§ 2 GewSchG) zugewiesen wird.

In Beziehungen, welche vor der Auflösung stehen, sind vorgetäuschte Gewalttaten häufig das Mittel der ersten Wahl um den „Partner“ zum Auszug zu bewegen. Werden dessen Möbel und anderen Sachen danach auch noch besetzt, spreche ich von einem „kalten Auszug"! Das Problem besteht dabei darin, dass der der Wohnung Verwiesene das Eigentum an seinen Sachen nachweisen muss.

Beim Verlassen der Wohnung sollte man also nicht nur an seine Zahnbürste und ein paar Kleidungsstücke, sondern vor allem an seine wichtigen Unterlagen denken!!!

Während der polizeilichen Wohnungsverweisung kann der in der Wohnung verbliebene Partner einen Gewaltschutzantrag stellen. Wird ein entsprechender Beschluss erlassen, dann bleiben Sie wenigstens 6 Monate aus der Wohnung entfernt. Das kann auch verlängert werden. Bei Gewalt in der Ehe kann die Wohnungszuweisung auch bis zum Scheidungstermin aufrecht erhalten bleiben, und mit dem Scheidungsurteil eine endgültige Zuweisung erfolgen (das ist dann so eine Art Enteignung).

Denken Sie immer daran, dass wenn Sie sich in die Rolle des Gewalttätigen begeben oder da reingedrängt werden, ohne sich zu wehren, dann werden Sie halt wie ein Verbrecher behandelt.

Im Gewaltschutzverfahren bestehen gute Chancen die Abstandsverfügung und Wohnungszuweisung aufgehoben zu bekommen. Das hat mit den Darlegungs- und Beweislastverteilungen im Zivilprozess zu tun. Hier muss wieder der „Finger in die Wunde“ gelegt werden.

Nahezu alle Verfahren werden vor dem angesetzten Verhandlungstermin aufgehoben, weil die Gegenseite den Antrag zurücknimmt.

Bei den anderen Verfahren scheitert es meistens bereits an den Voraussetzungen für den Erlass einer Gewaltschutzanordnung.

Das Strafverfahren

Die polizeiliche Wohnungsverweisung hat zwei Gesichter. Die Wohnungsverweisung als solche hat als präventive Maßnahme ihren Zweck darin, der von Gewalt betroffenen Person einen Raum zum Überlegen zu geben.

Liegen aber die Voraussetzungen einer Wohnungsverweisung vor, dann ist in der Regel auch eine Straftat verwirklicht worden (Nötigung, Bedrohung, einfache oder gefährliche Körperverletzung). Es folgt also immer auch das Strafverfahren.

Wichtig ist, dass Sie sich hier nicht selbst beschuldigen. Das tun Sie in der Regel aber schon dann, wenn Sie sich zum sog. Tathergang äußern.

Ein Dilemma! Wenn Sie nichts sagen, wird dem anderen geglaubt und Sie der Wohnung verwiesen; wenn Sie was sagen, wird Ihnen nicht geglaubt, Sie der Wohnung verwiesen und Sie machen sich zum Zeugen gegen sich selbst.

Dabei ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gerade bei sog. Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen eine besonders vorsichtige und kritische Beweiswürdigung angezeigt. Das gilt umso mehr bei innerfamiliären Problemen!

Das ist das Problem für Staatsanwaltschaft und Gericht: Wer hier die konkreten Regeln für die Verfolgungsbehörden nennt, zwingt diese letztendlich, das Verfahren einzustellen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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