Leitfaden Verteidigung in Bußgeldsachen (Verkehrs-Owi)

  • 4 Minuten Lesezeit

In diesem Leitfaden informiere ich Sie über den wesentlichen Ablauf eines Bußgeldverfahrens und die
Grundzüge der Verteidigung/anwaltlichen Tätigkeit in Bußgeldsachen. 

Hinweis: Haben Sie eine Rechtsschutzversicherung die den Verkehrsrechtsschutz beinhaltet, so muss die Versicherung die durch die Verteidigung gegen den Bußgeldbescheid entstehenden Anwalts- und Gerichtskosten übernehmen. Dies jedenfalls dann, wenn der Verstoß mit mindestens einem Punkt im Fahrerlaubnisregister in Flensburg geahndet wird.


1. Ausfüllen des Anhörungsbogens

Vor Erlass eines Bußgeldbescheides wird dem „Beschuldigten“ (der im Bußgeldverfahren
„Betroffener“ heißt) ein sog. Anhörungsbogen zugestellt. In diesem Bogen sind nur die
persönlichen Angaben unter der Ziffer I. zu machen und der Bogen ist unten zu unterschreiben. 

Wichtig: Äußern Sie sich in diesem Stadium des Verfahrens niemals zur Sache und machen Sie auch keine Angaben dazu, ob Sie selber gefahren sind, oder wer sonst gefahren ist. Lassen Sie außer den Angaben unter I. einfach alle weiteren Felder im Bogen frei und senden Sie den Anhörungsbogen an die Zentrale Bußgeldstelle zurück.


Hinweis: Die Verjährungsfrist beträgt in Bußgeldsachen zumeist 3 Monate. Diese Frist wird
aber bereits durch die Versendung des Anhörungsbogens unterbrochen und beginnt neu zu
laufen. Erhalten Sie den Anhörungsbogen jedoch länger als drei Monate nach der Ihnen zur Last
gelegten Tat, kommt eine Verjährung in Betracht.


2. Zustellung des Bußgeldbescheids

Spätestens 3 Monate nach Rücksendung des Anhörungsbogens erhalten Sie dann den
Bußgeldbescheid von der Bußgeldbehörde zugestellt. Dies in einem gelben Briefumschlag
mit Angabe des Zustellungsdatums. Im Bescheid werden die Geldbuße, die Gebühren, ein
mögliches Fahrverbot und die Anzahl der Punkte im Fahreignungsregister festgesetzt. Ab
Zustellung läuft eine zweiwöchige Einspruchsfrist. Wird innerhalb von 2 Wochen kein
Einspruch erhoben, wird der Bußgeldbescheid rechtskräftig.

Hinweise zum Fahrverbot:
Erhält man zum ersten Mal ein Fahrverbot, so kann man das Fahrverbot innerhalb von 4
Monaten nach Rechtskraft des Bescheides antreten. Dies wird im Bescheid auch entsprechend mitgetetilt. Rechtskräftig wird der Bescheid zwei Wochen nach Zustellung (wenn kein Einspruch eingelegt wird), bei Rücknahme eines zunächst eingelegten Einspruchs, oder eine Woche nach dem Urteil der ersten Instanz. Ab diesem Zeitpunkt läuft dann die 4-Monats-Frist.

In Bayern kann der Führerschein bei der Polizeidienststelle am Wohnsitz des Betroffenen
abgegeben werden. Dies erspart das Risiko und den Zeitverlust durch die Übersendung an
die Bußgeldstelle per Post.

3. Einspruch gegen Bescheid

Ab Zugang des Bußgeldbescheides beginnt für gewöhnlich die anwaltliche Arbeit. Wir legen für unsere Mandanten fristwahrend Einspruch ein und beantragen gleichzeitig Akteneinsicht. Die Akteneinsicht ist im Übrigen ein Privileg der Anwaltschaft. Nicht anwaltlich vertretenen Personen wird keine Akteneinsicht gewährt. Nach Eingang der Akte nach ca. 3 Wochen wird diese Akte von uns auf mögliche formelle Fehler geprüft. In Betracht kommen diesbezüglich beispielsweise:

Formelle Fehler:
- Zu ungenaue Angaben zu Verstoß und/oder Tatort
- Unzureichende Rechtsbehelfsbelehrung

- Unzureichende Dokumentation der Messung
- Falscher Name des Betroffenen (nicht nur kleines Schreibversehen)


Messfehler:
- Auf dem Foto des Messgeräts sind zwei Fahrzeuge abgebildet
- Das Fahrzeug befindet sich außerhalb des Messbereiches
- Messgerät wurde falsch bedient (z.B. bei dem Messgerät „Riegl FG 21-P“ vor der
Messung ein Test an einem Zielobjekt mit rechteckigen Kanten vorzunehmen.
Teilweise werden von Polizeibeamten aber fälschlich runde Verkehrsschilder benutzt;beim Messgerät „Lasor Patrol“ wird manchmal das Ziel falsch anvisiert)
- Messgerät ist nicht ordnungsgemäß geeicht
- Messgerät wurde falsch aufgestellt (falsche Höhe, falscher Winkel zur Fahrbahn)
- Bei Abstandsverstößen ist auf Video Spurwechsel oder Abbremsen des
Vorausfahrenden erkennbar


4. Abgabe des Verfahrens an das zuständige Amtsgericht

Der Einspruch wird von der Behörde zwar formal überprüft, in der Praxis jedoch so gut wie
nie aufgehoben. Stattdessen wird die Angelegenheit so gut wie immer an das zuständige Amtsgericht übergeben. Zuständig ist das Gericht, in dessen Gerichtsbezirk der vermeintliche Verstoß begangen wurde. Vom Gericht bekommen wir dann ein Aktenzeichen und den Verhandlungstermin mitgeteilt. Sollten aus der Akte Fehler der Messung oder des Bescheides hervorgehen (siehe unter 3.), kann in diesem Stadium des Verfahrens versucht werden Kontakt mit dem Gericht aufzunehmen und eine Einstellung des Verfahrens bereits vor dem Verhandlungstermin zu erwirken.


5. Hauptverhandlung

Zum Hauptverhandlungstermin werden Sie als Betroffener stets persönlich geladen. Eine Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen ist jedoch dann möglich, wenn die Fahrereigenschaft eingeräumt wird. Dies bedeutet, dass wir schriftlich erklären dass Sie zumTatzeitpunkt tatsächlich Fahrer des entsprechenden Fahrzeuges waren. Wird dies bestritten, so wird sich der/die Richter/in stets in der Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Betroffenen verschaffen wollen. Bleiben Zweifel, so kommt die Einholung eines sog. humanbiologischen Gutachtens in Betracht. Ein Sachverständiger muss dann klären, ob die Person auf dem Foto auch die Person ist, die den Bußgeldbescheid erhalten hat.


In der Verhandlung können dann sämtliche Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des
Bescheides vorgebracht und auch Beweisanträge gestellt werden. Darüber hinaus gibt es
u.a. noch folgende taktische Möglichkeiten:
- Erhöhung der Geldbuße gegen Wegfall oder Reduzierung des Fahrverbotes wegen
unbilliger Härte (z.B. drohende Arbeitslosigkeit)
- Zeitgewinn durch Hinausschieben der Rechtskraft (z.B. Deal mit Gericht bezüglich
Vertagung der Verhandlung)


Ist der Einspruch in der ersten Instanz erfolglos und wird der Bescheid bestätigt, besteht die
Möglichkeit das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde vor dem zuständigen Oberlandesgericht einzulegen einzulegen. 

Sollten Sie Fragen betreffend eines erhaltenen Bußgeldbescheides haben, so können Sie mich/unsere Kanzlei gerne kontaktieren.


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