Prothesenverkauf am Krankenbett – Wie verhält es sich mit dem Widerrufsrecht?

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Unserem Mandanten wurde im Rahmen einer stationären Behandlung der Oberschenkel amputiert. Noch am Krankenhausbett besuchte ein Mitarbeiter eines Reha-Unternehmens den Patienten, um ein Angebot für eine prothetische Versorgung zu einem Kaufpreis in Höhe von insgesamt 32.368,05 Euro zu unterbreiten.

Die Unterzeichnung des Vertrages erfolgte ohne vorherige Kostenübernahmeerklärung durch die private Krankenversicherung unseres Mandanten. Diese wurde erst nach Unterzeichnung des Kaufvertrages kontaktiert, gelangte jedoch zu dem Ergebnis, dass hier zunächst eine Interimsversorgung für einen Betrag in Höhe von 6.330,41 Euro ausreichend sei. Den Differenzbetrag in Höhe von 26.037,64 Euro sollte nun unser Mandant zahlen.

Der Vertrag wurde durch uns gemäß § 312 g widerrufen, da es sich um einen Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen, nämlich am Krankenbett, gehandelt hat. Eine Belehrung über ein Widerrufsrecht ist hier nicht erfolgt, sodass dieses noch nicht erloschen gewesen ist. Das Reha-Unternehmen hat schließlich gegen den Patienten Klage auf Zahlung von 26.037,64 Euro erhoben.

Die Klägerin war der Ansicht, dass der Kaufpreisanspruch nicht durch Widerruf erloschen sei. Ein Widerrufsrecht sei hier nicht gegeben, da es sich bei dem Vertrag um einen Vertrag zur Lieferung von Waren gehandelt habe, die nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Gebrauches zugeschnitten sind.

Das Landgericht Dresden hat mit Urteil vom 30.06.2022 die Klage abgewiesen und unsere Auffassung bestätigt, dass es sich hier um ein sog. Haustürgeschäft handelt, das widerrufen werden könne (LG Dresden, Az.: 8 O 1057/20).

Ein Ausschluss des Widerrufes sei hier auch nicht gegeben, da es sich hier um einen Werkvertrag handle. Der Ausschluss wäre nur dann gegeben, wenn stattdessen ein Kauf- oder Werklieferungsvertrag vorliegt. Dies ist hier nach Ansicht des Gerichtes jedoch gerade nicht der Fall, da bei der bestellten Prothese der Schwerpunkt des Vertrages auf der Herstellung eines funktionstüchtigen Werkes liegt. Die Prothese ist durch den Prothesenschaft individuell angefertigt worden, dadurch sei die individuelle Nutzung durch den Verbraucher allein erst möglich.

Da der Patient auch nicht über das ihm zustehende Widerrufsrecht belehrt worden ist, konnte der Vertrag nach Abschluss innerhalb einer Frist von 12 Monaten und 14 Tagen noch widerrufen werden.

Fazit:  Der vorliegende Sachverhalt zeigt, dass der Verbraucherschutz auch bis ins Krankenhaus reichen kann, wenn dort Hilfsmittel verkauft werden. Für Privatversicherte ist nicht in jedem Fall gewährleistet, dass die entstehenden Kosten auch von der Krankenversicherung übernommen werden. In dem Fall besteht dann in der Regel die Möglichkeit des Widerrufes, wenn das erworbene Hilfsmittel individuell angepasst werden musste.

Im Falle eines Widerrufes, wäre das Hilfsmittel dann Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises an den Hersteller zurückzugeben. Hier war es so, dass die Prothese von dem Mandanten nicht genutzt worden ist, letztlich aber bei ihm verblieben ist.


[Detailinformationen: RA Matthias Herberg, Fachanwalt für Medizinrecht, Fachanwalt für Sozialrecht, Telefon 0351 80718-56, herberg@dresdner-fachanwaelte.de]


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