Medienstrafrecht: Hilflose Person fotografiert? 201a StGB! Hausdurchsuchung!

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Wird Ihnen vorgeworfen, den höchstpersönlichen Lebensbereich eines anderen verletzt zu haben? Haben Sie deswegen eine Vorladung erhalten oder schlimmer – mussten Sie eine Hausdurchsuchung erdulden?

Was ist strafbar? Gemäß § 201a StGB wird die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches bestraft. Hierbei mag man zuallererst daran denken, dass man etwa jemanden in der Umkleidekabine oder mit einem Teleobjektiv in seinem Schlafzimmer fotografiert hat. Zahlreiche Fälle betreffen aber auch die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Filmaufnahmen oder Bilder, die die Hilflosigkeit einer schwer verletzten, z.B.  verunfallten Person zur Schau stellen.

Was sind die Folgen? Dazu heißt es in § 201a StGB, dass bestraft wird,

„wer eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt“

Das berechtigt nach der Rechtsprechung des Landgerichts Bonn (Beschluss vom 13. Juli 2021, Aktenzeichen 50 Qs-410 JS 78/21 – 18/21) Staatsanwaltschaft und Polizei zur Hausdurchsuchung.

Eine Hausdurchsuchung ist regelmäßig für alle Beteiligten - den Betroffenen selbst und ggf. seine Familie - ein höchst unangenehmer Vorgang. Wichtig dabei ist zu wissen, dass die Hausdurchsuchung häufig gar nicht beschränkt bleibt auf etwa die Beschlagnahme des Handys, auf dem sich möglicherweise die Aufnahmen befinden können, sondern es wird regelmäßig die gesamte Wohnung durforstet;  mitgenommen werden auch Laptops, PCs, Tablets und alle Speichermedien (Festplatten, USB-Sticks).

Doch ist das wirklich gerechtfertigt? Zunächst mal war bis vor einigen Jahren das Fotografieren einer Person zwar unzulässig, insbesondere wenn diese mitgeteilt hat, dass sie eine Aufnahme nicht wünscht. Jedenfalls war die Herstellung dieser Aufnahme nicht einmal strafbar. Das ist heute anders, und damit können die Behörden auch ermitteln. Allerdings galt schon immer gem. Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz:

Die Wohnung ist unverletzlich.

Dabei handelt es sich um ein Grundrecht, das sich wie alle Grundrechte vor allem gegen den Staat richtet. In dem vom Landgericht Bonn entschiedenen Fall hatte das Amtsgericht Bonn einen Durchsuchungsbeschluss erlassen zum Zwecke der Auffindung von Mobilfunktelefonen, Kameras und Computern als Tatwerkzeuge. Der Beschuldigte hatte im Verdacht gestanden, auf einem von ihm betriebenen Kanal im Internet eine achtminütige Aufnahme eines schweren Verkehrsunfalls veröffentlicht zu haben. Ein Teil der Aufnahme war die Bergung eines Schwerverletzten durch mehrere Einsatzkräfte der Feuerwehr. Die Schwester des Unfallopfers bat den Beschuldigten um Entfernung des Clips, auf dem ihr Bruder (mit verpixeltem Gesicht) gezeigt worden war. Das lehnte der Beschuldigte mit Hinweis auf die Pressefreiheit ab.

Die Begründung der Gerichte. Das Besondere ist, dass schon das Amtsgericht den Durchsuchungsbeschuss für rechtmäßig hielt, weil sich der Beschuldigte nicht auf die Pressefreiheit (§ 201a Abs 4 StGB) berufen könne. Es habe an journalistischer Aufbereitung gefehlt. D.h., schon ohne, dass die Frage der Strafbarkeit geklärt ist, ob eine Straftat vorliegt, war die Dursuchung rechtmäßig gewesen. So kann man das nicht begründen. 

Das Landgericht setzt hier noch einen drauf. Das Gericht betont, dass sich aus der Akte zahlreiche Anhaltspunkte ergeben, dass der Beschuldigte die Tat begangen habt, „wobei dieser dies ohnehin nicht abstreitet.“ Warum dann die Durchsuchung? Eine einfache Aufforderung, bei der Polizei zu erscheinen, hätte gereicht. Zwar sei das geringe Strafmaß zu berücksichtigen, das ändere aber nichts an der Angemessenheit der Durchsuchung. In der Abwägung, ob die Maßnahme verhältnismäßig ist oder nicht, sei zu berücksichtigen, dass der Beschuldigte das Video im Internet einer unbegrenzten Anzahl von Personen zur Verfügung gestellt habe. Das Gericht geht dabei nicht darauf ein, dass dieser Personenkreis das Unfallopfer gerade nicht erkennen kann, weil das Gesicht verpixelt war. Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung habe demgegenüber zurückzutreten. 

Kritik. Die Entscheidung des Landgerichts ist nach meiner Auffassung offensichtlich verfassungswidrig und hätte gegebenenfalls vom Bundesverfassungsgericht geprüft und korrigiert werden sollen. Das Gericht hat den Wert des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung verkannt, weil es das geringe Strafmaß (höchstens 2 Jahre) zwar nennt, aber nicht berücksichtigt. Vor allem aber hat der Beschuldigte ja überhaupt nicht bestritten, dass Video veröffentlicht zu haben! Die Hausdurchsuchung war damit eine willkürliche Schikanemaßnahme der Staatsanwaltschaft, die auf einen Richter traf, dem das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung ebenfalls nicht viel bedeutet.

Was also tun? Wenn bei Ihnen eine Hausdurchsuchung stattfindet, verhalten Sie sich ruhig und rufen einen Anwalt an. Wenn das nicht möglich ist, lassen Sie die Hausdurchsuchung über sich ergehen. Unterschreiben Sie nichts. Erklären Sie nicht ihr Einverständnis mit der Durchsuchung, geben Sie keine Passwörter heraus. Es kommt überhaupt nicht darauf an, ob sie sich „kooperativ“ verhalten oder nicht, auch wenn Ihnen die ermittelnden Beamten etwas anderes erzählen mögen. Da entsprechende Taten zu einer erheblichen Stigmatisierung führen können, halten Sie das Umfeld, mit dem Sie sich über die Angelegenheit besprechen, klein.

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Dr. Daniel Kötz ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. Er vertritt in Fällen, in denen es um Straftaten im Zusammenhang mit Bildern (Fotografien) Texten/Worten und Daten geht.

Foto(s): Frank Beer

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