Landgericht Frankfurt am Main: Keine Nutzungsentschädigung bei verwerflicher Verbrauchertäuschung

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Vor dem Landgericht Frankfurt am Main haben wir für die Käuferin eines VW Sharan mit manipuliertem Emissionskontroll-System das Maximum erstritten: vollständige Rückabwicklung des Kaufs, zuzüglich deliktischer Zinsen – und das ohne Anrechnung einer Nutzungsentschädigung. Bemerkenswert ist die Begründung der Zivilkammer: Angesichts des besonders verwerflichen Vorgehens von Volkswagen, kommt eine Nutzungsentschädigung nicht infrage.

Die Stärkung der Verbraucherrechte durch deutsche Gerichte setzt sich fort. Das Landgericht Frankfurt (30.04.2020, Az. 2-27 O 2/19) verurteilte Volkswagen zur Rücknahme eines Anfang 2012 gebraucht erworbenen Sharan, in dem eine illegale Abschalteinrichtung in Form einer Zykluskontrolle eingesetzt worden war. VW muss der Käuferin nicht nur den vollen Kaufpreis von 37.000 Euro erstatten, sondern auch noch deliktische Zinsen seit dem Kaufdatum. Insgesamt beläuft sich die Entschädigung auf rund 49.000 Euro.

In seiner Urteilsbegründung führte das Gericht aus, dass VW mit dem Einsatz der Manipulationssoftware die Typgenehmigung für das Fahrzeug erschlichen und die Käuferin des Sharan aus Gründen der Gewinnmaximierung bewusst getäuscht und damit vorsätzlich sittenwidrig geschädigt habe.

Das Unternehmen habe die Ahnungslosigkeit der Verbraucher zu seinem Vorteil ausgenutzt. Angesichts dieser „besonders verwerflichen Vorgehensweise“, so das Gericht, sei ein Vorteilsausgleich durch eine Nutzungsentschädigung unbillig und daher auszuschließen.

Im Rahmen dieser an sich schon bemerkenswerten Argumentation verwies der Richter auch auf einen Grundsatz der EU-Rechtsprechung, nach dem nationale Gerichte angehalten sind, Wettbewerbs- und Verbraucherschutz zu forcieren. Die Anrechnung einer Nutzungsentschädigung sei damit nicht vereinbar. Denn sie könnte Autokäufer möglicherweise davon abhalten, ihre Rechte gegenüber den Herstellern geltend zu machen. Je länger ein solches Verfahren dauert, desto mehr profitieren die Autokonzerne, da die Nutzungsentschädigung mit der Dauer immer höher ausfällt. Das, so das Frankfurter Gericht, würde die Verbraucherrechte aushöhlen. Zudem sei eine unbeschränkte Rückabwicklung des Kaufvertrags angemessen und geboten, weil sie „gerade in Fällen eines vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens“ eine abschreckende und verhaltensändernde Wirkung habe.

Eine vollständige Erstattung des Kaufpreises plus deliktischer Zinsen: Die Frankfurter Entscheidung ist ein Sieg auf ganzer Linie. Das Gericht hat glasklar dargelegt, wie Volkswagen Kunden und Behörden mit erheblichem Aufwand vorsätzlich sittenwidrig getäuscht hat – und daraus die einzig folgerichtige Konsequenz gezogen: Dieses verwerfliche Vorgehen darf nicht auch noch durch eine Nutzungsentschädigung ‚belohnt‘ werden, die allen Prinzipien des Verbraucherschutzes widerspricht. Wir hoffen sehr, dass sich auch der Bundesgerichtshof bei seiner Entscheidung zur Frage der Nutzungsentschädigung von diesen Prinzipien und vom EU-Recht leiten lässt.


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