Keine Gesellschafterklage gegen Fremdgeschäftsführer (GmbH)

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Am 25. Januar 2022 hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall mit dem Aktenzeichen II ZR 50/20 entschieden, dass ein Gesellschafter einer GmbH grundsätzlich nicht berechtigt ist, Schadensersatzansprüche in eigenem Namen geltend zu machen. Diese Entscheidung steht im Widerspruch zu Stimmen in der Literatur und Rechtsprechung, die eine Erweiterung der Gesellschafterklage (auch bekannt als "actio pro socio" oder "pro societate") für Ansprüche gegen den Fremdgeschäftsführer gefordert haben.

Der Fall, der vor dem BGH verhandelt wurde, betraf eine GmbH, die mittlerweile liquidiert ist und von ihrer herrschenden Gesellschafterin geliefertes Fleisch nach Südkorea exportierte. Der Kaufpreis sollte durch Abtretung von Forderungen eines Zwischenhändlers beglichen werden. Diese Forderungen erwiesen sich jedoch als nicht werthaltig und verursachten einen Schaden in Höhe von etwa 964.000,00€. Ein Minderheitsgesellschafter der GmbH verklagte daraufhin den Geschäftsführer und die herrschende Gesellschafterin auf Zahlung von Schadensersatz an die GmbH, da der Geschäftsführer seiner Pflicht als Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG nicht nachgekommen sei. In der Berufungsverhandlung entschied das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg zugunsten des Minderheitsgesellschafters und verurteilte den Geschäftsführer entsprechend. Das OLG Oldenburg war der Ansicht, dass für eine solche Klage kein erforderlicher Gesellschafterbeschluss notwendig sei, da aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nicht damit zu rechnen sei. Der Geschäftsführer habe seine Pflichten bei den Exportgeschäften verletzt, indem er die Abtretung nicht hinreichend werthaltiger Forderungen als Gegenleistung für die Fleischlieferung akzeptierte.

Die Revision gegen das Urteil des OLG Oldenburg war erfolgreich. Der BGH verneint die erforderliche Prozessführungsbefugnis des Minderheitsgesellschafters für die Klage, die er in eigenem Namen im Interesse der GmbH erhoben hatte. Eine "actio pro socio" kommt nicht in Betracht, da der Fremdgeschäftsführer kein Gesellschafter der GmbH ist. Der BGH argumentiert, dass das Gesellschaftsverhältnis den Gesellschaftern nicht das Recht gibt, den Geschäftsführer im eigenen Namen im Interesse der Gesellschaft auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, da der Geschäftsführer eine Sonderrechtsbeziehung ausschließlich zur Gesellschaft hat.

Der BGH lehnt eine Einbeziehung des Fremdgeschäftsführers in den Anwendungsbereich der Gesellschafterklage ab und führt mehrere Gründe dafür an: Erstens reicht die treuhänderische Sonderrechtsbeziehung bzw. die Binnenbeziehung zwischen dem Gesellschafter und dem Geschäftsführer nicht aus. Der Fremdgeschäftsführer ist ausschließlich der GmbH als Organ treupflichtig. Zweitens sind aktienrechtliche Regelungen zur Gesellschafterklage nicht übertragbar, und GmbH-Gesellschafter sind aufgrund ihrer stärkeren Mitwirkungs-, Kontroll- und Informationsrechte weniger schutzbedürftig als Aktionäre. Drittens führen Effektivitäts- und Praktikabilitätserwägungen nicht zu einem überzeugenden Ergebnis. Obwohl die Klagekompetenz des Einzelgesellschafters dem Interesse an einer effektiven Durchsetzung von Ansprüchen entspricht, würde dies zu einer Entwertung der Kompetenzen der Gesellschafterversammlung führen, die gemäß § 46 Nr. 8 Var. 1 GmbHG über die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Geschäftsführer entscheidet. Ein solcher Gesellschafterbeschluss ist zwingend erforderlich, da das oberste Gesellschaftsorgan allein entscheiden sollte, ob die Offenlegung interner Gesellschaftsverhältnisse bei der Belangung des Geschäftsführers in Kauf genommen werden soll, da dies dem Ansehen und der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft schaden könnte. Viertens ist der Minderheitsgesellschafter ausreichend geschützt, wenn ein solcher Geltendmachungsbeschluss verweigert wird. Er kann die Rechtsverfolgung durch Anfechtungs- und positive Beschlussfeststellungsklage erzwingen und z.B. durch die Bestellung eines besonderen Vertreters eine zielgerichtete Anspruchsverfolgung sicherstellen. Schließlich können Schadensersatzansprüche gegen Mehrheitsgesellschafter im Rahmen der "actio pro socio" geltend gemacht werden, wenn sie treuwidrig die Verfolgung von Ansprüchen der Gesellschaft unterlassen.

Von praktischem Interesse ist jedoch, dass das Urteil ausdrücklich die Möglichkeit von Ausnahmen in speziellen Konstellationen offen lässt. Der Bundesgerichtshof gibt jedoch in seinem Urteil keine konkrete Antwort darauf, welche Situationen dies sein könnten. Diese Frage wird derzeit in der Fachliteratur diskutiert. Eine solche Ausnahmesituation wird beispielsweise in Betracht gezogen, wenn eine abgestimmte Handlung zwischen dem Fremdgeschäftsführer und dem Mehrheitsgesellschafter vorliegt, also wenn sie gemeinsam agieren. In einem solchen Fall kann durchaus erwogen werden, den direkten Weg zu wählen und eine Klage des Minderheitsgesellschafters im Namen der GmbH einzuleiten.

Mit der Verweigerung der Klagemöglichkeit der Minderheitsgesellschafter setzt der BGH seine Rechtsprechung konsequent fort, trotz bedeutender Gegenstimmen in der Literatur. Er lässt sich auch nicht von der Neuregelung des Rechts der Personengesellschaften beeinflussen, die eine Übertragung der dortigen neuen Rechtsgrundsätze ablehnt. Es ist zu kritisieren, dass der BGH lediglich offen lässt, ob "Fallgestaltungen denkbar" sind, die die direkte Klagemöglichkeit der Gesellschafter gegen den Fremdgeschäftsführer erfordern. Dadurch versäumt er es, zumindest in einem Nebensatz für Rechtsklarheit im Interesse des Gesellschaftsvermögens gegen rechtswidrige Eingriffe zu sorgen. Es liegt auf der Hand, dass der vom BGH vorgezeichnete Weg (Erfordernis der vorherigen, möglicherweise gerichtlichen Herbeiführung eines Gesellschafterbeschlusses zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen) kein effektiver Rechtsschutz ist. Ersatzansprüche der GmbH gegen ihren Geschäftsführer verjähren nämlich binnen fünf Jahren, was eine taggenaue Verjährung ist. Diese Verjährungsfrist beginnt zum Zeitpunkt der Handlung des Geschäftsführers oder des Eintritts des Schadens. Es dauert jedoch oft viele Jahre, bis ein Gesellschafterbeschluss zur Durchsetzung von Ansprüchen gegen einen pflichtwidrig handelnden Geschäftsführer rechtskräftig wird. Der BGH zeigt keinen Weg auf, wie während dieser Zeit die Verjährung der Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer gehemmt werden kann, und ein solcher Weg ist auch nicht erkennbar. Dies entzieht der Rechtsprechung des BGH die Grundlage.

Praxistipp

Interne Streitigkeiten gegen Dritte, wie in diesem Fall gegen den Fremdgeschäftsführer, müssen von den Gesellschaftern untereinander geklärt werden. Laut dem Bundesgerichtshof besteht keine Möglichkeit, die Voraussetzungen eines Mehrheitsbeschlusses der Gesellschafter zu umgehen, indem dem Minderheitsgesellschafter das Recht zur Prozessführung zugesprochen wird, um dann im eigenen Namen die Ansprüche der Gesellschaft gegen den Fremdgeschäftsführer geltend zu machen (sogenannte "Actio pro socio").

Der Minderheitsgesellschafter hätte den Geschäftsführer nur dann direkt verklagen können, wenn es sich entweder um einen Gesellschafter-Geschäftsführer gehandelt hätte oder der andere Gesellschafter (Mehrheitsgesellschafter) aus gesellschaftswidrigen Gründen die Verfolgung des Schadensersatzanspruchs verweigert hätte und der Geschäftsführer an diesem Verhalten des Mehrheitsgesellschafters beteiligt gewesen wäre.

Da der Gesellschafterbeschluss sich hier gegen die Verfolgung des Schadensersatzanspruchs gegen den Geschäftsführer richtete, hätte der Minderheitsgesellschafter zunächst gegen den ablehnenden Beschluss im Wege der Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklage vorgehen müssen.

Foto(s): picsart

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