Pferderecht - Vorrang der Individualabrede vor "Allgemeinen Geschäftsbedingungen"

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Pferderecht: Wer schreibt, der bleibt - Vorrang von Individualabreden vor "Allgemeinen Geschäftsbedingungen"Der Fall:Die Parteien stritten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Freizeitpferd. DemKaufvertragsschluss war nachfolgender Sachverhalt vorausgegangen:Die von mir vertretene Klägerin war aufgrund einer Internetanzeige auf ein von der Beklagtenangebotenes Pferd aufmerksam geworden. Im Rahmen des Probereitens wurde von der von mirvertretenen Klägerin eindeutig gegenüber der Beklagten geäußert, dass es sich bei dem zu erwerbendenPferd um ein Freizeitreitpferd für den Sohn meiner Mandantin handeln sollte.Bereits im Rahmen der Verkaufsgespräche bemerkte die von mir vertretene Klägerin eineUmfangsvermehrung am hinteren Fesselgelenk des Pferdes. Sie selbst hatte allerdings keinerleiFachkunde mit Hinblick auf die Beurteilung von Pferden. Deshalb fragte sie bei der Beklagten nach. DieBeklagte erklärte sodann, dass es sich bei der Schwellung um eine vorübergehende Umfangsvermehrunghandeln würde, welche bereits tierärztlich untersucht worden sei.Weil es der von mir vertretenen Klägerin maßgeblich darauf ankam, ein gesundes Pferd für ihren Sohn zuerwerben, wurde folgender Passus in den Kaufvertrag mit aufgenommen:“Der Verkäufer hat vor 2 Wochen eine klinische Ankaufsuntersuchung durchführen lassen, diese warohne besonderen Befund. Das Pferd hat sich aktuell „vertreten oder angeschlagen“, das rechte hintereFesselgelenk ist noch etwas dick, beim Reiten lahmt das Pferd nicht. Der Kauf erfolgt unter Billigung desPferdes auf der Grundlage der mitgeteilten Untersuchungsergebnisse mit Unterzeichnung des Vertrages".Von einer weitergehenden Ankaufsuntersuchung sah die von mir später vertretene Klägerin dann ab.Unmittelbar nach der Abwicklung des Kaufes wurde das streitgegenständliche Pferd bei der von mirvertretenen Klägerin aufgrund eines anderen Umstandes der Haustierärztin vorgestellt. Dabei stellte sichals Zufallsbefund heraus, dass das Pferd eben am rechten Hinterbein im Bereich des Fesselgelenks eineknöcherne Veränderung aufwies, die nachweislich älter als 6 Wochen sein müsse. Aus dem gesamtenBefund folgte, dass das Ausmaß der Verletzung die Belastbarkeit des Pferdes in Zukunfthöchstwahrscheinlich beeinträchtigen würde.Daraufhin konfrontierte die von mir vertretene Klägerin die Beklagte damit, dass das Pferd alsFreizeitreitpferd für den Sohn leider nicht geeignet sei. Sie bat die Beklagte sodann um eineeinvernehmliche Lösung. Eine solche wurde von der Beklagten aber nicht angeboten.Daraufhin erklärte die Klägerin, nunmehr durch unsere Kanzlei anwaltlich vertreten, den Rücktritt vomKaufvertrag.Dieses Rücktrittsgesuch wurde von der Beklagten zurückgewiesen.Sodann wurde im Rahmen der ersten Instanz meinerseits vorgetragen, dass es nachweislich einenMangel des Pferdes bereits im Zeitpunkt der Übergabe gegeben habe und dass bereits in diesemZeitpunkt feststand, dass das Pferd für den nach dem Vertrag vorausgesetzten Zweck nicht geeignet war.Ich habe insbesondere darauf Bezug genommen, dass sich die von mir vertretene Klägerin auch keinderartiges Verschulden anrechnen lassen müsse, dass sie das Pferd angeblich in Kenntnis des Mangelsgekauft habe. Denn sie hatte bei Vertragsschluss klargemacht, dass sie unbedingt ein gesundes Pferd fürden Sohn erwerben wollte, damit dieser auch eine Weile seine Freude an dem neuen Pferd habenkönnte. So ist es auch zumindest ansatzweise im Kaufvertrag aufgenommen worden, weil dort zumindestfestgehalten worden ist, dass es sich um eine „aktuelle“ Verletzung des Pferdes handeln sollte.Bei der informatorischen Anhörung hat die von mir vertretene Klägerin außerdem glaubhaft kundgetan,dass ihr im Rahmen der Verkaufsgespräche zugesichert worden sei, dass wegen des dicken Fesselgelenksmit keinen Spätfolgen zu rechnen wäre.Insoweit war die von mir vertretene Mandantin der Ansicht, dass sie sich auf die Aussagen der Beklagtenverlassen durfte und keine weiteren Nachforschungen mehr in Auftrag geben musste. Eine allgemeineAnkaufsuntersuchung hat die Mandantin nicht veranlasst, weil sie mit einem mittlerenGesundheitszustand des Pferdes, für die reine freizeitmäßige Anschaffung, gut hätte leben können.Ich habe in diesem Rechtsstreit außerdem vorgetragen, dass die von mir vertretene Mandantin sich auchnicht mit der Ersatzlieferung eines anderen Pferdes begnügen musste, weil die Auswahl einesFreizeitpferdes regelmäßig eine höchstpersönliche Entscheidung ist und, weil die besondere Bindung zudem erwerbenden Pferd nicht an objektiven Kriterien festgemacht werden kann. Vielmehr geht es darum,ein Pferd zu finden, das charakterlich gut zu einem passt.Entgegen unseres Vortrags hat die Beklagte im Prozess behauptet, sie habe nicht für die Lahmheiteinzustehen. Sie hat im wesentlichen bestritten, dass die Lahmheit auf eine chronische Erkrankungzurückzuführen sei. Sie hat auch behauptet, die Feststellungen des von der von mir vertretenenMandantin beauftragten Tierarztes sei falsch. Das Pferd habe vielmehr beim Ankauf durch die von mirvertretene Klägerin keine Auffälligkeiten gezeigt. Es sei stets mehrmals wöchentlich geritten worden undniemals lahm gewesen.Außerdem, so ließ die Beklagte vortragen, hätte die von mir vertretene Mandantin eineAnkaufsuntersuchung durchführen können, allein, weil sie dies nicht veranlasst hat, habe sie grobfahrlässig gehandelt und deshalb keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages.Sie hat weiterhin noch vorgetragen, dass ein Rücktritt nicht möglich sei, weil es insoweit an einer hierfürnotwendigen Fristsetzung fehlen würde.Auch habe der Beklagten das Recht zugestanden, ein anderes Pferd quasi als Ersatz für das eigentlichgekaufte Pferd der von mir vertretenen Mandantin zu liefern.Nachdem das erstinstanzlich zuständige Landgericht unserer Klage bereits stattgegeben hatte, versuchtedie Beklagte diesen Richterspruch noch einmal dadurch zu kippen, dass sie Berufung bei demzuständigen Oberlandesgericht einlegte.Auch das Oberlandesgericht vertrat die von uns bereits zuvor vertretene Rechtsauffassung, die Beklagtewurde daraufhin rechtskräftig zur Rückabwicklung des Vertrages, Zug um Zug gegen Rückzahlung desKaufpreises verurteilt. Selbstredend hatte die Beklagte natürlich auch sämtliche Kosten des Rechtsstreitszu tragen.In seinen Entscheidungsgründen kam das Gericht zweiter Instanz zu dem Schluss, dass derRückabwicklungsanspruch der von mir vertretenen Klägerin begründet war.Die von mir vertretene Klägerin war wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten. Das erkennende Gerichtwar der Ansicht, dass zumindest konkludent vereinbart worden war, dass es sich bei dem Kauf um einzum Freizeitreiten geeignetes Pferd handeln sollte, das für den Sohn der von mir vertretenen Klägerinbestimmt war.Das Gericht hat insbesondere weiter ausgeführt, dass hieran auch die von der Beklagten verwendetensogenannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nichts ändern würden. Dort war zwar ein doppeltesSchriftformerfordernis für die Wirksamkeit von Nebenabreden vereinbart worden. Dennoch nahm daserkennende Gericht auf höchstrichterliche Rechtsprechung Bezug, wonach AllgemeineGeschäftsbedingungen nur insoweit Geltung beanspruchen können, als die von den Parteien getroffenenIndividualabreden dafür Raum ließen.Im vorliegenden Fall haben sich die Parteien ergänzend zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungenausdrücklich darüber geeinigt, dass das Pferd als Reitpferd gekauft werden sollte und dass es beimReiten gerade nicht lahmt.Das Gericht war der Auffassung, die mit der von uns vertretenen Auffassung übereinstimmt, dass dieLahmheit der Ausdruck dessen gewesen ist, was später auf dem Röntgenbefund auch ersichtlich war.Für das Gericht kann noch entscheidend hinzu, dass der im Rahmen der Beweisaufnahme beauftragteund angehörte Sachverständige dazu ausgeführt hatte, dass die Lahmheit auf den im Röntgenbefundfestgestellten Schaden zurückzuführen sei. Dieser sei chronisch. Aufgrund der Schwere der Problematiksei davon auszugehen, dass eine Genesung des Pferdes im Sinne einer Lahmfreiheit nicht mehr zuerreichen sei.Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand für das Gericht fest, dass der chronische Schaden bereitsvor dem Gefahrübergang vorhanden gewesen war.Das Gericht hat sich von dieser Überzeugung auch nicht durch einen von der Beklagten benanntenZeugen abbringen lassen, der behauptete, das Pferd sei regelmäßig geritten worden und nie lahmgewesen.Die freie Überzeugungsbildung des Gerichts ging dahin, dem Sachverständigen zu erfolgen, die Aussagendes Zeugen wurden ausweislich des Urteils als unglaubwürdig eingestuft.Das erkennende Gericht hat in Übereinstimmung mit meiner Rechtsansicht auch festgestellt, dass es derSetzung einer Nachfrist gerade nicht bedurfte. Dies hatte in Übereinstimmung mit den nunmehrvorliegenden Urteilsgründen schon deshalb keine Notwendigkeit mehr, weil die Beklagte dieNacherfüllung ernsthaft verweigert hatte.Es zeigt sich also auch in diesem Fall wieder einmal, dass es sich grundsätzlich auszahlt, die im Rahmender Besichtigung zutage getretenen Probleme auch mit entsprechender Formulierung in den Kaufvertragaufzunehmen. Gleiches gilt natürlich auch für die wesentlichen Inhalte der Einigung bei Vertragsschluss.Insoweit empfiehlt es sich gegebenenfalls schon im Rahmen der Vertragsanbahnung, einen fachkundigenRechtsanwalt hinzuzuziehen.#PferderechtDarmstadt

Foto(s): André Hascher

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