Moderne Durchführung der Mitgliederversammlung

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Das oberste Organ eines jeden Vereins ist die Versammlung seiner Mitglieder. Mitgliederversammlungen werden traditionell als Präsenzveranstaltungen abgehalten – so sah es auch der historische Gesetzgeber.
Heute ist die Digitalisierung des privaten und öffentlichen Lebens weit vorangeschritten. Daher mehren sich Stimmen, die fordern, auch nicht körperliche Formen der Zusammenkunft unter Einsatz moderner Kommunikationsinstrumente einer „physischen Versammlung“ gleichzusetzen. 

Die „virtuelle“ Mitgliederversammlung, mitunter auch Tele-, Cyber-, Online-, Vertreter- oder internetgestützte Versammlung genannt, ermöglicht es Vereinen den Austausch ihrer Mitglieder zeitgemäß und bedarfsgerecht zu gestalten (dazu schon Mecking: Verbandswillensbildung über Neue Medien. Zulässigkeit der virtuellen Mitgliederversammlung, in: Verbändereport 1/2008, S. 17-20). Wenn die Mitglieder räumlich weit verstreut sind, ist dies geradezu das Mittel der Wahl. Und in Zeiten der Einschränkung des öffentlichen Lebens, wie sie aktuell im Zuge der Corona-Pandemie erfolgt, wird deutlich, wie nützlich es sein kann, auf eine solche Möglichkeit zugreifen zu können.

Aktuelle Hindernisse

Die wohl noch herrschende Meinung hält eine „virtuelle“ Mitgliederversammlung jedoch nur für zulässig,

1. wenn die Satzung diese explizit vorsieht

oder

2. wenn sämtliche Mitglieder des Vereins diesem Verfahren zustimmen.

Eine Eintragung in das Vereinsregister, die aufgrund eines Beschlusses im Rahmen einer virtuellen Mitgliederversammlung ohne entsprechende Satzungsgrundlage vorgenommen wird, wird der Rechtspfleger vermutlich nicht vollziehen. Daher ist es empfehlenswert, entsprechende Regelungen in die Vereinssatzung aufzunehmen – ggf. im Wege einer Satzungsänderung. Die neuen Bestimmungen müssen dabei passgenau in das gesamte Regelwerk des Vereins eingefügt und mit den tatsächlichen Verhältnissen und gelebten Praktiken abgestimmt werden. Sachkundige externe Unterstützung mag sich insoweit empfehlen.

Tipp: Welche Sonderregelungen für Mitgliederversammlungen und Vorstandssitzungen derzeit aufgrund der Corona-Pandemie gelten, erläutert der Rechtstipp „Mitgliederversammlungen und Vorstandssitzungen in Krisenzeiten“.

Formen der virtuellen Mitgliederversammlung

Zum Abhalten einer virtuellen Mitgliederversammlung kommen alle modernen Kommunikationsmittel wie Chatrooms, Bildschirmübertragungen, Telefon- oder Videokonferenzen in Betracht. 

Eine Online-Mitgliederversammlung findet durch die individuelle Zusammenschaltung der Mitglieder im Internet statt. Denkbar ist, dass die Mitglieder durch Wort oder Schrift aktiv am Geschehen mitwirken und so letztlich wie unter Anwesenden miteinander kommunizieren.

Die herkömmliche Präsenzversammlung kann auch mit der Online-Teilnahme nicht physisch anwesender Mitglieder kombiniert werden (sog. Online-Präsenz-Versammlung). Diese Variante könnte gerade einem mitgliederstarken Verein Kostenvorteile bieten, da der Versammlungssaal klein gehalten werden kann. Zudem können sich weit entfernt aufhaltende Mitglieder die Reise zum Versammlungsort sparen und dennoch über ihren Computer oder ihr Smartphone die Versammlung live verfolgen sowie ihr Rede-, Auskunfts- und Stimmrecht ausüben. Es muss allerdings die gleichzeitige Stimmabgabe der Mitglieder ermöglicht werden.

Möglich ist auch, Versammlungen zeitgleich an mehreren Orten (Parallel- oder Satelliten-Mitgliederversammlung) durchzuführen und diese online miteinander zu verknüpfen.

Eine weitere Option kann der Einsatz sog. Stimmrechtsbroker sein; sie bedarf aber in jedem Fall einer Satzungsgrundlage und ist zudem nur bei großen, internationalen Vereinen sinnvoll.

Was es zu beachten gilt

Für die ordnungsgemäße Einberufung ist entscheidend, dass den Mitgliedern alle erforderlichen Zugangs- oder Einwahldaten samt Passwort rechtzeitig mitgeteilt werden. Fordert die Satzung eine schriftliche Einladung, ist die Einberufung per E-Mail zulässig, wenn das Mitglied dem Verein seine E-Mail-Adresse mitgeteilt hat. Für die Aktualität und Erreichbarkeit der E-Mail-Adresse ist das Mitglied verantwortlich.

Da es sich bei der Mitgliederversammlung grundsätzlich um eine nicht öffentliche, private Versammlung handelt, muss sichergestellt sein, dass die teilnahmeberechtigten Mitglieder identifiziert werden können und nur diese zur Versammlung zugelassen werden. Um der Missbrauchsgefahr entgegenzuwirken, können z. B. persönliche Identifikationsnummern (PIN), Passwörter, Einwahlnummern und -codes bzw. Geheimzahlen vergeben oder ein TAN(Transaktionsnummer)-Verfahren eingerichtet werden. Nichtmitglieder haben weder ein Anwesenheits- noch ein Teilnahmerecht; Ausnahmen können jedoch in der Satzung oder durch die Mitgliederversammlung bzw. den Vorstand vorgesehen werden. Die Zugangskontrolle entscheidet über die Legitimität der Stimmabgabe.

Ferner ist darauf zu achten, dass der Empfang zum Versammlungszeitraum uneingeschränkt und ohne Unterbrechungen in Ton und ggf. auch Bild gegeben ist. Es muss zudem gewährleistet sein, dass alle Mitglieder in gleicher Weise Zugang zu der virtuellen Versammlung haben. Für die Herstellung des technischen Zugangs zum Internet ist dann das einzelne Mitglied zuständig, sei es unter Nutzung eines privaten oder öffentlichen Anschlusses (Internetcafé).

Bei der Stimmabgabe muss dafür Sorge getragen werden, dass die Abstimmung nachvollziehbar und unverfälscht ist und bei Bedarf das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt.

Handlungsoptionen bei fehlender Satzungsbestimmung

Wenn die Satzung (noch) keine Regelung zur „virtuellen“ Mitgliederversammlung beinhaltet, können Beschlüsse auch ohne Versammlung der Mitglieder gefasst werden, wenn „alle Mitglieder ihre Zustimmung zu dem Beschluss schriftlich erklären“ (§ 32 Abs. 2 BGB). Schriftlichkeit erfordert dabei eine eigenhändig unterzeichnete Erklärung, die dem Verein im Original zugehen muss. Eine Zustimmung per E-Mail muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein.

Handelt es sich um einen Beschluss, der beim Vereinsregister einzureichen ist, ist darauf zu achten, dass von den satzungsgemäß zuständigen Personen ein Protokoll angefertigt wird, in dem das Umlaufverfahren und sein Ergebnis skizziert werden.

Eine „virtuelle“ Mitgliederversammlung ohne entsprechende Satzungsbestimmung gilt als zulässig, wenn sämtliche Mitglieder diesem Verfahren zustimmen/ihm nicht widersprechen. Die Allzustimmung ist nur für die Abhaltung der „virtuellen“ Versammlung als solche notwendig; für die einzelnen Beschlussgegenstände hingegen sind lediglich die Mehrheiten erforderlich, wie sie die Satzung vorsieht.

Sie haben Fragen zur („virtuellen“) Mitgliederversammlung oder möchten die Satzung Ihres Vereins aktualisieren?

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