Krieg und EU-Sanktionen gegen Russland – “Force Majeur” und „höhere Gewalt“

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Am 24. Februar 2022 hat Russland die Ukraine angegriffen. Aktuell ist von einem Krieg im völkerrechtlichen Sinne auszugehen.

Schon seit Beginn der Ukrainekrise haben sowohl die USA als auch die Europäische Union Sanktionen gegen Russland verhängt, die bislang beispiellos waren. Auch für deutsche Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen nach Russland ist die Rechtslage aktuell unübersichtlich. Für deutsche Unternehmen stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben und wie diese abgemildert werden können.

Unternehmen, die Wirtschaftsbeziehungen zu Dienstleistern, Kunden, Lieferanten oder Subunternehmern in der Ukraine, Russland oder auch Weißrussland unterhalten, müssten unbedingt die aktuelle Sanktionslage beachten.

Anderenfalls drohen schwere wirtschaftliche Nachteile oder auch strafrechtliche Folgen. Es bestehen Sanktionslisten, auf denen Personen und Unternehmen aufgeführt sind, mit denen nicht zusammen gearbeitet werden darf bzw. mit welchen Finanzressourcen zur Verfügung gestellt werden dürfen. Es kann auch zu einem Versicherungsverbot für bestimmte Regionen kommen.

Hier finden Sie aktuelle Informationen auf der Homepage des Bundesamtes für Wirtschafts- und Ausfuhrkontrolle (bafa.de/DE/Aussenwirtschaft/Ausfuhrkontrolle/Embargos/embargos_node.html).

Sanktionen und Handelsbeschränkungen

Deutsche Unternehmen haben im Geschäftsverkehr mit Russland sowohl umfangreiche personenbezogene Sanktionen als auch güterbezogene Handelsbeschränkungen zu beachten. Hinzu kommen technische Probleme beim Geldtransfer wie die Abschaltung russischer Banken von SWIFT sowie Sanktionen gegen russische Banken.

Deutsche Unternehmen haben im Geschäftsverkehr mit Russland sowohl umfangreiche personenbezogene Sanktionen als auch güterbezogene Handelsbeschränkungen zu beachten. Hinzu kommen technische Probleme beim Geldtransfer wie die Abschaltung russischer Banken von SWIFT sowie Sanktionen gegen russische Banken.

Jetzt stellt sich die Frage, ob deutsche Unternehmen sanktionsbedingt ihre vertraglichen Verpflichtungen aus bestehenden Verträgen überhaupt erfüllen dürfen, weiter stellt sich die Frage nach vertraglichen Konsequenzen dieser Leistungsstörung.

Dürfen auf Grundlage der Sanktionen Leistungen verweigert werden? Oder werden dadurch Vertragsstrafen ausgelöst?

Weiter stellt sich die Frage, wie sich die aktuelle Situation auf Versicherungen auswirkt, da hier regelmäßig „höhere Gewalt” oder „Krieg” zu einem Leistungsausschluss führen kann.

Definition der höheren Gewalt 

Der Begriff der „höheren Gewalt” ist nicht gesetzlich definiert. Er stammt von dem französischen Rechtsinstitut der „Force Majeure” ab, das eigentlich nur Naturkatastrophen umfasste. Im deutschen Recht hat sich der Begriff der höheren Gewalt aber auf andere Tatbestände erweitert, insbesondere im Recht der Gefährdungshaftung gemäß §§ 1 Absatz 2 und 2 Absatz 3 Nr. 3 haftPflG, § 7 Absatz 2. StVG. Auch im Reiserecht hat der Begriff Einzug genommen, was sich aus § 650 j BGB ergibt.

Die Rechtsprechung hat den nicht legal definierten Begriff der Anführungszeichen „höheren Gewalt“ ausgestaltet und definiert ihn allgemein wie folgt:

„Höhere Gewalt ist ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen Dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, dass nach menschlicher Einsicht und Erfahrung für unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste, nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartenden Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann (vergleiche BGH, Urteil vom 16.10.2007, VI ZR 173/06; BGH, Urteil vom 16.05.2017 - X ZR 142/15).

Force-Majeure-Klausel

Verträge mit internationalem Bezug enthalten im Regelfall eine sogenannte “Force-Majeure-Klausel” die definiert, wann höhere Gewalt vorliegt und welche Rechte und Pflichten sich für die Parteien in einem solchen Fall ergeben. Oft ist hier eine Befreiung von der wechselseitigen Leistungspflicht nach unverzüglicher Anzeige vorgesehen.

Dabei weichen die vertraglichen Definitionen der höheren Gewalt oft voneinander ab. Die Auslegung eines solchen Vertrages richtet sich nach dem anwendbaren Recht. Wenn man im Vertragsrecht die Folgen höhrer Gewalt bzw. die Regelungen von Force Majeure Klauseln einordnen möchte, dann gibt es vor allem Lösungen in Form einer

  • Leistungsbefreiung wegen Unmöglichkeit (§ 275 BGB), 
  • Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) und 
  • einer Vertragskündigung aus wichtigem Grund (§ 314 BGB).

Was gilt für Versicherungen?

Aus einer versicherungsrechtlichen Sicht ergeben sich hier eine ganze Reihe von Fragen. Zunächst stellt sich die Frage, ob eine Dependance in Russland, also z.B. ein eigener Standort oder eine Tochtergesellschaft deutscher Unternehmen, und entsprechend ein solcher in der Ukraine vom bestehenden Versicherungsschutz umfasst ist. Diese Frage kann man nicht einheitlich beantworten. In einem solchen Fall sollten Sie anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen oder Ihren Versicherungsmakler befragen, ob und gegebenenfalls welche Schritte hier erforderlich sind.

Greifen Kriegs- und Terrorklauseln oder -ausschlüsse bei Versicherungen? 

In Versicherungsverträgen finden sich regelmäßig Ausschlussklauseln, die bei Inneren Unruhen, Kriegs/ oder Bürgerkriegsereignissen, Aufruhr, Streik etc. einen Leistungsausschluss vorsehen. Damit wollen Versicherer in schwerüberschaubaren, schadensintensiven und nicht kalkulierbaren Risikosituationen ihre Leistungspflicht ausschließen. Hier ist jeweils zu prüfen, ob die Vereinbarung wirksam erfolgt ist und ob hier möglicherweise eine Haftung wegen Aufklärungsverschuldens möglich ist.

Was gilt in den einzelnen Versicherungssparten? 

Verkehrshaftungsversicherung 

Hier richtet sich der Versicherungsschutz nach den Vereinbarungen im Versicherungsvertrag, insbesondere im räumlichen Bereich. Versicherungsnehmer müssen damit rechnen, dass sich der Versicherer bei Schäden auf die Ausschlussklausel im Schadensfall beruft, wenn Transporter nach Russland oder in die Ukraine geschehen und sich hier Schäden ereignen.

Transportversicherung 

Bei der Transportversicherung gibt es ähnliche Klausen, die einen Ausschluss vorsehen. Es gibt aber auch Versicherer, die entsprechende Risiken mit abbilden.

Haftpflichtversicherungen 

Kfz-Versicherungen 

In all diesen Versicherungen gibt es in der Regel entsprechende Ausschlussklauseln. Hier gilt das oben Gesagte.

Cyberkrieg

Der Krieg in der Ukraine tobt an mehreren Fronten. In bislang nicht dagewesenem Umfang wir die Auseinandersetzung auch im Cyberraum geführt. Bislang sind zwar noch keine physischen Schäden zu verzeichnen. Der wirtschaftliche Schaden ist aber schon jetzt immens – durch gezielte Attacken auf Netzwerke der öffentlichen Hand und von Wirtschaftsunternehmen. Aus Sorge vor staatlich erzwungener Spionage warnt das BSI aktuell vor der weit verbreiteten Virenschutzsoftware der russischen Firma Kaspersky. Das ganze Ausmaß der webbasierten Spionage und Sabotage wird wohl nie bekannt werden.

Wichtig ist es deshalb, die eigene Angreifbarkeit durch technische Massnahmen und Softwareupdates zu gewährleisten.

Cyberrisiken-Versicherung 

Aber was, wenn die Maßnahmen zu spat kommen oder nicht greifen? Im Falle einer erfolgreichen Cyberattacke kann eine Cyberrisiken-Versicherung helfen.

Aktuell ist verstärkt mit Hackerangriffen aus dem russischen Raum zu rechnen. Die Bundesregierung hat bereits vor Produkten aus Russland, wie etwa dem Virenschutzprogramm Kaspersky, gewarnt. Besonders betroffen sind deutsche Ziele, neben öffentlichen Einrichtungen auch Wirtschaftsunternehmen.

Hier empfiehlt es sich, einen Cyberrisiken-Versicherungsschutz herzustellen. Im Rahmen dieses Versicherungsschutzes ist darauf zu achten, dass der Versicherungsschutz auch die aktuelle Situation mit abdeckt. Viele Versicherer sehen aber auch hier entsprechende Risikoausschlussklauseln vor.

Teilweise ist in der Ausschlussklausel neben dem Krieg, einer Invasion, ein Bürgerkrieg, Aufstand, Revolution, hoheitlichen Eingriffen, Aufruhr, Inneren Unruhen, Generalstreik, illegalen Streik oder militärischer bzw. gewaltsamer Machtergreifung auch explizit der Cyber-Krieg genannt. Cyber-Krieg ist zum einen die kriegerische Auseinandersetzung im und um den virtuellen Raum, dem sogenannten Cyberspace, mit allen vorwiegend aus dem Bereich der Informationstechnik herrührenden Mitteln. Schon seit Jahren steigen die Fälle von Cyberkriminalität exponentiell an. Aus diesem Grunde sind die so einen Cyberrisiken-Versicherungen immer bedeutender geworden. Gerade jetzt im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine wird von allen Seiten davor gewarnt, dass der Krieg auch im Internet ausgetragen wird. So titelt ZEIT-Online am 05.03.2022 unter der Überschrift „Cyberkrieg-Kriegsgefahr im Cyberraum“ einen entsprechenden Artikel. Ein solcher Cyberkrieg kann erhebliche und verheerende Folgen haben, bis hin zu nuklearen Vorfällen.

(https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2022-03/cyberkrieg-ukraine-russland-hackerangriffe-atomwaffen?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F)

Aus diesem Grunde sollte in diesem Zusammenhang neben dem aktuellen Versicherungsschutz bezüglich einer Cyberrisiken-Versicherung bzw. der Herstellung eines entsprechenden Versicherungsschutzes unbedingt darauf geachtet werden, dass das Unternehmen professionell gegen Attacken aus dem Internet geschützt ist.

Sie sind Unternehmer und haben Fragen zu den Sanktionen, Leistungsstörungen durch den Ukraine-Krieg oder Leistungen von Versicherungen? 

Dann stehe ich Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Verfügung. Ich bin seit 2009 Fachanwalt für Versicherungsrecht und über einen russischsprachigen Kollegen sowie Partnerkanzleien in Russland auf das Thema spezialisiert.

Foto(s): @canva.com


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