Kann ich mich gegen Dieselfahrverbote wehren?

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Was ist das Problem?

Die deutschen Bundesländer sind nach den Urteilen des BVerwG vom 27.08.2018 (Az.: 7 C 26.16 und 7 C 30.17) gehalten, in Städten – also wirtschaftlich bedeutenden Ballungszentren – den Grenzwert für Stickoxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft einzuhalten. Diese Verpflichtung erfolgt meist durch erfolgreiche Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) vor lokalen Verwaltungsgerichten.

Städte sehen sich daher genötigt, Fahrverbote gegen sogenannte ältere Dieselfahrzeuge der Euro 4 und Euro 5-Norm zu verhängen, was zur Folge hat, dass Menschen mit derartigen Fahrzeugen zum Teil großflächig Städte sowohl beruflich wie privat nicht mehr anfahren können. So sind beispielsweise 18 Stadtteile Essens selbst über Autobahnen wie die A40 nicht mehr befahrbar. Die Auswirkungen für die lokale Wirtschaft und Versorgung der Bevölkerung sind unabsehbar.

Hat das mit dem VW-Dieselskandal (Schummelsoftware) zu tun?

Letztlich sind alle Fahrzeuge davon betroffen, möglicherweise nicht diejenigen mit Euro 6-Norm. Mit der von VW und anderen Herstellern in Fahrzeugen eingebrachten Schummelsoftware hat das Fahrverbot – auch wenn das manche gerne den Leuten suggerieren – nichts zu tun.

Ist das Fahrverbot in Städten rechtmäßig?

Die Verhängung von Fahrverboten trifft in erster Linie den kleinen Mann und die kleine Frau und schränkt zahlreiche Menschen und Gewerbetreibende in ihrer persönlichen und beruflichen grundgesetzlich garantierten Freiheit ein, ohne dass es dazu eine wirklich ökologische Rechtfertigung gibt. Es erscheint schon fraglich, ob durch Dieselfahrverbote ausschließlich für Pkw die bloße formale Einhaltung des 40 Mikrogramm-Grenzwertes überhaupt erreicht werden kann. Erst wenn das durch belastbare wissenschaftliche Gutachten feststeht, kann ein Fahrverbot auch allenfalls nur als ultima ratio in Betracht kommen und dabei die Gleichbehandlung mit anderen „Verschmutzern“ gewahrt bleibt.

Schließlich muss auch der streitige Grenzwert hinterfragt werden. Dieser ist vollkommen willkürlich gewählt, obgleich die Gesundheitsgefahren bei Überschreiten des Grenzwertes überhaupt nicht feststehen. Zahlreiche Arbeitsplätze haben eine um ein Vielfaches höhere Belastung und müssten – nimmt man die gesundheitliche Belastung ernst – sofort verboten werden. Selbst Küchen mit klassischem Gasherd müssten geschlossen werden, da dort bei einem aufwendigen Kochen leicht bis zu 4.000 Mikrogramm zusammenkommen. Selbst der mit 4 Kerzen leuchtende Adventskranz produziert über 200 Mikrogramm, ohne dass dadurch irgendjemand nachweisbar gesundheitlich zu Schaden kam.

Hilft der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Beschl. v. 17.12.2018, Az. 9 A 2037/18.Z und 9 B 2118/19?

Aus meiner Sicht ist dieser Beschluss ein rechtlich hoffnungsfrohes Zeichen! Der Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes in Kassel ist zu begrüßen, der neben „ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit“ der vorinstanzlichen verwaltungsgerichtlichen Urteile auch der Ansicht ist, dass aus den selbst von der DUH im Eilverfahren vorgelegten Unterlagen keine Gefahr für die Einwohner beweiskräftig hervorgehe. Mit der gebotenen Eindeutigkeit lasse sich nur entnehmen, „dass über die gesundheitlichen Auswirkungen des Gases NO2 eine nur unsichere Datengrundlage besteht und die Studien deshalb durchweg zu dem Ergebnis kommen, dass weitergehende Forschungen notwendig sind“.

Zudem gelte, dass weder das Immissionsschutzgesetz noch die zugrunde liegende EU-Richtlinie ein allgemeines Minimierungsgebot für Schadstoffe enthalten, so der Hess. VGH zur Begründung. Sie würden nur zur Einhaltung eines gemittelten Stickstoffdioxid-Grenzwertes verpflichten, die Überschreitung der Grenzwerte genüge deshalb nicht schon für die Verhängung von zonenbezogenen Fahrverboten.

Auch muss die Messung der Grenzwerte die Lebenswirklichkeit widerspiegeln. Gerade in Deutschland werden die Messstationen direkt an den vielbefahrensten Straßen aufgestellt. Aber anders als die Messstationen hält sich kein Mensch über Stunden stehend an einer vielbefahrenen Straße auf. Messstationen müssten an Orten aufgestellt werden, wo sich Menschen wirklich überwiegend und für längere Zeit an frischer Luft aufhalten und bewegen, um glaubhafte Ergebnisse und eine Rechtfertigung dafür liefern, Freiheit einschränkende Maßnahmen wie Dieselfahrverbote zu verhängen.

Zu Recht kann daher der Bürger verlangen, dass seine individuellen Rechte bei der Verhängung von Fahrverboten gegenüber anderen Rechten – etwa der Umwelt- und Gesundheitsschutz – wie bei anderen für den Bürger belastenden staatlichen Maßnahmen auch, abgewogen werden.

Andreas Krämer – Rechtsanwalt, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht, FOCUS-Liste TOP-Anwalt, Frankfurt am Main


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