Nach EncroChat, Sky ECC, jetzt Anom! Die Operation Ironside

  • 3 Minuten Lesezeit

Im März 2018 hatte das FBI das in Kanada ansässige Mobilfunkunternehmen Phantom Secure hochgenommen und den Inhaber verhaftet. Phantom Secure hatte an seine Kunden weltweit angeblich abhörsichere Mobilfunktelefone verkauft, einschließlich einer verschlüsselten App.

 Aus dem Unternehmen Phantom Secure soll sich jemand bereit erklärt haben, eine bereits entwickelte Verschlüsselungssoftware mit dem Namen „Anom“ mit dem entsprechenden Handy mit einem darin bereits gespeicherten Überwachungstool seitens des FBI über ein eigenes Netzwerk in Umlauf zu bringen. Nach einem Testlauf wurde das Krypothandy zum Schlager, offensichtlich auch im Bereich der organisierten Kriminalität. Letztlich sollen über 9.000 Anom Handys in mehr als 90 Ländern genutzt worden sein, darunter in Deutschland, Serbien, Niederlande, Australien und Spanien. Laut FBI sollen mehr als 20 Millionen Textnachrichten entschlüssel worden sein. Die Ermittler sollen keinen Zugriff in Echtzeit auf die Kommunikation zwischen den Anom Handys gehabt haben. Einer der Server, auf denen die Daten gespeichert wurden, befand sich in einem nicht genannten Drittstaat. Da sich die Genehmigung zum Datenabgriff nur bis zum 7. Juni 2021 erstreckte, erfolgte nun der Zugriff der Ermittler in mehreren Ländern zeitgleich. Bereits zuvor drohte die Infiltration der angeblich abhörsicheren Handys aufzufliegen. Im März hatte ein Nutzer mit der Kennung Canyouguess67 auf dem Webblog-Portal „Word Press“ berichtet, dass ein von ihm getestetes Anom-Mobilgerät Daten an Google-Server und an weitere „nicht sichere Server“ in den USA und Australien gesendet habe. Der Post wurde umgehend gelöscht, sorgte aber unter den zahlreichen Nutzern von Anom Handys für Konfusion.

Nach der Verhaftungswelle ist – wie auch bei den Verfahren um EncroChat und Sky ECC rechtlich höchst bedenklich, ob und inwieweit Daten die durch Zusammenarbeit mit Kriminellen und durch Täuschung gegen mutmaßliche Kriminelle gesammelt wurden in den nun anstehenden Strafverfahren verwertet werden dürfen. Dabei stellt sich für uns als Verteidiger unter anderem die Frage, welche rechtlichen Gesichtspunkte bei dem internationalen Datenaustausch zu beachten sind. Bei den Strafverfahren um EncroChat, geht es um gespeicherte Kommunikation , die innerhalb der EU – hier auf einem Server, der in Frankreich stand gespeichert wurde und für die u.a. die Europäische Ermittlungsanordnung Grundlage ist. In den anstehenden Strafverfahren um die Nutzung von Anom-Mobilfunktelefonen ist jedoch internationales Recht einschlägig.

Für die Betroffenen in Deutschland, gegen die aufgrund der Operation Ironside bzw. Operation Trojan Shield ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird,, gilt es sich zunächst von einem Anwalt für Strafrecht beraten zu lassen. Sodann müssen die auftretenden rechtlichen Spezialitäten geprüft werden. Bereits im Ermittlungsverfahren sind die Weichen zu stellen.

Legt man rechtsstaatliche Grundsätze des Deutschen Rechts zugrunde, wäre ein Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der gewonnenen Daten zu prüfen. Selbst die nach § 100a StPO in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen mögliche Überwachung laufender Kommunikation, bzw. die „Online Durchsuchung“ nach § 100b StPO als Ermächtigungen zur Strafverfolgung setzen das Vorhandensein „bestimmter Tatsachen“ voraus, die den Verdacht der Begehung einer schweren Straftat nach dem Katalog des § 100a Abs. 2 StPO, bzw. § 100b Abs. 2 StPO begründen.

Für die Online Durchsuchung als Maßnahme der Gefahrenabwehr, wie sie etwa in § 49 BKAG (Bundeskriminalamtgesetz) geregelt ist, gelten ähnliche rechtsstaatliche Grundsätze.

Soweit Staatsanwaltschaften in Deutschland Ermittlungsverfahren wegen Betäubungsmittelstraftaten einleiten, die auf Erkentnissen beruhen, die in der Infiltration von EncoChat, Sky ECC und Anom ihren Ursprung haben, so sind diese an internationalem und nationalen Recht zu bewerten.

Aufgrund der aus EncroChat, SkECC gewonnenen Erkenntnissen wurden bereits Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Begehung von Betäubungsmittelstraftaten eingeleitet. Hierbei kommt neben dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG auch das Unerlaubte Einführen von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge i.S.d. § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG als Vorwurf in Betracht. Gerade bei der Einfuhr/Ausfuhr/Durchfuhr von Betäubungsmitteln gilt die Anwendung des Weltrechtsprinzips. Völkerrechtliche Rechtfertigung findet das Weltrechtsprinzip unter anderem durch das Einheitsabkommen vom 30.03.1961 über Suchtstoffe, das Abkommen vom 21.2.1971 über psychotrophe Stoffe, sowie durch das Wiener Übereinkommen vom 20.12.1988 gegen den unerlaubten Verkehr mit Suchtstoffen und psychotropen Stoffen.

Noch ist vieles höchstrichterlich offen. Es werden noch Jahre vergehen, bis die Rechtslage etwa durch ein Urteil des BGH oder des EuGH verbindlich geklärt wird.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Thomas Heimbürger

Beiträge zum Thema