Kuhangriff auf der Almwiese – Italien im Vergleich mit Österreich

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Immer wieder sorgen aufsehenerregende Zwischenfälle mit Weidetieren in Bergregionen für Furore.

Ein tödlicher Zwischenfall wurde bereits vor ein paar Jahren in Österreich am Landes- und Oberlandesgericht Innsbruck ausjudiziert und endete mit der Feststellung einer erheblichen Mitschuld von 50% der verstorbenen Wanderin sowie einer Schadenersatzverurteilung in Höhe von ca. € 78.000 und einer monatlichen Rente von € 600 und € 180 für die Hinterbliebenen.

Der österreichische OGH in seiner Urteilsbegründung wörtlich:

Zur Tierhalterhaftung in der Alm- und Weidewirtschaft hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt Stellung genommen und ausgeführt, dass grundsätzlich keine Verpflichtung besteht, einen Weg, der durch ein Weidegebiet führt, durch Zäune vom Weidegebiet abzugrenzen (RS0030039). Eine Abzäunung eines Wegs auf einer Almweide ist weder üblich noch zumutbar (5 Ob 5/13s mwN). Diese Rechtsprechung beruht auf der Prämisse, dass Kühe im Allgemeinen keine Gefahr für den Menschen sind (vgl 2 Ob 18/93; Reischauer in Rummel 3 § 1320 Rz 13). Besondere Umstände können im Einzelfall freilich zu einer Anhebung der Sorgfaltsanforderungen führen (RS0030081 [T22]). So muss etwa die Verwahrung eines Tieres auf einer Weide in unmittelbarer Nähe einer stark frequentierten Straße (RS0030107) oder einer Seilbahnstation (RS0030107 [T2]) besonders sorgfältig erfolgen.[1]

Im konkreten Fall kamen die Gerichte zum Schluss, dass die Verwahrung der Kühe vonseiten des Landwirtes unzureichend sicher war, aber auch dass die Wanderin als Hundehalterin eine erhebliche Mitschuld trifft, und zwar mit dieser Begründung:

Die vom Beklagten angebrachten Warnschilder brachten die von einem Zusammentreffen von Hunden und seinen Mutterkühen ausgehende Gefahr deutlich zum Ausdruck (vgl 2 Ob 25/15p). Das Mitführen eines Hundes verpflichtete D* daher zu einer besonderen Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten. Daran vermag auch ein allfälliges subjektives Sicherheitsgefühl, das die Kläger aus dem Umstand ableiten, dass sich D* auf einer öffentlichen Gemeindestraße und in unmittelbarer Nähe zu einer Gaststätte mit Kinderspielplatz befand, nichts zu ändern. Auch in Bezug auf die Verschuldensteilung im Verhältnis 1:1 ist dem Berufungsgericht daher kein aufzugreifender Ermessensfehler unterlaufen.

Vor wenigen Wochen wurden in Südtirol zwei Touristen von einer Mutterkuh verletzt, nachdem diese von einem freilaufenden Hund aufgescheucht worden war.[2] Nun stellt sich die Frage, wie die Haftung im italienischen Recht bei Tierunfällen geregelt ist.

Art. 2052 ZGB sieht Folgendes vor:

Der Eigentümer eines Tieres oder derjenige, der sich eines solchen bedient, und letzterer beschränkt auf die Zeit des Gebrauchs, haftet für die durch das Tier verursachten Schäden, sei es, dass sich dieses in seiner Obhut befunden hat, sei es, dass es verloren gegangen oder entflohen ist, außer er weist einen Zufall nach.

Nach einhelliger Rechtsprechung ist dieser Haftungstatbestand als objektive Haftung anzusehen, d.h. der Tierhalter haftet unabhängig von Vorsatz oder Fahrlässigkeit in der Verwahrung der Tiere. Der einzige Ausweg ist der Nachweis des Zufalls. Der Zufall ist ein unvorhersehbares, unvermeidbares und absolut außerordentliches Ereignis. Dazu zählen bspw. nicht die natürlichen Instinkte eines Tieres, das nach Freiheit strebt, und nicht einmal der Diebstahl einer Tierherde durch Diebe, wenn die konkreten Umstände – ein freies Herumlaufen der Tiere – einen Diebstahl einfach zuließen und dieses Ereignis nicht unvorhersehbar oder unvermeidbar machten.[3]

Das Handeln Dritter muss, um als Zufall zu gelten, unvorhersehbar, unvermeidbar und absolut außerordentlich sein. Ein Spaziergang durch eine Almwiese, entlang eines Wanderweges, evtl. auch mit Hund, stellt daher im Sinne der italienischen Rechtsprechung wohl eher keinen Zufall dar. Auch der Furchtinstinkt der Tiere infolge des Zusammentreffens mit dem Hund scheint nicht unter den Begriff des Zufalles, wie oben geschildert, subsumierbar.

Für den objektiven Haftungstatbestand ist sogar die Sorgfalt bei der Verwahrung der Tiere irrelevant. D.h. das Aufstellen eines Warnschildes und eines Zaunes allein, reichen nicht aus, den Landwirt aus der Haftung zu befreien. Diese dienen allenfalls dazu, einen Zwischenfall eher zu einem außerordentlichen Ereignis und folglich zu einem Zufall zu machen, sind aber keine Garantie für den Haftungsausschluss.

Das Treffen aller Sicherheitsvorkehrungen bestehend aus Einzäunung und Warnschildern sowie ein angemessener Haftpflichtversicherungsschutz sind empfehlenswert.

Im Gegensatz zu Österreich, wo Kühe generell nicht als gefährlich angesehen werden, die Einzäunung einer Almwiese als unzumutbar eingestuft wird und die Sorgfalt des Landwirts sowie die Fahrlässigkeit des Verletzten beurteilt wird, zeichnet sich in Italien ein wesentlich strengeres Bild der Haftungsregeln, welche fast immer den Tierhalter in die Pflicht nehmen.

Darüber hinaus sind Schadenersatzsummen in Italien in der Regel empfindlich höher als in Österreich. Bei einem Todesfall ist die Auszahlung einer Summe von € 1 Mio. und mehr durchaus keine Seltenheit.

[1] OGH, Beschluss vom 30.04.2020 GZ 5Ob168/19w.

[2]Redazione ANSA, Mucche aggrediscono turisti all'Alpe di Siusi, due feriti (17.07.2023), https://www.ansa.it/trentino/notizie/2023/07/17/mucche-aggrediscono-turisti-allalpe-di-siusi-due-feriti_115a9245-3736-4f82-96c6-bdc1b85bff39.html (26.07.2023)

[3] Cass. civ., 13/10/1972, n. 3047


Foto(s): Foto von Heiner: https://www.pexels.com/de-de/foto/weisse-und-braune-kuh-nahe-berg-wahrend-des-tages-205001/


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