Jugendstrafrecht - Wechsel der Zuständigkeit des Gerichts

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Jugendlicher wechselt in anderen Gerichtsbezirk

Das Jugendstrafrecht ist vom Erziehungsgedanken geprägt. Zu den Besonderheiten gehört auch die vom Erwachsenenstrafrecht abweichende Gerichtszuständigkeit. Nach § 42 Abs.3 Satz 1 JGG kann der Richter das Verfahren mit Zustimmung des Staatsanwalts an den Richter abgeben, in dessen Bezirk sich der Angeklagte aufhält, wenn dieser seinen Aufenthalt wechselt. Die Abgabe ist auch bei einem nur kurzfristigen Wechsel des Aufenthaltsorts zulässig, in der Praxis jedoch nicht zweckmäßig und nicht üblich.

Ändert sich der Aufenthalt mehrfach, kann das Verfahren wiederholt abgegeben werden (vgl. BGH 13,284,286).

Lehnt das neue Gericht, welches das Verfahren übernehmen soll, die Übernahme ab, so hat das gemeinschaftliche obere Gericht gem. § 42 Abs. 3 S. 2 JGG zu entscheiden.

Der Bundesgerichtshof hat im Beschluss vom 8. September 2015 – 2 Ars 142/15 - eine Abgabe der Verhandlung und Entscheidung vom Amtsgericht Ulm zum Amtsgericht Tiergarten bestätigt. 
Bereits mit Beschluss vom 10.Mai 2006 – Ars 176/06 wurde hierzu ausgeführt:

„Der in dieser Bestimmung zum Ausdruck kommende Grundsatz, dass Heranwachsende sich vor dem für ihren Aufenthaltsort zuständigen Gericht verantworten sollen, darf grundsätzlich nur durchbrochen werden, wenn sonst erhebliche Erschwernisse das Verfahren belasten würden.“

Faktischer Aufenthaltsort ist entscheidend
Ausschlaggebend ist hierbei der faktische Aufenthaltsort und nicht wie im Erwachsenenrecht gemäß § 8 StPO der Wohnsitz oder die Meldeanschrift des Jugendlichen oder des Heranwachsenden. Der Jugendliche kann somit auch ohne festen Wohnsitz an einem Ort leben.

Der 2. Jugendsenat des Bundesgerichtshofs hat im Beschluss vom 8. September 2015 im konkreten Fall den Wechsel der Gerichtszuständigkeit unter anderem damit begründet, dass keine Anhaltspunkte für einen anderen Aufenthaltsort ersichtlich seien:

„Der Angeklagte hat nach Anklageerhebung seinen Aufenthaltsort gewechselt. Es ist auch davon auszugehen, dass er im Zeitpunkt der Abgabe seinen Aufenthalt in Berlin und damit im Bezirk des Amtsgerichts Tiergarten gehabt hat. Zwar ist die genaue Anschrift, unter welcher der Angeklagte sich derzeit aufhält, unbekannt, seine eigenen Angaben hierzu und zu einer angeblichen Anmeldung in Berlin haben sich als unzutreffend erwiesen. Dies ändert indes nichts daran, dass die Angabe des Angeklagten, er halte sich in Berlin auf, als solche glaubhaft ist.“

Demnach können Jugendliche und Heranwachsende die Zuständigkeit des Gerichts durch Wechsel in einen anderen Gerichtsbezirk beeinflussen. Dies kann von Vorteil sein, wenn im neuen Bezirk ein Gericht zuständig ist, welches nicht bereits durch Verurteilungen durch den gleichen Richter voreingenommen ist.

Der Autor des Rechtstipps, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Christian Steffgen führt als Dozent für den Verband Deutscher Anwälte Fortbildungen nach der Fachanwaltsordnung für Fachanwälte für Strafrecht durch. Daneben ist er auch als Buchautor tätig.

Rechtsanwalt Steffgen ist als zertifizierter Verteidiger für Jugendstrafrecht (DSV) im Jugendstrafrecht besonders spezialisiert.


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