Infektion nach Herzschrittmacher-OP: 5000 Euro

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Mit Vergleich vom 16.11.2016 hat sich ein Krankenhaus verpflichtet, an meinen Mandanten zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche 5.000 Euro sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (2,0-Geschäftsgebühr) aus dem Erledigungswert zu zahlen.

Dem am 19.08.1942 geborenen Rentner wurde wegen mehrfacher Synkopen im Januar 2013 ein Herzschrittmacher implantiert. Bereits vier Tage zuvor hatte das Pflegepersonal an der linken Hand oberhalb der liegenden Venenverweilkanüle eine gerötete, harte Stelle von 4 cm Länge festgestellt, der linke Arm war geschwollen. Bei initial normalem Entzündungswert kam es am 28.12.2012 zu einem CRP-Anstieg auf maximal 14,2 mg/l. Am OP-Tag war der Wert auf 3,3 mg/l gefallen. Im postoperativen Verlauf kam es zu einem Anstieg des CRP-Werts auf 31,0 mg/l am 04.01.2013.

Ab dem 05.01.2013 bekam der Mandant Fieber und Schüttelfrost. Nach einer antibiotischen Therapie wurde er am 25.01.2013 in die hausärztliche Behandlung entlassen. Am 28.01.2013 musste er mit 38,8 °C Fieber und erhöhtem CRP-Wert stationär aufgenommen werden. Entlassung erfolgte am 04.02.2013. Am 18.02.2013 war die gesamte Region um den implantierten Herzschrittmacher gerötet. Am 21.02.2013 wurde der Schrittmacher operativ entfernt. In der Folge kam es unter einer antibiotischen Therapie zur raschen Befundbesserung mit Normalisierung der Entzündungsparameter, sodass am 11.03.2013 ein neuer Herzschrittmacher auf der rechten Seite implantiert werden konnte. Der Patient wurde am 12.03.2013 aus der stationären Behandlung entlassen.

Der Mandant hatte den Ärzten vorgeworfen, ihm trotz der präoperativ bestehenden Thrombophlebitis am linken Arm am 02.01.2013 den Herzschrittmacher implantiert zu haben. Es hätte ein erhöhtes Infektionsrisiko bestanden, sodass die OP zu verschieben gewesen wäre. Die Empfehlung zur kurzfristigen Wiedervorstellung am Entlassungstag – 04.01.2013 – sei zu lang gewählt worden. Beim zweiten stationären Aufenthalt habe es das Krankenhaus unterlassen, die Infektion ordnungsgemäß zu behandeln, sodass sich die lebensgefährliche Infektion der Schrittmacherwunde ausbilden konnte, die zur Revisionsoperation im Nachfolgekrankenhaus geführt habe.

Der Sachverständige hatte im Prozess ausgeführt: Angesichts der mehrfachen Synkopen sei die Implantation eines Schrittmachers dringend indiziert gewesen. Nach dem Anästhesieprotokoll habe die OP-Zeit ca. 70 Minuten betragen. Die durchschnittliche Operationsdauer betrage in Deutschland für die gewählte Schrittmacherart im Jahr 2012 lediglich 57,1 Minuten, für Häuser mit weniger als 50 Schrittmacherimplantationen pro Jahr habe im Jahre 2012 die mittlere Schrittmacherimplantationsdauer 64,6 Minuten betragen. Somit habe die Eingriffsdauer, welche entscheidend für die Erhöhung eines Infektionsrisikos sei, nur leicht über dem Durchschnitt gelegen.

Am Tag der Implantation sei das CRP mit einem Wert von 3,3 mg/l im Normwertbereich gewesen, sodass der Patient serologisch infektfrei gewesen sei. Die postoperative schwere Sepsis und der Schrittmachertascheninfekt seien sehr ungewöhnlich. In der Literatur würden Frühinfektionen nach Herzschrittmacherimplantationen für einen Zeitraum bis zu 12 Monaten angegeben. In der Regel beginnen die Symptome frühestens nach einer Woche. Auffällig sei im konkreten Fall das Ausbreitungsmuster der Infektion (systemisch über die Blutbahn und lokal) in derart kurzer Zeit. In der Regel lägen in größeren Studien die Spannbreiten der Diagnosestellung zwischen 7 Tagen und 7 Jahren nach der Operation, wobei im Mittel ca. 30 Tage zwischen Implantation und auffälligem Lokalbefund liegen.

Es sei davon auszugehen, dass die Infektion bereits am 04.01.2013 bestanden habe und bis zur Explantation des Systems angedauert habe. Es sei retrospektiv besser gewesen, den Mandanten bis zur vollständigen Ausheilung der Narbe unter stationären Bedingungen zu belassen. Ob bei der auffällig früh auftretenden Infektion eine mangelnde Sorgfaltspflicht, z. B. beim Wundverschluss, ursächlich sei, lasse sich nach Aktenlage nicht belegen. Eine über Wochen persistierende Hautrötung sei allerdings für eine Infektion pathognomonisch und erfordere eine umgehende chirurgische Sanierung. Zu keinem Zeitpunkt der weiteren Krankenhausaufenthalte sei jedoch ein kritischer Wundbefund erwähnt worden, was auffallend sei.

Der vom Gericht bestellte Sachverständige wurde in diesem Prozess zweimal auf meinen Antrag zum Termin zur mündlichen Verhandlung zur Erläuterung seines Gutachtens geladen. Trotz dieser persönlichen Ladung schickte dieser unangekündigt eine Vertreterin. Nachdem die erste mündliche Erläuterung nicht durchgeführt werden konnte, weil ich gerügt hatte, es sein anderer Sachverständiger zum Termin erschienen als geladen, belehrte die Kammer den Sachverständigen: Er sei verpflichtet, persönlich zur Anhörung zu erscheinen. Er könne sich gemäß der Anordnung aus dem Beweisbeschluss der Kammer durch einen Oberarzt/Oberärztin der Klinik vertreten lassen, wenn diese/r zuvor zur Mitarbeit an dem Gutachten hinzugezogen worden sei und wenn er sich zeitlich/dienstlich nicht dazu in der Lage sehe, persönlich zur Anhörung zu erscheinen. Sollte er erneut verhindert sein, so habe er dies mindestens zwei Monate vor dem Termin schriftlich unter Benennung der Verhinderungsgründe mitzuteilen. Die Vertreterin/der Vertreter sei namentlich zu benennen. Es sei darzulegen, inwieweit dieser Vertreter an der Erstellung des Gutachtens beteiligt gewesen sei und ob dieser Vertreter über die erforderliche Sach- und Fachkenntnis verfüge.

Nachdem der Sachverständige auch im weiteren Termin nicht erschien, unterbreitete die Kammer einen Vergleichsvorschlag, wonach die Beklagte 5000 Euro sowie die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zahlen sollte. Zur Vermeidung einer weiteren Beweisaufnahme hat die Beklagte dem Vergleichsvorschlag ebenso wie der Kläger zugestimmt.

(Landgericht Dortmund, Beschluss vom 16.11.2016, AZ: 12 O 382/14)

Christian Koch

Fachanwalt für Medizinrecht



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