Keine Übertragung der Alleinsorge bei Vorliegen einer Sorgerechtsvollmacht

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Einem Antrag auf Übertragung der Alleinsorge ist im Einzelfall der Erfolg zu versagen, wenn die vom anderen Elternteil erteilte Sorgerechtsvollmacht den konkreten Umständen nach als ausreichend zuverlässige Handhabe zur Wahrnehmung der Belange des Kindes durch den bevollmächtigten Elternteil anzusehen und von einer ausreichenden, verbleibenden Kooperation zwischen den Kindeseltern auszugehen ist (Oberlandesgericht Bremen, Beschluss v. 7.9.2023 – 5 UF 13/23)


Die Erteilung einer Sorge­rechts­vollmacht kann die Übertragung des Sorgerechts ganz oder teilweise entbehrlich machen. Dies gilt auch für den Fall, dass das Verhältnis der Eltern konfliktbehaftet und zerrüttet ist - sofern noch eine Restkooperation besteht. So entschied kürzlich das Oberlandesgericht Bremen und folgt damit der Rechtsprechung des BGH (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29.04.2020, Az.: XII ZB 112/19).


Dem Fall lag konkret der folgende Sachverhalt zugrunde: Die Eltern eines etwa 6 Jahre alten Kindes stritten sich seit dem Jahr 2021 vor dem Amtsgericht Bremen über das Sorgerecht, da jeder Elternteil die Alleinsorge für sich haben wollte. Das Amtsgericht hat ein  Sachverständigengutachten eingeholt und übertrug die Alleinsorge der Kindesmutter. Dagegen erhob der Kindesvater die Beschwerde. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erteilte der Kindesvater schließlich der Kindesmutter eine sog. umfassende Sorgerechtsvollmacht.


Das Oberlandesgericht Bremen entschied mit Blick auf die erteilte Vollmacht, dass es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge verbleiben muss. Wenn eine allumfassende Sorgerechtsvollmacht erteilt wurde, lässt sich eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge unter dem Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkt in der Regel nicht mehr rechtfertigen. Schließlich stellt die Bevollmächtigung eines mitsorgeberechtigten Elternteils ein milderes Mittel gegenüber der Sorgerechtsübertragung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 29.04.2020, Az.:  XII ZB 112/19).


Bei bestehender Restkooperation ist ein zerrüttetes Elternverhältnis unerheblich

Da zwischen den Kindeseltern die erforderliche Restkooperation besteht, rechtfertigt das konfliktbeladene Elternverhältnis bei bestehender Sorgevollmacht nicht die gewünschte Sorgerechtsübertragung. 

Die vom Kindesvater der Kindesmutter erteilte Sorgerechtsvollmacht ist ein geeignetes, gegenüber einer Sorgerechtsübertragung milderes Mittel, das die Kindesmutter hinreichend in die Lage versetzt, die Belange vom Kind ohne Abstimmung mit dem Kindesvater wahrzunehmen. Dadurch können Konflikte zwischen den Kindeseltern im Zusammenhang mit den für das Kind zu treffenden Entscheidungen, durch die es in den elterlichen Konflikt involviert werden könnte, ausreichend sicher vermieden werden. Nur bei einem konkreten Hindernis, das unter Verwendung der Vollmacht eine Kooperationspflicht des Kindesvaters auslöst und dieser in dem konkreten Fall keine genügende Restkooperation aufzeigt, wäre eine Sorgerechtsübertragung dennoch erforderlich.

In der familiengerichtlichen Praxis kommt es häufig vor, dass Sorgerechtsvollmachten ausgestellt werden. Überwiegend fungieren diese als gütliches Instrument zur weiteren Streitvermeidung. Vollmachten erweisen sich zudem als effizient und verhindern einen gerichtlichen Eingriff in die elterliche Sorge. 

Denken Sie über die Erteilung einer Vollmacht nach? Oder wurde zuvor bereits eine Vollmacht erteilt, dessen Überprüfung Sie anstreben? Welche Vorgehensweise in Ihrem konkreten Fall angezeigt ist, können wir gemeinsam in einem Beratungsgespräch herausfinden - Nehmen Sie hierzu einfach Kontakt zu uns auf !

Zum Nachlesen:  Die vollständige Entscheidung wurde veröffentlicht in der NJOZ 2023, 1286.

Foto(s): Pixabay

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