Privatinsolvenz in Irland - das Licht am Ende des Tunnels?

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Privatinsolvenz und Restschuldbefreiung

Die Privatinsolvenz ist ein Verfahren, das Schuldnern hilft, ihre Schulden zu regulieren und sich von einem Teil ihrer Schulden zu befreien, wenn sie ihre Schulden nicht mehr bedienen können. Es gibt verschiedene Arten von Insolvenzverfahren, die je nach Land und Rechtsordnung variieren können. Im Allgemeinen müssen Schuldner jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um sich für das Privatinsolvenzverfahren zu qualifizieren, und es gibt bestimmte Verfahrensschritte, die befolgt werden müssen, um eine Insolvenz zu beantragen und durchzuführen. Das Ziel der Privatinsolvenz ist es, Schuldnern eine zweite Chance zu geben und ihnen zu helfen, ihre Finanzen zu ordnen, damit sie in Zukunft in der Lage sind, ihre Schulden zu bedienen.

Dieses Ziel bezeichnet man als Restschuldbefreiung. Die Restschuldbefreiung, auch als "Schuldenbefreiung" oder "Schuldenerlass" bezeichnet, ist ein Bestandteil vieler Insolvenzverfahren, bei dem dem Schuldner ein Teil seiner Schulden erlassen werden.  In der Regel müssen Schuldner bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um sich für die Restschuldbefreiung zu qualifizieren. Diese hängen von der jeweiligen Rechtsordnung ab.

Die tatsächliche Höhe der im Rahmen der Restschuldbefreiung erlassenen Forderungen hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Einkommen und Vermögen des Schuldners, der Art der Schulden und dem Insolvenzregime der jeweiligen Rechtsordnung.


Warum Schuldner in Irland Privatinsolvenz beantragen

Die Restschuldbefreiung in Irland und Deutschland unterscheidet sich in einigen Aspekten. Einige der wichtigsten Unterschiede sind:

  • Qualifikationskriterien:
    In Deutschland müssen Schuldner bestimmte Qualifikationskriterien erfüllen, um sich für die Restschuldbefreiung zu qualifizieren, wie zum Beispiel eine bestimmte Dauer der Zahlungsunfähigkeit. In Irland gibt es ebenfalls festgelegte Qualifikationskriterien: so muss der Schuldner nachweisen, dass seine Schulden mindestens 20.000,00 EUR betragen.

  • Dauer:
    In Deutschland dauert das Restschuldbefreiungsverfahren mindestens 3 Jahre, während es in Irland in der Regel nur 12 Monate dauert. Ausnahmsweise kann sich die Zeit bis zur Restschuldbefreiung auf 36 Monate verlängern, wenn der Schuldner Vermögen im Rahmen der Antragstellung verheimlicht, oder mehr verdient, als ihm das Gericht an Lebenserhaltungskosten genehmigt. 

  • Verfahrensschritte:
    In Deutschland gibt es Verfahrensschritte, die befolgt werden müssen, um eine Restschuldbefreiung zu beantragen und zu erhalten, wie zum Beispiel das Verbraucherinsolvenzverfahren und das Schuldenbereinigungsverfahren. In Irland hingegen gibt es nur einen Verfahrensschritt: den Antrag auf Insolvenz.

  • Einkommensbeschränkungen:
    In Deutschland gibt es Einkommensbeschränkungen für Schuldner, die sich für die Restschuldbefreiung qualifizieren. Wenn das Einkommen des Schuldners diese Grenzen überschreitet, muss er einen Teil seines Einkommens an seine Gläubiger abtreten. In Irland gibt es i.d.R. keine Einkommensbeschränkungen für Schuldner, die Antrag auf Eröffnung des Privatinsolvenzverfahrens stellen.

  • Erfasste Forderungen:

    • Deutschland:
      In Deutschland werden in der Regel alle Forderungen, die zum Zeitpunkt des Antrags auf Restschuldbefreiung bestehen, in das Verfahren einbezogen, einschließlich Steuerschulden und Forderungen aus Unfällen, die unter Alkohol oder Drogenmissbrauch verursacht wurden. Es gibt jedoch einige Ausnahmen von der deutschen Restschuldbefreiung, wie zum Beispiel:

      • Forderungen aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat.

      • Deliktische Forderungen (Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung) werden von der deutschen Restschuldbefreiung ebenfalls nicht erfasst. 

      • Steuerschulden werden nach § 302 InsO ebenfalls von der Restschuldbefreiung ausgenommen, sofern der Schuldner im Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder § 374 der Abgabenordnung rechtskräftig verurteilt worden ist.

    • Irland:
      In Irland werden i.d.R. alle Forderungen, die vor Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, von der Restschuldbefreiung erfasst. Demnach auch:
      • Deliktische Forderungen werden von der irischen Restschuldbefreiung erfasst.
      • Auch Steuerschulden - egal welcher Natur - unterliegen der Restschuldbefreiung
      • Nicht erfasst werden jedoch Forderungen aus geschuldetem gesetzlichen Unterhalt.


Voraussetzungen für das Insolvenzverfahren in Irland

  1. COMI
    Der Schuldner muss seinen Lebensmittelpunkt (Center of Main Interest - kurz: COMI) nach Irland verlagern. Dies ist dem Gericht schlüssig durch entsprechende Nachweise darzulegen. Denkbar sind z.B. Wohnsitz, Arbeitsplatz, Bankkonto, Sozialversicherungsnummer, Telefon, sonstige Erreichbarkeit, Ausbildung etc.
  2. Zahlungsunfähigkeit des Schuldners
    Der Schuldner muss zahlungsunfähig sein. Zudem sollten seine Verbindlichkeiten sein Vermögen um mind. 20.000 EUR übersteigen.  
  3. Insolvenzantrag
    Der Schuldner muss alle seine Schulden- und Vermögenssituation betreffenden Dokumente beschaffen und mitsamt dem Insolvenzantrag (sog. bankruptcy petition) beim irischen Insolvenzgericht einreichen. 
  4. Schuldenbereinigungsversuche
    Es wurde durch den Schuldner erfolglos ein Versuch zur außergerichtlichen Schuldenbereinigung unternommen. Dies ist nicht immer erforderlich.
  5. Einzahlung der Gerichtsgebühr
    Der Schuldner hat eine Gerichtsgebühr in Höhe von 200,00 EUR zu leisten.


Welche Anforderungen sind an den COMI (Center of Main Interest) zu stellen?

COMI steht für "Center of Main Interest" und bezieht sich auf den Ort, an dem eine Person oder ein Unternehmen ihren wirtschaftlichen Schwerpunkt hat. Im irischen Insolvenzrecht wird der COMI zugrunde gelegt, um zu bestimmen, ob der Schuldner  für die Durchführung des Insolvenzverfahrens in Irland nach irischem Recht antragsbefugt ist. 

Nur wenn der COMI einer Person in Irland liegt,  kann das irische Insolvenzverfahren angewendet werden. Liegt der COMI jedoch außerhalb von Irland, so wird der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückgewiesen werden -  das Insolvenzverfahren muss dann in dem Land unter Zugrundelegung des dortigen Insolvenzregimes eröffnet werden, in dem der Antragsteller seinen COMI hat.

Wer hat seinen COMI in Irland?

Um den COMI in Irland zu haben, muss eine Person  ihren Hauptwohnsitz und ihren Hauptsitz der Geschäftstätigkeit in Irland haben. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn eine Person ihren Lebensmittelpunkt in Irland hat und den Großteil ihrer Geschäftstätigkeiten in Irland ausübt. Der COMI wird in der Regel anhand mehrerer Faktoren bestimmt, darunter der Hauptwohnsitz, der Standort der Hauptbankkonten und der Standort, an dem wichtige Entscheidungen getroffen werden. 

Wie weist man seinen COMI in Irland nach?

Der COMI stellt Antragsteller im Privatinsolvenzverfahren mittlerweile vor größere Herausforderungen. 

Es ist nicht ausreichend einen Wohnort in Irland zu melden. Dazu besteht auch keine Möglichkeit: In Irland gibt es kein wie in Deutschland übliches polizeiliches Meldewesen (vgl. Webseite der deutschen Botschaft in Dublin). In der Folge kann der COMI auch nicht über eine Meldung in Irland dargelegt werden.

Bisher war es oft gängige Praxis sich vor Antragsstellung einen Anstellungsvertrag bei einer irischen Limited zu "besorgen" und seinen Lebensmittelpunkt nach Irland zu verlegen. Auf diese Art und Weise konnte mit Anstellungsvertrag und Belegen über die Notwendigkeit des täglichen Lebens nachgewiesen werden, dass Lebensmittelpunkt und Zentrum der wirtschaftlichen Betätigung nach Irland verlegt wurden. 

Mittlerweile sind jedoch Fälle bekannt geworden, in denen Gläubiger sich im irischen Privatinsolvenzverfahren erfolgreich darauf berufen haben, dass der vorgelegte Anstellungsvertrag nur zum Schein erfolgt sei und dass die Verlegung der wirtschaftlichen Tätigkeit ausschließlich zur Durchführung des vorteilhafteren irischen Insolvenzverfahrens erfolgt sei. 

Unseriöse Anbieter bringen zudem Briefkästen für häufig bis zu 20 Personen an einer Adresse an, um den COMI nachzuweisen. Dieses Vorgehen wird von den irischen Behörden höchst kritisch sind. 

Gerne beraten wir Sie zu  Alternativen zur rechtswirksamen Verlegung ihres COMI nach Irland.


Welche Verfahrensbeteiligten gibt es im irischen Insolvenzverfahren?

Im irischen Privatinsolvenzverfahren gibt es eine Reihe von Verfahrensbeteiligten, die verschiedene Rollen und Aufgaben haben. Dazu gehören:

  1. Der Schuldner und Antragsteller: 
    Die Person, die das Insolvenzverfahren beantragt hat und dessen finanzielle Angelegenheiten im Rahmen des Verfahrens überwacht werden. Typischerweise ist das Ziel die Restschuldbefreiung. 
  2. Der Treuhänder: 
    Eine von der staatlichen Insolvenzbehörde ernannte Person, die die finanziellen Angelegenheiten der betroffenen Person überwacht und sicherstellt, dass alle Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfüllt sind.
  3. Der Official Assignee: 
    Eine staatliche Stelle, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens für Unternehmen und Privatpersonen tätig wird und die Verwaltung von Vermögenswerten und die Unterstützung von Personen bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen im Rahmen des Insolvenzverfahrens übernimmt. Der Official Assignee ähnelt in seiner Funktion dem deutschen Insolvenzverwalter.
  4. Der Personal Insolvency Practitioner (PIP): 
    Eine von der staatlichen Insolvenzbehörde zugelassene Person, die im Rahmen des Privatinsolvenzverfahrens tätig ist und betroffenen Personen dabei hilft, ihre Schulden zu regeln und eine Restschuldbefreiung zu erhalten. Zu den Aufgaben des PIP gehört es auch, die Angaben des Schuldners über den COMI zu verifizieren und gegenüber dem Gericht seine Einschätzung auszusprechen. Die Insolvenzgerichte folgen üblicherweise der Auffassung des PIP.
  5. Das Insolvenzgericht: 
    Das Gericht, das für die Überwachung und Regulierung von Insolvenzverfahren in Irland zuständig ist.
  6. Die Gläubiger: 
    Die Personen oder Unternehmen, denen die betroffene Person Geld schuldet. Sie haben das Recht, an dem Insolvenzverfahren teilzunehmen und Einfluss auf die Entscheidungen zu nehmen, die im Rahmen des Verfahrens getroffen werden. Es ist jedoch äußerst selten, dass deutsche Gläubiger tatsächlich ihre Rechte aus ihrer gesetzlich vorgesehenen Stellung im irischen Insolvenzverfahren wahrnehmen.


Rechtsfolgen des erfolgreich in Irland durchgeführten Privatinsolvenzverfahrens

  •  Das Vermögen des Schuldners geht bis zu einer Freigrenze in Höhe von 6.000,00 EUR auf den sog. „Official Assignee“ über. 
  • Der Schuldner muss den über diese Freigrenze hinausgehenden Betrag an den Official Assignee abführen.
  • Denkbar ist, dass auch Renten- oder Pensionsansprüche im Rahmen des Insolvenzverfahrens vom Offical Assignee gepfändet werden. Dies ist jedoch kein Automatismus und tritt lediglich dann ein, wenn die Pension innerhalb von kurzer Zeit nach der vom Bankrotterklärung eintritt.
  • Die Insolvenz wird im sog. „Register of Bankruptcies“ veröffentlicht, das mit dem deutschen Insolvenzregister vergleichbar ist.
  • Neben der Verpflichtung des Schuldners dem Official Assignee alle vermögensrelevanten Informationen zukommen zu lassen, muss auch jeder Wohnortwechsel oder Arbeitsplatzverlust angezeigt werden. 
  • Die Restschuldbefreiung erfolgt automatisch spätestens ein Jahr nach der Bankrotterklärung durch das Insolvenzgericht.
  • Die Bescheinigung über die Restschuldbefreiung ist auch in Deutschland wirksam und kann gegenüber Gläubigern nach notarieller Beurkundung zum Nachweis des Untergangs der vom Gläubiger geltend gemachten Forderung verwendet werden.


Im Rahmen meiner Tätigkeit habe ich ein umfangreiches Netzwerk in Irland aufgebaut. Dieses schließt sowohl Kanzleien als auch diverse Service-Provider ein, die den Bedürfnissen der Mandantschaft entsprechen.

Gerne bringen ich Sie mit deutsch-irischen Relocation Services in Verbindung. Diese können Ihnen - je nach Ihrem persönlichen Bedarf, der sich im Rahmen der Analyse Ihrer individuellen Lebensumstände zeigt,  beim Aufbau eines Lebensmittelspunkt in Irland beratend zur Seite stehen. Solche Services wickeln insbesondere das Finden einer Wohnung, Telefonnummer, Krankenversicherung, Steuernummer sowie Mitgliedschaften in Bildungseinrichtungen oder Vereinen ab. Sobald Ihr Lebensmittelpunkt in Irland ist, können Sie mit einem Personal Insolvency Practitioner (PIP) Kontakt aufnehmen, wobei das hier vorhandene Netzwerk Ihnen hilfreich zur Seite stehen kann.


Sprechen Sie mich gerne für eine unverbindliche Erstberatung an.


Rechtlicher Hinweis:   

Die vorliegende Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll lediglich einen ersten Überblick über die Gesetzeslage schaffen. Sie kann eine auf den Einzelfall bezogene Beratung nicht ersetzen.

Philip Bafteh
Rechtsanwalt

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