Mietvertrag widerrufen: Wohnen ohne Miete für mehr als ein Jahr? - LG Berlin vom 21.10.2021 - 67 S 140/21

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Nach der Entscheidung des LG Berlin vom 21.10.2021 - 67 S 140/21 - wurde ein Vermieter verurteilt, dem Mieter die Miete für ein Jahr zurückzuerstatten - nach dessen erfolgreichen Widerruf des Mietvertrages.

Wann kommt der Widerruf des Mietvertrages in Frage?

Grundsätzlich ist der Mietvertrag für beide Parteien bindend; bis auf wenige Ausnahmen gibt es kein Widerrufsrecht. Nachfolgend geht es um die Fragen: Was sind die Voraussetzungen für einen Widerruf ? (I.) Wie widerrufe ich ? (II.) Was sind die Folgen des Widerrufs, veranschaulicht anhand LG Berlin, Urteil v. 21.10.2021 - 67 S 140/21? (III.):

I.

Nachfolgende Bedingungen müssen insgesamt vorliegen:

  • Vermieter: Unternehmer, Mieter: Verbraucher

Der Vermieter muss Unternehmer sein, d. h. er muss mehrere Wohnungen, mindestens 2, gewerblich vermieten. Zu den Einzelheiten siehe Der Vermieter: Unternehmer oder Verbraucher? (anwalt.de) . Der Mieter muss Verbraucher sein, d. h. die Wohnung überwiegend für private Zwecke nutzen.

  • Kein Gewerbemietvertrag

Bei einem Gewerbemietvertrag gibt es kein Widerrufsrecht, nur bei Wohnraummietverhältnis.

  • Per Telefon oder E-Mail abgeschlossene Mietverträge oder „Haustürgeschäfte“

Der Widerruf ist möglich, wenn die Parteien ihn als sogenannten Fernabsatzvertrag abgeschlossen haben, d. h. über Telefon, E-Mail, SMS oder einen anderen Messenger-Dienst. Ein Rücktrittsrecht besteht zudem, wenn der Mietvertrag außerhalb der Geschäftsräume des Vermieters abgeschlossen wurde, z.B. am Arbeitsplatz des Mieters oder in seiner Wohnung oder in anderen Räumlichkeiten, z.B. Café, Restaurant.

  • Keine Besichtigung der Wohnung vor Mietvertragsabschluss

Die Wohnung darf zuvor vom Mieter nicht besichtigt werden, das bedeutet sämtliche vermieteten Räume einschließlich Keller und Dachböden, anderenfalls erlischt ein Widerrufsrecht.

II.

Sind die vorstehenden Voraussetzungen (I.) erfüllt, kann der Mietvertrag widerrufen werden.

  • Frist und Form des Widerrufs

Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Hat der Vermieter über das Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt, verlängert sich die Frist zum Widerruf für den Mietvertrag auf 12 Monate und 14 Tage. Innerhalb der vorgenannten Frist kann vom Mietvertrag zurückgetreten werden, auch wenn der Mieter bereits eingezogen ist.

Der Widerruf ist an keine bestimmte Form gebunden; der Mieter muss einfach ausdrücklich mitteilen, dass er von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht und den Mietvertrag widerruft; d. h. auch telefonisch ließe sich ein Mietvertrag gegenüber dem Vermieter widerrufen. 

Es bedarf keiner Begründung für den wirksamen Widerruf.

  • Tipp 

Zu Beweiszwecken sollte ein Widerrufsschreiben indes (vorab) per Mail oder per Einwurfeinschreiben mit den Kontaktangaben des Mieters als auch des Vermieters inklusive Datum angefertigt werden; zugleich in dem Widerruf sollte eine unverzügliche Bestätigung des Vermieters zum Erhalt des Widerrufs abgefordert werden. 

III.

  • Das LG Berlin lässt den Mieter 13 Monate mietfrei wohnen nach erfolgten Widerruf!

Nach dem Urteil des LG Berlin vom 21.10.2021 -67 S 140/21, Beck RS 2021,33186, war ein Mieter als Ergebnis seines Widerrufs befugt, die Wohnung -  -abhängig vom Zeitpunkt seines Widerrufs- bis zu 13 Monate mietfrei zu nutzen.

Wie kam es zu der Entscheidung?

Nach dem Widerruf des Mietvertrages verliert dieser seine Gültigkeit. Das Mietverhältnis ist beendet. Für beide Vertragsparteien bedeutet das folgendes: der Mieter muss nach Ablauf der Widerrufsfrist die Wohnung verlassen und ausziehen. Der Vermieter muss dem Mieter die seit Mietbeginn gezahlte Miete einschließlich der Nebenkosten und der Kaution zurückzuerstatten.

An diesem Grundsatz hat sich die Entscheidung des LG Berlin orientiert. Der Mieter hatte hier die Wohnung vor Vertragsabschluss nicht besichtigt und wurde auch nicht über sein Widerrufsrecht belehrt. Der Mieter war Verbraucher; der Vermieter war Unternehmer. Konkret hatte der Mieter als Kläger hier seinen weniger als ein Jahr nach dem am 06.01/17.01.2019 erfolgten Vertragsschluss geschlossenen Mietvertrag am 02.01.2020 rechtzeitig widerrufen. Der Vermieter wurde verurteilt, die Mieter die in dem vorgenannten Zeitraum geleisteten Mietzahlungen - hier immerhin 10.165,09 € - zurückzuerstatten.

Diesem Rückzahlungsanspruch des Mieters steht nach Ansicht des Landgerichts kein Anspruch des Vermieters auf Wertersatz für die Nutzung der Wohnung entgegen. Die Spezialvorschriften hierzu sei nicht einschlägig (§ 357 Abs. 8 BGB).

Da bislang höchstrichterlich ungeklärt ist, ob der Mieter in Fällen fehlender Widerrufsbelehrung für den Zeitraum bis zum wirksamen Widerruf des Vertrages eine Nutzungsersatz für die Mietzeit an den Vermieter zu leisten hat, hat das Landgericht die Revision zum Bundesgerichtshofs wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Auf die Entscheidung kann mit Spannung gewartet werden, soweit (erfolgreich) die Revision eingelegt wurde.

  • Fazit

Der Widerruf vom Mietvertrag wird im Wohnraummietverhältnis weiterhin die Ausnahme bleiben, falls er aber Anwendung findet, kann er wirtschaftlich weitreichende Folgen (für den Vermieter) haben, wie die insoweit spektakuläre Entscheidung des LG Berlin vom 21.10.2021 - 67 S 140/21- aufzeigt.



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