Das neue Legal-Tech-Gesetz – Was Sie als Anwalt darüber wissen müssen

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Das neue Legal-Tech-Gesetz – Was Sie als Anwalt darüber wissen müssen

Legal Tech ist ein Begriff mit breiter Verwendung. Eine davon meint mit Rechtsanwälten um Mandanten konkurrierende Angebote, die Vorteile der Informationstechnologie als auch rechtlicher Rahmenbedingungen nutzen. Letztere haben ein Wettbewerbsungleichgewicht gezeigt, das das Legal-Tech-Gesetz seit Oktober 2021 ausgleichen soll.

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Ungleiche Bedingungen

In den allermeisten Fällen erbringen die Anbieter die Rechtsdienstleistungen nicht als Rechtsanwälte, sondern auf Basis einer Inkassolizenz. Im Gegensatz zur Anwaltschaft erlaubt ihnen das eine viel weitgehendere Vereinbarung von Erfolgshonoraren und Angebote der Prozessfinanzierung. Praktisch zeigt sich das durch Provisionen, die die Anbieter bei erfolgreicher Anspruchsdurchsetzung verlangen. Bei Nichterfolg erbringen sie ihre Leistung dagegen kostenlos. 

Was ist Legal Tech?

Entsprechende Angebote, wie etwa zur Geltendmachung von Flugentschädigungen, existieren dabei bereits seit Jahren. Infolge positiver Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu ihrer Zulässigkeit (Az.: VIII ZR 285/18, II ZR 84/20) und des Gesetzgeberwillens diese zu erhalten, gelten die auf Inkassolizenzbasis erbrachten Rechtsdienstleistungen als rechtlich etabliert. Das gilt auch für den Legal-Tech-Begriff in anderen Bereichen. Der Ratgeber zum Thema Legal Tech stellt diese näher vor.

Was ändert sich durch das Legal-Tech-Gesetz?

Das eigentlich mit Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt bezeichnete Legal-Tech-Gesetz will dieses Ungleichgewicht verringern. Angebote auf Inkassolizenzbasis will es einerseits stärker regulieren. Die mit Blick darauf engeren Rahmenbedingungen für die Anwaltschaft soll das Legal-Tech-Gesetz andererseits lockern.

Liberalisierung des Erfolgshonorars

War das Erfolgshonorar für Anwälte bisher nur in sehr begrenzten Ausnahmefällen zulässig, bringt das Gesetz eine geringfügige Lockerung. Danach werden Erfolgshonorare nun Rechtsanwälten erlaubt:

  • für alle pfändbaren Geldforderungen bis zu 2.000 Euro. Ein Verzicht auf das Honorar bei Unterliegen setzt dabei einen Zuschlag auf die gesetzlich vorgesehene Vergütung im Erfolgsfall voraus.
  • bei außergerichtlichen Inkassodienstleistungen sowie im gerichtlichen Mahn- oder Zwangsvollstreckungsverfahren sogar unabhängig vom Gegenstandswert. In diesen Fällen ist künftig zudem die Vereinbarung einer geringeren als der nach RVG vorgesehenen Vergütung oder gar ein Verzicht ausdrücklich möglich ohne weitere Voraussetzung. Des Weiteren sind Erfolgshonorare künftig erlaubt, wenn ein Mandant Beratungshilfe beanspruchen kann.

Ausgeschlossen bleiben Erfolgshonorare dagegen bei Straf- und Bußgeldforderungen, Disziplinarverfahren sowie sonstigen unpfändbaren Ansprüchen, wie sie etwa im Familienrecht existieren.

Erfolgshonorare sind Rechtsanwälten aktuell nach § 4a Abs. 1 RVG zudem nur dann erlaubt, wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Hier sieht das „Legal-Tech-Gesetz“ vor, sie künftig unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Mandanten zu ermöglichen. Voraussetzung bleibt jedoch, dass ein Mandant ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung im Einzelfall bei verständiger Betrachtung abgehalten würde.

Anwaltliche Prozessfinanzierung bleibt beschränkt

Legal-Tech-Gesetz: Was ändert sich für Anwälte?

Die eigene Finanzierung von Prozessen bleibt Rechtsanwälten – von den erweiterten Erfolgshonorarmöglichkeiten abgesehen – weiter grundlegend untersagt. Ursprünglich geplante Lockerungen der Prozessfinanzierungsmöglichkeiten für Anwälte gelangten nicht in das nun verabschiedete Gesetz.

Umgangsregeln mit Fremdgeldern auch für Legal-Tech-Inkassos

Rechtsberatungsanbieter auf Inkassolizenzbasis werden ab dem 1. Oktober 2021 in die Pflicht genommen, Fremdgelder unverzüglich an empfangsberechtigte Personen weiterzuleiten oder auf Anderkonten zu verwahren. Für Anwälte war dies schon immer gängige Praxis.

Kosten für Gegner

Die Kosten für Einziehung als Schaden gegenüber dem Schuldner sind nur bis zur Höhe geltend machbar, wie sie ein Rechtsanwalt hätte geltend machen können.

Zulässige Inkassotätigkeit konkreter definiert

Durch das neue Gesetz wird Legal-Tech-Anbietern die Rechtsberatung auf Inkassolizenzbasis innerhalb etwas engerer Grenzen erlaubt, als sie die höchstrichterliche Rechtsprechung inzwischen gezogen hat. Die erlaubten Rechtsdienstleistungen werden dadurch zwar konkreter als bisher beschrieben: Insgesamt betrachtet bleiben sie aber weiter unkonkret.

Eine Inkassotätigkeit umfasst nun die Befugnis zur Einziehung einer konkreten Forderung einschließlich der auf die Einziehung bezogenen rechtlichen Prüfung und Beratung. Rechtliche Dienstleistungen auf Basis einer Inkassolizenz sind künftig auch ausdrücklich zulässig, wenn sie eine Nebenleistung zur Hauptleistung darstellen. Was jedoch konkret darunter fällt und welche rechtsberatenden Leistungen noch und welche nicht mehr von der Inkassolizenz gedeckt sind, das lässt die Neuregelung weiterhin offen.

Legal-Tech-Unternehmen zu mehr Transparenz verpflichtet

Der Verbraucherschutz bei Rechtsberatungsangeboten soll durch die Reform ebenfalls gestärkt werden: Auf Inkassolizenzbasis arbeitende Unternehmen werden zu mehr Aufklärung gegenüber ihren potenziellen Kunden vor dem Vertragsschluss verpflichtet.

Inkassounternehmen müssen ihren Kunden nun vorvertraglich Informationen zur Prozessfinanzierung geben. Vor Vertragsschluss müssen sie zudem aufklären über mögliche Vergleichsabschlüsse, deren Widerrufbarkeit und die Folgen für die Verbraucher.

In den Vergütungsvereinbarungen mit Inkassodienstleistern müssen für Kunden die Bedingungen des Erfolgshonorars genauer erläutert werden. Zudem muss darüber aufgeklärt werden, ob Forderungen auf einen anderen Weg durchgesetzt werden können. Insbesondere gilt das dann, wenn diese Wege die Geltendmachung der Forderungen in voller Höhe ermöglichen. Das gilt insbesondere beim vollständigen Obsiegen mit Hilfe eines Rechtsanwalts, dessen Kosten die Gegenseite übernehmen muss. Legal-Tech-Anbieter verlangen hierfür dagegen eine Provision, die die geltend gemachte Forderung nachträglich schmälert.

Weitergehende Registrierungspflicht für Inkassodienstleister

Inkassodienstleister begegnen zudem bei der Registrierung neue Anforderungen. Nicht nur die Dienstleistung an sich ist bei der Registrierung zu nennen.

Künftig müssen sie auch mitteilen, auf welchen Rechtsgebieten sie ihre Tätigkeiten erbringen und insbesondere welche davon Nebendienstleistungen darstellen. Das soll die Feststellung unzulässiger Rechtsberatung im Vorfeld erleichtern. Verbraucher soll das wiederum vor den Folgen einer unwirksamen Abtretung ihrer Forderung bewahren aufgrund einer verbotenen Rechtsdienstleistung.

Wer ein Inkassounternehmen anmelden möchte, muss in Zukunft nicht nur mit höheren Hürden rechnen. Es soll auch eine strengere Aufsicht bei der Vorabprüfung entsprechender Geschäftsmodelle durch die zuständigen Aufsichtsbehörden geben.

Ausblick auf die Zukunft

Zwar wurde durch die kommende Gesetzesreform beiden Seiten Zugeständnisse gemacht. Doch noch vor der Verabschiedung war bereits klar, dass weiterer erheblicher Reformbedarf besteht. Die Pflicht auf Prüfung erforderlicher Anpassungen innerhalb von drei Jahren ist deshalb bereits im Gesetz angelegt. Bis 30. Juni 2022 soll die Bundesregierung einen weiteren Gesetzentwurf vorlegen. Legal-Tech-Angebote werden jedenfalls danach Teil des Rechtsdienstleistungsmarktes bleiben. 

In diesem Interview erklärt Rechtsanwalt Dr. Frank Remmertz, warum aus seiner Sicht Legal Tech vieles erleichtern wird, den Anwalt aber auf lange Sicht nicht ersetzen kann.

(GUE; ZGRA)

Häufig gestellte Fragen und Antworten zum Legal-Tech-Gesetz  

Was sind die wesentlichen Änderungen durch das Legal-Tech-Gesetz?

Das Legal-Tech-Gesetz gewährt Anwälten vor allem mehr Freiheiten bei der Vereinbarung von Erfolgshonoraren. Anbieter von Rechtsdienstleistungen auf Basis einer Inkassolizenz werden zu mehr Transparenz sowie zu strikterer Fremdgeldbetreuung gegenüber ihren Kunden verpflichtet. Auch die Anforderungen zum Erhalten einer Inkassolizenz steigen. Nicht zuletzt wird der Rahmen auf Inkassolizenzbasis erlaubter Rechtsdienstleistungen im Rechtsdienstleistungsgesetz genauer definiert.

Gleicht das neue Gesetz das Ungleichgewicht zwischen Anwälten und Inkassos aus?

Das Legal-Tech-Gesetz ist ein Anfang, allerdings noch nicht das Ende. So wurden etwa diskutierte Möglichkeiten zur anwaltlichen Prozessfinanzierung nicht übernommen, die ein wesentlicher Teil für die Attraktivität der Legal-Tech-Angebote ist. Die Grenzen der auf Inkassolizenz erlaubten Rechtsdienstleistungen bedürfen ebenfalls weiterer Klärung. Der Gesetzgeber geht selbst von notwendigen Schritten in der Zukunft aus. Deshalb ist insbesondere die Bundesregierung aufgefordert, bis Ende Juni 2022 einen weiteren Gesetzentwurf zur Fortentwicklung der Regeln des Rechtsdienstleistungsmarktes vorzulegen.

Foto(s): ©Fotolia.com/wladimir, ©anwalt.de/BWI

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