Heimrecht: Wohnen in einer Betreuungseinrichtung

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  1. Allgemeines

Die Altenpflege ist ein in der Realität vieler Bürger, der Politik und der Medien ein allgegenwärtiges Thema. In den kommenden Jahren wird die Anzahl der Pflegebedürftigen weiter steigen. Im Jahr 2021 betrug sie 5,0 Millionen. Dem standen 2021 gegenüber etwa 16.000 Pflegeheime und 15.300 ambulante Pflegedienste. Mit steigender Lebenserwartung steigt auch die Anzahl der zu Pflegebedürftigen. Bei diesen Dimensionen verwundert es nicht, wenn auch die Zahl der Auseinandersetzungen zwischen Pflegediensten und Pflegebedürftigen steigt.

Neben haftungsrechtlichen Fragen, geht es regelmäßig um das Entgelt oder eine Kündigung durch das Heim.  Die Frage nach dem Entgelt stellt sich beim Bewohner naturgemäß insbesondere bei Entgelterhöhungen.

Menschen in Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen sind schon aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes besonders schutzbedürftig. Der Gesetzgeber im Heimrecht besondere Sicherungsmaßnahmen zum Schutz der Pflegebedürftigen getroffen. Insbesondere das WBVG (= Gesetz zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen) soll Menschenwürde und Selbstbestimmung des Bewohners gewährleisten. Ebenso soll es die Teilhabe der Bewohner am Leben im Heim sicherstellen.


II . Wann kommt das WBVG zur Anwendung ?

Nach § 1 Abs.1 WBVG ist das Gesetz immer dann anwendbar, wenn ein Pflegebedürftiger mit einem Pflegedienst einen Vertrag über die Überlassung von Wohnraum schließt der gleichzeitig mit der Erbringung von Pflege – oder Betreuungsleistungen verbunden ist (§ 1 Abs.1 WBVG), Kennzeichnend ist daher die „doppelte Abhängigkeit“ des Heimbewohners vom Unternehmen. Der oder die Pflegebedürftige ist sowohl im Hinblick auf den Wohnraum als auch im Hinblick auf die Pflegeleistungen vom Unternehmen abhängig.  


III. Informationspflichten vor Vertragsschluss

Der (zukünftige) Verbraucher muss bereits vor Vertragsschluss einige Informationen erhalten. Namentlich muss der Pflegebedürftige über


  • das allgemeine Leistungsangebot des Unternehmens
  • sowie  den wesentlichen Inhalt der Leistungen, die für die Verbraucherin oder den Verbraucher in Betracht kommen

informiert werden.

Die entsprechenden Informationen müssen dem Pflegebedürftigen

  • in leicht verständlicher Sprache
  • rechtzeitig vor Abgabe der Vertragserklärung
  • in Textform

zur Verfügung gestellt werden.

IV. Vertragsinhalt und Schriftform

Der zwingend erforderliche Vertragsinhalt des Pflegevertrages ist in § 6 WBVG geregelt. Ausweislich der Norm muss der Vertrag folgende Angaben enthalten:

  • Abweichungen von vorvertraglichen Informationen enthalten müssen
  • eine Beschreibung der einzelnen Leistungen des Leistungserbringers
  • der Pflegebedürftige/der Bewohner eine Ausfertigung des Vertrages erhalten muss
  • die dafür zu zahlenden Entgelte
  • einen Hinweis auf die Teilnahme an Schlichtungsverfahren

Darüber hinaus ist der Vertrag zwischen Unternehmen und Verbraucher  schriftlich zu schließen.

V. Erhöhungen des Entgelts 

Nach § 9 Abs.1 S.1 WBVG kann das Pflegeheim/die Betreuungseinrichtung eine Erhöhung des Entgelts nur verlangen, wenn sich die bisherige Berechnungsgrundlage ändert und

  • und das Entgelt insgesamt angemessen ist
  • die Erhöhung als solche angemessen ist

(sogenannte „doppelte Angemessenheitsprüfung“)

Das recht komplizierte Verfahren zur Entgelterhöhung ist in § 9 WBVG geregelt. Die Vorschrift dient – wie das gesamte WBVG – dem Verbraucherschutz. Sie fordert vom Unternehmer, sein Berechnungsgrundlagen offen zu legen. Die einzelnen Posten und die Umstände der Abrechnung müssen dargestellt werden. Die Erhöhung des Entgelts muss mindestens vier Wochen vor der eigentlichen Erhöhung stattfinden.


VI. Kündigung durch Verbraucher


Das WBVG unterscheidet in seinen §§ 11 und 12 zwischen einer Kündigung durch den Verbraucher sowie einer solchen durch das Pflegeheim.

Die Kündigung durch den Pflegebedürftigen ist in § 11 WBVG geregelt. Danach hat der der Pflegebedürftige das Recht,

  • zwei Wochen nach Vertragsbeginn
  • jederzeit ordentlich
  • außerordentlich aus wichtigem Grund
  • eine Sonderkündig wegen Erhöhung des Entgelts

auszusprechen.


VII. Die Kündigung durch die Pflegeeinrichtung/Pflegedienst 

Die Voraussetzungen der Kündigung durch das Unternehmen sind in § 12 WBVG enthalten.

Zunächst muss ein „wichtiger Grund“ im Sinne des § 12 WBVG vorliegen. Eine – nicht abschließende - Aufzählung der „wichtigen Gründe“ findet sich in  § 12 WBVG. Zur Kündigung ist das Unternehmen ausweislich der Vorschrift bei betrieblichen Änderungen oder das Unvermögen des Unternehmens, den pflegerischen Bedürfnissen des Bewohners gerecht zu werden berechtigt. Auch das Ausbleiben des vereinbarten Entgelts oder aber sonstige grobe Verstöße gegen vertragliche Verpflichtungen durch den Bewohner, die ein Festhalten des Unternehmers an dem Heimvertrag „unzumutbar“ machen.

Ein „wichtiger Grund“ kann jedenfalls nicht in jedem auffälligen Verhalten des Bewohners bestehen. Dies insbesondere wenn der Pflegebedürftige unter Demenz leidet Kennzeichnend für die Erkrankung ist ja gerade die Unfähigkeit der Betroffenen noch sozialadäquat oder vernunftgesteuert zu handeln.  Nicht selten verhalten sich Demenzerkrankte auch aggressiv gegenüber ihrer Umwelt.

Es kommt gelegentlich auch zum Schlagen und Treten sowie sexuelle Übergriffe gegenüber Mitarbeiter(innen) oder anderen Bewohnern.  Ob die Voraussetzungen für eine Kündigung vorliegen muss jeweils im Einzelfall entschieden werden und ist nicht selten streitig zwischen der zu pflegenden Person (bzw. deren Angehörigen) und dem Unternehmen. Jedenfalls soweit Straftatbestände im Raum stehen, wird ein „wichtiger Grund“ in der Regel vorliegen.


Der „grobe Pflichtenverstoß“ muss durch den Pflegebedürftigen auch schuldhaft begangen werden.  In § 827 BGB ist dazu geregelt, dass derjenige der sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit einem anderen Schaden zufügt, für den Schaden nicht verantwortlich ist. Naturgemäß stellt sich die Frage insbesondere bei dementen Personen.

Die Kündigung des Vertrages durch ´das Unternehmen muss stets schriftlich erfolgen und eine Begründung enthalten. In der Begründung müssen die Gründe aufgeführt werden, aus denen das Heim/der Pflegedienst meint kündigen zu können/zu müssen. Entspricht die Kündigung nicht diesen Anforderungen, so ist die Kündigung unwirksam.


VIII. Schluss

Eine ausführliche Darstellung der mit dem Heimvertrag verbundenen Fragestellungen ist im vorliegenden Beitrag natürlich nicht möglich. Zusammengefasst wurden nur die wichtigsten Grundlagen. Bei weiteren Fragen oder Streitigkeiten können Sie sich gerne an RA Björn Weil, Fachanwalt für Medizinrecht, Frankfurter Straße 219, 35398 Gießen wenden.


            


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