Krankentagegeld – Wer in Zukunft arbeiten kann, ist nicht berufsunfähig

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Die Berufsunfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung

Wer berufsunfähig ist, verliert seinen Anspruch auf Krankentagegeld. So sehen es die Versicherungs-bedingungen in der Krankentagegeldversicherung vor. Eine solche Berufsunfähigkeit liegt vor, „wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit zu mehr als 50 % erwerbsunfähig ist“. Deshalb berufen sich viele Krankentagegeldversicherer bei länger andauernder Arbeitsunfähigkeit auf das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit und stellen ihre Leistungen ein. Dagegen sollten Versicherte vorgehen, denn die Versicherungsgesellschaft ist in der Beweispflicht für die Berufsunfähigkeit.

So genannte „rückschauende Prognose“ notwendig

Vor Gericht erbringt im Zweifel das Gutachten eines medizinischen Sachverständigen den Beweis: Er muss dabei an dem Zeitpunkt ansetzen, zu dem es zur Berufsunfähigkeit gekommen sein soll. Gedanklich reist er also in die Vergangenheit und beurteilt die Gesundheit des Versicherten rückwirkend. Dabei muss er anhand der zu diesem Zeitpunkt gesicherten Befunde feststellen, ob damals die Bedingungen für den Eintritt der Berufsunfähigkeit vorlagen.

Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen

Eine Berufsunfähigkeit besteht erst dann, wenn nach ärztlicher Prognose trotz Anwendung aller medizinischen Möglichkeiten überhaupt nicht mehr damit gerechnet werden kann, dass der Versicherte seinen Beruf noch einmal wird ausüben können oder wenn die Heilungschancen so gering sind, dass jedenfalls völlig unklar ist, ob der Versicherungsnehmer jemals wieder berufsfähig sein wird.

Problemfall Depressionen

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hatte jüngst einen Fall zu entscheiden, in dem der Kläger an Depression erkrankt war und vorübergehend seine Tätigkeit als Pressesprecher nicht mehr ausüben konnte. Darum erhielt er von der Beklagten das für diesen Fall vereinbarte Krankentagegeld. Die Ärzte teilten ihm an Ende seines stationären Aufenthaltes mit, dass er in sechs Wochen arbeitsfähig sein werde. Der Krankentagegeldversicherer ließ den Kläger begutachten und stellte die Zahlungen ein, weil er sich auf die Berufsunfähigkeit des Versicherten berief. Zwischenzeitlich erkrankte die Frau des Versicherten an Krebs und die Depression hielt länger an, als von den Ärzten prognostiziert. Der Versicherte klagte auf weitere Krankentagegeldleistungen und wollte feststellen lassen, dass der Vertrag weiter fortbestehe.

Das Landgericht holte in erster Instanz ein medizinisches Sachverständigengutachten ein. Darin wurde festgestellt, dass wegen der externen Belastungsfaktoren keine Besserung innerhalb der nächsten drei Jahre zu erwarten gewesen sei. Das erstinstanzliche Gericht hielt deshalb die Berufsunfähigkeit für bewiesen und wies die Klage ab. Das OLG holte im Berufungsprozess ein weiteres Gutachten ein und folgte dieser Einschätzung nicht.

Versicherungsbedingungen erlauben keinen starren Zeitrahmen

Um von einer Berufsunfähigkeit auszugehen, reiche es demnach nicht aus, wenn alleine eine ungewisse Erkrankungsdauer vorliege oder allein festgestellt werde, dass mit der Wiedererlangung der vollen Leistungsfähigkeit nicht innerhalb eines gewissen Zeitraums zu kalkulieren sei. In den Versicherungsbedingungen sei von „auf nicht absehbarer Zeit“ die Rede, weshalb eine Prognose-entscheidung erforderlich sei. Wenn sich jedoch voraussagen lasse, dass der erkrankte Versicherte irgendwann wieder erwerbsfähig sein könne, liege keine Berufsunfähigkeit vor, selbst wenn der genaue Zeitpunkt unklar sei. Eine feste zeitliche Begrenzung zulasten des Versicherten im Rahmen einer Prognose sei nämlich unzulässig. Es reiche daher die Feststellung nicht aus, dass innerhalb der nächsten drei Jahre nicht mit einer Berufsfähigkeit zu rechnen sei, um von einer vollständigen Berufsunfähigkeit auszugehen.

Rückschauende Prognose

Vielmehr müsse der Sachverständige Ereignisse unberücksichtigt lassen, die nach dem Zeitpunkt des behaupteten Berufsunfähigkeitseintritts eingetreten seien – vorliegend also insbesondere die Krebserkrankung der Ehefrau des Versicherten. Der zweite Sachverständige habe vielmehr bestätigt, dass zu dem Zeitpunkt, als das Privatgutachten der Versicherung durchgeführt wurde, die Prognose für den Versicherten eher günstig gewesen sei. Die Rückschläge, die zu einer Vertiefung der Depression führten, hätten dagegen vom Sachverständigen in der ersten Instanz gar nicht berücksichtigt werden dürfen, da sie für die Entscheidung der Versicherung keine Rolle gespielt haben.


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