Restschadenurteil im Dieselskandal gegen Volkswagen AG wegen Vierzylinder-Diesel vom Typ EA189

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Das Landgericht Tübingen hat die Volkswagen AG im Dieselabgasskandal wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 852 BGB verurteilt. Es bezieht sich auf einen Gebrauchtwagenkauf von VW-Vertragshändler.

Auch bei älteren Fahrzeugen kommt die Volkswagen AG im Dieselabgasskandal nicht aus den Schlagzeilen. Das Landgericht Tübingen (Az.: 8 O 98/21) hat die Volkswagen AG dazu verurteilt, an die Klägerin 8.218,14 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. November 2021 zu zahlen und 57 Prozent der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Der Hintergrund: Die Klägerin erwarb am 22. August 2012 von einem VW-Vertragshändler ein von der Beklagten hergestelltes Gebrauchtfahrzeug vom Typ VW Passat mit einem Zweilitermotor vom Typ EA189 mit vier Zylindern und der Abgasnorm Euro 5 mit einem Kilometerstand von 28.892 Kilometern zu einem Kaufpreis von 22.000,01 Euro. Die Klägerin finanzierte den Erwerb des Fahrzeugs im August 2012 in Höhe eines Nettodarlehensbetrags von 18.500 Euro über die VW-Bank, wofür für die 48-monatige Laufzeit insgesamt 1.764,03 Euro Zinsen vereinbart waren. Der Kilometerstand des Fahrzeugs belief sich am 3. März 2022 auf 167.405 Kilometer. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Die Abgasreinigung erfolgt im streitgegenständlichen Fahrzeug über die Abgasrückführung. Dabei wird ein Teil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Für das streitgegenständliche Fahrzeug liegt ein amtlicher Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) vom 15. Oktober 2015 vor, weil das Fahrzeug wie auch andere Fahrzeuge mit Motor EA189 mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in Form der Umschaltlogik versehen war. Über den Rückruf wurde die Klägerin durch Halteranschreiben im Februar 2016 informiert. Zu einem nicht benannten Zeitpunkt wurde beim streitgegenständlichen Fahrzeug das von der Beklagten in Folge des Rückrufs angebotene Software-Update durchgeführt. Auch danach ist die Abgasrückführung nur in einem zwischen den Parteien streitigen Temperaturbereich mit 100 Prozent aktiv und wird außerhalb dieses Fensters reduziert („Thermofenster“).

„Das Gericht hat eindeutig bestätigt: Der Klägerin steht ein verjährter Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gegen die Beklagte zu. Denn das mit dem Motor EA189 ausgestattete streitgegenständliche Fahrzeug war bei seinem Inverkehrbringen durch die Beklagte mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet. Anders als die Volkswagen AG vorgebracht hat, entfällt ein Vermögensschaden, der auf dem ‚ungewollten‘ Abschluss eines Kaufvertrags über ein Fahrzeug beruht nicht dadurch, dass die Klägerin in Kenntnis des den Vermögensschaden begründenden Verhaltens der Beklagten ein ihr im Rahmen der Finanzierung des Kaufpreises von einem Dritten gewährtes verbrieftes Rückgaberecht nicht ausgeübt hat“, sagt der Mönchengladbacher Rechtsanwalt Dr. Gerrit W. Hartung von der Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (www.hartung-rechtsanwaelte.de). Die Kanzlei befasst sich ausschließlich mit Anleger- und Verbraucherschutzthemen und hat sich auf die Beratung von Betroffenen des Abgasskandals spezialisiert. Dr. Gerrit W. Hartung gilt als „Dieselanwalt“ der ersten Stunde und hat das verbraucherfreundliche Urteil vor dem Landgericht Tübingen erstritten.

Die Volkswagen AG wurde wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 852 BGB im Rahmen eines „Restschadensersatzanspruchs“. verurteilt. Nach dieser Bestimmung hat der Ersatzpflichtige selbst nach Verjährung des Schadenersatzanspruches nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben, was er durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten erlangt hat. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass der Anspruch aus § 852 BGB weiterhin ein deliktischer Schadensersatzanspruch ist. „In diesem Falle entsteht der Schadensersatzanspruch aus § 852 durch den Gebrauchtwagenkauf bei einem VW-Vertragshändler, an dessen konkreten Erlös die Beklagte über das Vertragshändlersystem erneut wesentlich partizipierte. Das bedeutet, dass sich viele geschädigte Verbraucher im VW-Abgasskandal keine Sorgen vor der Verjährung machen müssen. Sie können über den Restschadensersatzanspruch finanzielle Kompensation erhalten“, sagt Dieselanwalt Dr. Gerrit W. Hartung.

Foto(s): Dr. Hartung Rechtsanwaltsgesellschaft mbH


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