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Patientenaufklärung: Diese Pflichten müssen Ärzte dabei erfüllen

  • 6 Minuten Lesezeit
Patientenaufklärung: Diese Pflichten müssen Ärzte dabei erfüllen

Immer weniger Patienten scheuen sich davor, ihren Arzt später wegen Fehlern bei der Behandlung oder der Aufklärung auf Schadensersatz zu verklagen. Arzthaftung ist dabei der Oberbegriff für alle Ansprüche, die man als Patient hat, wenn der Arzt eine seiner Pflichten aus dem Behandlungsvertrag verletzt. Der Bereich ist so groß, dass es mit dem Patientenanwalt mittlerweile sogar spezialisierte Rechtsanwälte gibt, die sich fast ausschließlich damit beschäftigen, Patienten bei der Geltendmachung von Schadensersatz und Schmerzensgeld zu unterstützen. Aber welche Pflichten hat ein Arzt, wann können Patienten den Arzt in Haftung nehmen und wie viel Schmerzensgeld bekommt man dann? 

Die Pflichten eines Arztes 

Die Rechte von Patienten wurden durch das Patientenrechtegesetz 2013 erheblich gestärkt. Seitdem ist der Behandlungsvertrag zwischen Patient und Arzt als eigenständiger Vertrag wie der Kaufvertrag, Dienstvertrag oder Mietvertrag auch im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gesetzlich geregelt. Der Behandlungsvertrag bildet deshalb die rechtliche Grundlage für das Rechtsverhältnis zwischen Arzt und Patient. Aus ihm ergeben sich daher sämtliche Pflichten, die der Arzt gegenüber seinem Patienten hat. 

Behandlungspflicht 

Hauptpflicht des Arztes ist die medizinische Behandlung seines Patienten. Er muss alles medizinisch Erforderliche tun, damit das Ziel des Behandlungsvertrages erreicht wird. Das Ziel des Behandlungsvertrages muss nicht unbedingt die klassische Heilung oder Behandlung einer Krankheit sein. Andere mögliche Ziele eines Behandlungsvertrages sind z. B. die Entnahme eines Organs für eine Transplantation oder die Erfüllung eines Kinderwunsches in der Fortpflanzungsmedizin. 

Abhängig vom Ziel des einzelnen Behandlungsvertrages muss der Arzt alles tun, was aus medizinischer Sicht erforderlich ist, damit dieses Ziel erreicht werden kann. Bei der klassischen Behandlung von Krankheiten umfasst die Behandlungspflicht des Arztes sowohl die Diagnose als auch die Therapie und damit alle Maßnahmen und Eingriffe, die erforderlich sind, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden, körperliche Beschwerden oder seelische Störungen zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern. 

Information und Aufklärung 

Neben der klassischen Behandlungspflicht zählt auch die Information und Aufklärung des Patienten zu den elementaren Pflichten, die der Arzt aus dem Behandlungsvertrag hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) muss ein Patient nämlich „im Großen und Ganzen“ wissen, worin er einwilligt. Der Arzt muss seinen Patienten deshalb rechtzeitig darüber aufklären, was mit ihm geschehen soll, welche Mittel er dazu einsetzen will, welche Folgen die Behandlung hat und welche Risiken mit ihr verbunden sind. Dabei sind Information und Aufklärung keine Synonyme, die dieselbe Pflicht beschreiben, sondern zwei verschiedene Ausprägungen der Pflicht mit unterschiedlicher Zielsetzung.   

Bei der Informationspflicht geht es darum, dass der Arzt seinem Patienten von Beginn bis über das Ende der Behandlung hinaus alle relevanten Umstände seiner Behandlung erklären muss, denn Patienten haben das Recht, von ihrem Arzt alles über ihre Behandlung zu erfahren. Ob Diagnose, Therapie, Medikamente oder Operation – alles muss der Arzt verständlich erklären. So muss der Arzt beispielsweise im Rahmen seiner Informationspflicht erklären, warum er welches Medikament verwendet und welche Nebenwirkungen dieses haben kann. 

Bei der Aufklärung, die man auch Einwilligungsaufklärung nennt, geht es dagegen in der Regel um die Aufklärung vor einer anstehenden Operation. Der Arzt muss den Patienten über alle Details des Eingriffs, seine Vorgehensweise und bestehende Risiken aufklären. Nur wenn der Patient genau weiß, was mit ihm geschehen soll und was im schlimmsten Fall passieren kann, kann er sich frei für oder gegen die Operation entscheiden. 

Weitere Nebenpflichten des Arztes 

Über diese elementaren Pflichten zur Behandlung, Information und Aufklärung des Patienten hat der Arzt aber auch eine Reihe von Nebenpflichten aus dem Behandlungsvertrag. So muss er z. B. seine Praxis so organisieren, dass es bei vereinbarten Terminen grundsätzlich nicht zu einer stundenlangen Wartezeit im Wartezimmer kommt, im Notfall auch einen Hausbesuch abstatten oder seine medizinischen Geräte regelmäßig warten. 

Was passiert, wenn der Arzt eine seiner Pflichten verletzt?  

Verletzt der Arzt eine dieser Pflichten, macht er sich gegenüber seinem Patienten haftbar und kann von ihm auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld in Anspruch genommen werden. Da der Pflichtenkreis des Arztes mittlerweile durch den gesetzlich anerkannten und kodifizierten Behandlungsvertrag sehr groß und umfassend ist, bestehen Arzthaftungsansprüche nicht nur bei einem Kunstfehler als dem Klassiker der Arzthaftung, sondern Patienten können auch dann Schadensersatz verlangen, wenn der Arzt seine Aufklärungspflicht verletzt oder die Wartung seiner medizinischen Geräte vernachlässigt hat. 

Kommt der Arzt z. B. seiner Informationspflicht nicht ausreichend nach, weil er nur Fachchinesisch redet oder Risiken verschweigt, kann der Patient Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangen. Wie umfassend die Aufklärungspflicht eines Arztes bei der Verwendung von Krebsmedikamenten ist, musste das OLG Köln in einem Fall entscheiden. 

Aufklärungspflicht bei Medikamenten 

Im vorliegenden Fall musste das OLG Köln entscheiden, ob einer Frau nach einer Krebsbehandlung Schmerzensgeld für den dauerhaften Ausfall ihrer Haare zusteht. Die Frau erkrankte 2007 an Burstkrebs, den sie in einer Universitätsklinik behandeln ließ. Zur Behandlung empfahlen die Ärzte ihr, an einer Studie mit einem neuartigen, besonders wirksamen Medikament teilzunehmen. Im Rahmen der Behandlung verlor die Frau fast ihre gesamte Körperbehaarung, ihre Wimpern und ihre Augenbrauen. Im Gegensatz zu einer üblichen Chemotherapie war dieser Haarausfall aber nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft, denn die Haare der Frau wachsen kaum nach. 

Die Frau wirft den Klinikärzten nun vor, sie nicht ausreichend über das Risiko, dauerhaft keine Haare mehr zu haben, aufgeklärt zu haben. Die Ärzte sollen sie weder auf das Risiko eines dauerhaften Haarverlusts hingewiesen haben, noch hätten sie ihr Alternativen genannt oder erwähnt, dass das Medikament in der Studie erst erprobt würde. Weil die Ärzte damit ihre Aufklärungspflicht verletzt hätten, fordert die Frau ein angemessenes Schmerzensgeld. 

Die Ärzte sind dagegen der Ansicht, keinen Aufklärungsfehler gemacht zu haben. Das Risiko eines dauerhaften Haarausfalls sei noch nicht bekannt gewesen, als die Chemotherapie bei der Frau durchgeführt worden ist, und Alternativen hätte es nicht gegeben. 

Ob die Ärzte ihre Aufklärungspflicht verletzt haben, mussten nun die Gerichte entscheiden. Während das Landgericht Köln (LG Köln) den Ärzten Recht gab, gab das OLG Köln als zweite Instanz der Frau Recht. 

Patientenaufklärung: Verletzung der Aufklärungspflicht 

Nach Ansicht des OLG Köln haben die Ärzte bei der Behandlung der Frau mit dem neuartigen Medikament ihre Aufklärungspflicht verletzt. Der Hersteller des eingesetzten Medikaments hatte bereits vor Beginn der Behandlung Fachinformationen für Ärzte veröffentlicht, die auf die Gefahr eines dauerhaften Haarausfalls als Nebenwirkung des Medikaments hinwiesen. Im Rahmen einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 55 Monaten war bei 3,2 Prozent der Patientinnen ein dauerhafter Haarausfall beobachtet worden. Diese Erkenntnis hätten die Ärzte bei der Aufklärung der Frau vor ihrer Behandlung berücksichtigen müssen, denn es kommt bei der Pflicht zur Aufklärung nicht darauf an, wie oft ein Risiko tatsächliche eintritt, sondern vielmehr darauf, welche Folgen es dann für den Patienten hat. Ein dauerhafter Haarausfall kann zu starken psychischen Belastungen führen, sodass eine Aufklärungspflicht auch dann besteht, wenn sich das Risiko nur selten verwirklicht. 

Deshalb bestand hier ein aufklärungspflichtiges Risiko, dass bei Verwendung des Medikaments ein permanenter Haarverlust eintreten könne. Weil die Ärzte die Frau nicht darauf hingewiesen haben, wurde sie vor Einleitung der Chemotherapie fehlerhaft und unvollständig aufgeklärt. 

Ungenügende Patientenaufklärung: 20.000 Euro Schmerzensgeld 

Die Verletzung der Aufklärungspflicht führt dazu, dass die Frau Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld hat. Sinn und Zweck dieses Schmerzensgeldes ist es, die eingetretene Beeinträchtigung der Frau angemessen auszugleichen. Das OLG Köln hielt in diesem Fall eine Summe von insgesamt 20.000 Euro für angemessen, weil sich der Haarverlust durch eine Perücke und permanentes Make-up nur teilweise verdecken lässt und zu erheblichen und nachhaltigen psychischen Folgen bzw. seelischen Belastungen geführt hat. 

Fazit 

Schadensersatz und Schmerzensgeld gibt es also nicht nur beim Kunstfehler, auch eine unzureichende und unvollständige Aufklärung des Patienten über mögliche Nebenwirkungen eines Medikaments kann für den Arzt teuer werden. Dabei müssen Ärzte vorhandene Fachinformationen berücksichtigen und auch über unwahrscheinliche Risiken aufklären, wenn diese erhebliche Folgen für den Patienten haben können. 

(OLG Köln, Urteil v. 21.03.2016, Az.: 5 U 76/14) 

Foto(s): ©Pexels/MART PRODUCTION

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